Review: MAERZFELD – “Alles anders”

«Nichts ist so beständig wie der Wandel», sagte einst der griechische Philosoph Heraklit. Dass dieses Sprichwort auch nach vielen Jahrhunderten nichts an Bedeutung verlor, hat auch die Franken von MAERZFELD beschäftigt. Seit der Veröffentlichung des letzten Longplayers „Zorn“ im Jahre 2019 sind nunmehr vier Jahre ins Land gezogen. Erfahrungen, die die Band während der Corona-Pandemie gemacht hat, spiegeln sich im neuen Album genauso wider, wie der Einfluss neuer Musiker, die seit dem letzten Album bei MAERZFELD eingestiegen sind.

Ist denn nun nun bei MAERZFELD alles anders wie es der Titel des neuen Albums vermuten lässt? Mitnichten! Weiterentwicklung ist ein fester Bestandteil der musikalischen Schaffensphase der Band, und es wäre ja auch schade, wenn das frische Blut im Bandgefüge nicht auch hörbar gemacht worden wäre.

Als fränkisches Aushängeschild der Neuen Deutschen Härte ist „Alles anders“ kein weichgewaschenes Rockalbum geworden, sondern besticht wie gewohnt durch eingängige Melodien und tanzbare Beats. Schon der titelgebende Opener des Albums “Alles anders” ist ein treibender Midtempo-Track, dessen Refrain direkt im Ohr bleibt. Wie man erwarten darf, handelt der Song von den beiden Seiten des Wandels, den Gefahren und Ängsten, jedoch auch den Chancen. Die größte Chance, einem Alptraum zu entfliehen, ist aufzuwachen. Und so verarbeiten MAERZFELD in “Wach auf” den Traum, den wohl viele schon erleben mussten – entfliehen zu wollen und doch nicht vom Fleck wegzukommen. Siegmund Freud hätte es erfreut.
Clubhit-Qualitäten beweist der folgende Song und Sprachführer ins Japanische: “Bakkushan” ist der japanische Begriff für eine Frau, deren Kehrseite optisch mehr zu bieten hat als die Frontale, und wie man solchen Frauen am besten begegnet, kann man über die Minuten lang mit süffisantem Grinsen zuhören (für das nächste Album wünschen wir uns die Vertonung unseres japanischen Lieblingsworts ‚Kuchisabishii‘ – die Redaktion dankt vorab!).
Die über allem thronende, aber nicht dominierende Stimme von Sänger Heli Reißenweber ist nach wie vor kraftvoll und unverkennbar – und doch findet man auf einigen Songs eine leichte stimmliche Weiterentwicklung. Feinere Nuancen und ein dezentes, jedoch gekonntes Spiel mit dem Gesangsorgan offenbart Heli vor allem in der Ballade “Ich steige auf”. Diese wirkt zwar gekonnt auf dem Album nach dem Song “Von 100 auf 0” platziert, wie eine Zäsur, aber diese Verschnaufpause braucht das Ohr auch. Denn wie es sich für NDH gehört, geht der nächste Song “Keinen Sinn” wieder direkt in die Vollen. Wie schon Udo Lindenberg die Apokalypse mit “Grande Finale” besang, kontern MAERZFELD das Verhalten der Menschheit mit “Weltuntergang”   Die “Hübschlerin” vom 2011er Album „Tief“ wurde für „Alles Anders“ auch nochmal aufgehübscht, und zeigt sich in neuem und modernerem Gewand. “Plötzlich tut es weh” ist nicht nur der Titel des vorletzten Songs des Albums, sondern erklärt auch das Gefühl, das man hat, wenn man beim Blick auf die Playlist merkt, dass man schon fast am Ende des Albums angekommen ist. Denn Langeweile kommt in keiner Sekunde auf.
Auch nach mehrmaligem Durchhören fallen immer wieder neue verspielte Elemente im Hintergrund auf, die sich jedoch harmonisch in die Gesamtmelodik des Albums eingliedern. Gute, nicht zu überladene Gitarren-Soli finden in den Songs ebenso ihren Platz wie der untermalende Background-Gesang der Refrains. Ja, irgendwie ist doch alles anders, und zwar besser. Und somit kommen MAERZFELD mit “Lange nicht” ans Ende des neuen, sehr gut produzierten Albums. Wir haben MAERZFELD lange nicht gesehen, aber freuen uns jetzt schon, diese Hymne auf das Jetzt und Hier, die hoffnungsvoll mit Corona abschließt, sowie die anderen Songs von „Alles anders“ auf der bevorstehenden Tour live zelebrieren zu können.

Satte 9 / 10 Punkten (und denkt ans Kuchisabishii!)

Hörprobe gefällig?

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