REVIEW: Dank “Neon On My Naked Skin” reisen wir mit den NEON SPACE MEN in die Vergangenheit
Die Menstruation der Frau, ein Th….
Oh, ähm, wir rebooten mal eben.
Also: die Achtziger, ein Jahrzehnt voller Missverständnisse.
Sangen CHAOS Z noch „Alles ist Grau“, Visage „Fade To Grey“ und HASS von „Langeweile“, erinnern wir uns heute eher an „Neon Lover“ von BLACK JACK, „Oh L’amour“ von ERASURE und „Sounds Like A Melody“ von ALPHAVILLE.
Weil das musikalisch aber definitiv der angenehmere Rückblick ist, schließen sich dem auch die NEON SPACE MEN auf ihrem Debütalbum „Neon On My Naked Skin“ an.
Wir haben hier ja schon ausführlich über diese Band, die es so ähnlich eigentlich vor gut 25 schon einmal gab, berichtet. Das macht es für uns einfach, direkt ans Eingemachte zu gehen.
Vorweg auch gleich der Hinweis an alle Sammler: Es wird von „Neon On My Naked Skin“ eine Vinylauflage geben! Aber, pssssst, diese Info habt ihr nicht von mir (Zwinker).
Noch ein ganz geheimer Spoiler: Am Release- Day könnt ihr die NEON SPACE MEN live als Support für SEA OF SIN in der MORITZBASTEI Leipzig begutachen (oder besser noch: abfeiern), Tickets bekommt ihr hier.
Das Konzept
Das Konzept ist nach den obigen Zeilen schon ganz gut erkennbar.
Zwei Drittel der NSM waren bereits in den 90ern aktiv im Bereich Synthpop, der sich stilistisch an den großen Songs von BOWIE, ALPHAVILLE, ERASURE und Co orientierte, dabei jedoch damals moderne Sounds verwendete.
Nun haben sie das Konzept konkretisiert und nutzen auch die Klänge der Achtziger, gepaart mit dem Einsatz aktueller Technik und einer herausragenden Stimme im Line Up.
In diesem Zusammenhang überarbeiten sie auch ihre alten Tracks und transformieren sie in das heute bestehende Gefüge.
Nein, die Herren des Neon wollen keine Kopien von (damaligen) Undergroundgrößen a la DAF, DIE KRUPPS oder CABARET VOLTAIRE sein, sondern einfach aufwändig arrangierten Synthpop der guten Laune produzieren. Daher klingen oft auch Zitate an die High Energy- Ära durch. Also das ganze Gegenteil von düster und böse. Obwohl, ihr Hang zu typischen Maxi- Versionen der 80s ist schon irgendwie fies. Bietet aber immer einen Mehrwert und viele Gimmicks zum Entdecken.
Somit gibt es eben auch das Album in verschiedenen Ausführungen. Vinyl erwähnten wir ja bereits, dazu eine CD, die auch alte Demos als Bonus enthalten wird. Und klar, Download steht ebenso auf der Speisekarte, wie das Streaming auf den bekannten Plattformen.
Neon On My Naked Skin
Eröffnet wird das Werk von „Ordinary Day“, welches mit angezupften Streichinstrumenten beginnt, welche alsbald von zarten Vocals und gebrochenen Beats unterstützt werden. Langsam schaukelt sich all das Gezupfe und Gezirpe auf, um dann doch wieder auf ein Minimum runter zu brechen. Wir werden ganz behutsam Richtung Climax geführt. Was für ein wundervoller Opener, eindrucksvoll!
An Position Zwei finden wir den Song, mit dem das Trio seinen Feldzug in die Musikwelt startete und bei dem sich manch einer über viele „Uhs“ und „Ohs“ beschwerte. Doch all diese gehören zu Recht zum Gesamtpaket von „Follow Me“. Wir mögen den Song, der als Single ein paar tolle Remixes mitbrachte.
Apropos Remixes: die waren insbesondere bei der Single- VÖ von „Seeds Of Love“ grandios und bisweilen überraschend. Unsingbarer Refrain, kombiniert mit viel Geklimper – der Song steht definitiv in bester ERASURE Tradition. Immer noch der Favorit des Autors dieser Zeilen. Refrains wie diese sind heute eine absolute Rarität, die angemessen gewürdigt werden sollte. Wer bisher noch nicht firm mit dem Katalog der Band ist, sollte diesen Anspieltipp als perfekten Stellvertreter für „Neon On My Naked Skin“ sehen.
Früher wurde ja außerhalb des Punk nahezu nichts direkt angesprochen, sondern immer in irgendwelchen Geschichten verpackt. Auch dieser Stilistik folgen die Drei bei „Things (The Ballad Of Adam And Steve)“. Der Song behandelt nicht einfach das Thema Homosexualität an sich, sondern eben auch viele damit verbundene gesellschaftliche Probleme, die hier in einer Tragödie zusammengefasst werden.
„Moving Slowly Moving Faster“ kommt wieder deutlich reduzierter und balladesque daher. Augen schließen, Ohren öffnen, dahin schmelzen!
Vom Tempo her ändert sich gar nicht so viel bei „Centripetal“, aber von einer Ballade sind wir hier sehr weit entfernt. Das schimmert ein bisserl OMD durch und das ist ganz und gar positiv gemeint. Der Song lebt von seinen vielen Details, dem geradezu massiven Beat und dem Topping der Melodie, die nahezu ausschließlich auf den Vocals fußt.
Bei „Twisted Mind“ gibt die Band wieder Gas und es wird herrlich theatralisch. Ja, auch wir wollen hier die Zitate an „Blade Runner“ in Erwähnung bringen. Viel interessanter sind aber der grundlegende Aufbau des Songs mit vermeintlichen Timing- Fehlern, die aber gar keine sind, sondern eben einfach zu 100% heute üblichen Kompositionsstandards widersprechen. Mehr Achtziger kann man heute kaum mehr in einen Song pressen – Referenzwerk! Behutsam aufgebohrt hatte es der ROB DUST in seinem Remix, der der Single VÖ angehängt ist. Ein Stöbern im zwangsläufig noch etwas übersichtlichen Backkatalog der NEON SPACE MEN lohnt also allemal!
Ganz aktuell ist die letzte Pre- Single zum Album im Umlauf: „Sailing 7 Seas“, für die mit ALEX BRAUN (!DISTAIN) zusammengearbeitet wurde.
Zur Weihnachtszeit bekamen wir schon das höchst persönliche und gefühlvolle Stück „Elita“ zu hören. Ganz großes Kino, massive Ballade der Extraklasse. Alles ganz weit entfernt von dem, was heute gern als simpler Synthie verschrien wird. Wem hier nicht die Augen feucht werden, dem hilft auch kein Therapeut mehr….
Damit wir nicht in Trauer versinken, hauen die Jungs uns zum Abschluss mit „Frozen To The Core (Travelling)“ noch einen High Energy Dancefloor- Killer um die Ohren. Wir konnten uns bereits von der Live- Wirkung überzeugen, als wir die Band zum Support für S.P.O.C.K. in der Hannoveraner SUBKULTUR besuchten. Hier haben die Jungs alles in die Waagschale geworfen: ergänzende Vocals von Uwe, moderner Sound, klassische 80s- Synthlines und vertrackte Refrains. Quasi best of both Worlds. Ein Knaller, der uns Hörer etwas ratlos zurücklässt.
Nicht etwa wegen unzureichender Qualität des Songs, sondern weil die Stille danach um so brachialer wirkt. An dieser Stelle freuen wir uns auf die CD, wo dank der Bonus Tracks eben nicht einfach Schluss ist.
Fazit
Also, es schadet garantiert nicht, Fan (und vielleicht sogar Überlebender) der 1980er zu sein.
Und wenn man generell mit gutem SynthPop etwas anfangen kann, ist es umso besser.
Aber eigentlich muss man einfach offen für große Melodien und einer gewissen Theatralik sein, um mit diesem Werk etwas anfangen zu können.
Politisch droht uns ja gerade eine eher ungute Reise in eine dunkle Vergangenheit, mit „Neon On My Naked Skin“ können wir aber ganz freiwillig und ohne üble Nachwehen eine musikalische Reise in ein (neon)buntes Gestern unternehmen.
Für Leute, bei denen alternative Musik immer nur traurig, böse, kantig und kaum konsumierbar sein muss, werden vermutlich keinen Zugang zu diesem Werk finden. Allen anderen legen wir es hiermit ans Herz.
9/10
Details
Tracklist
- Ordinary Day
- Follow Me
- Seeds Of Love
- Things (The Ballad Of Adam And Steve)
- Moving Slowly Moving Faster
- Centripetal
- Twisted Mind
- Sailing 7 Seas
- Elita
- Frozen To The Core (Travellin)
- Sailing 7 Seas (feat. ALEX BRAUN) *
- Elita (Pianoforte) *
- Twisted Mind (Pianoforte) *
- Captain Future Theme *
- Twisted Mind (Demo) *
- Sailing 7 Seas (Demo) *
- Follow Me (Demo) *
- Seeds Of Love (Pump Mix (very early Demo)) *
(* Bonus, in dieser Form nur auf dem CD Release)
Act | NEON SPACE MEN |
Release | Neon On My Naked Skin |
Release Date | 16.02.2024 |
Medien | Vinyl, CD, digitaler Download, Stream |
Quellen | der gemeine Musikhandel, Bandcamp, die großen Streamingdienste |
Ganz nah ran an die Band kommt ihr, abgesehen von Live-Shows, im Web, auf Facebook, bei Insta und Youtube.
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