Review: KÄRBHOLZ – Kontra

Die 2020er Tournee der Jungs aus dem Hinterwald Nordrhein-Westfalens war eine der ersten, die Dank der nun mehr seit einem Jahr grassierenden Corona-Pandemie zum Opfer fiel. Aber da rasten ja mit rosten gleichzusetzen ist, waren die Ruppichterother nicht untätig und haben sich direkt an den Nachfolger ihres Chartstürmers „Herz & Verstand“ aus dem Jahr 2017 gemacht. Pünktlich zur Volljährigkeit der Band aber durch Lieferschwierigkeiten verzögert, erscheint nun das neue Album „Kontra“.

Direkt nach vorne geht der Opener „Nie wieder“, mit dem KÄRBHOLZ erneut Stellung gegen rechte Strömungen beziehen und einen mahnenden Rückblick der deutschen Geschichte in den Vordergrund stellt. Angesiedelt in diesem Teil der Geschichte war auch der Film „Hunde, wollt ihr ewig leben“ von 1959, der seinen Titel dem zweiten Streich des neuen Albums leiht. Jedoch geht es hier mit ordentlich Druck eher um eine ordentliche Druckbetankung, statt einen Russland-Feldzug. Andererseits könnte man ja auch einen Vernichtungsschlag gegen die Wodka-Vorräte des örtlichen Supermarktes fast als Russland-Feldzug bezeichnen und das kommt dem tieferen Sinn der Lyrics auch schon eher entgegen! Die darauf folgende erste Single-Auskopplung „Niemals fallen“ setzt auf die gewohnte und liebgewonnene Kärbholz-Dynamik mit einer Mischung aus Selbstherrlichkeit und Motivation.

 

Und auch in diese Kerbe schlägt der Folgetrack „Laternenlicht“, die zum Mitsingen und Rumpogen geradezu einlädt. Ein heimlicher Lieblingstrack folgt mit „Ein einsamer Ort“. Eine herrlich melodische Nummer, mit einer Runde melancholischer Texteinwürfe. Wenn man seiner Phantasie etwas Raum gibt, kann man sich bei Hören einen der Jungs als reflektierenden Rock-Alm-Öhi auf einer Berghütte vorstellen. Sentimental stimmt sich „Voran“ ein, ein Song, auf dem Gitarrist Adrian Kühn nun auch das Mikrofon übernimmt und sich selbst auf der Akustikgitarre begleitet. Ruhig und nachdenklich, bezogen auf das Hier und Jetzt sowie den Gedanken auf die Zukunft überrascht Adrian damit, dass er mittlerweile auch singen kann und das gar nicht mal schlecht. Andererseits ist das auch ein wenig schade, schließlich hat er früher live so schön die Zweitstimme dreistimmig gesungen. Laut, falsch und mit voller Überzeugung!

Ob irgendjemand da draußen wach ist, der ihn hört, fragt Sänger Torben auf „Schlaflos“. Ich könnte mir vorstellen, dass ein paar Düsseldorfer Grillhähnchen dies schon vor ein paar Jahren mit einem „JA“ beantwortet haben. Um seine Schlaflosigkeit zu besiegen, besiegeln oder einfach unter den Tisch zu trinken, bietet sich ein Irish Pub für gewöhnlich bestens an. Und so kommen die ersten Klänge von „Roter Wein“ wie ein Irish Folk Song daher, um sich zum Refrain wieder kärbrockig zu entfalten. Allerdings erinnert die Geigenmelodie sehr stark an „Rose Tattoo“. Aber wer weiß, eventuell hat sich ja einer der Jungs ein Rotweinglas auf den Hintern tätowieren lassen. „Rückenwind“ ist der perfekte Soundtrack für Asphaltcowboys mit mobilen Untersätzen aller Art. Empfehlenswert wäre hierfür ein aufgemotzter US-Pickup-Oldtimer. Hauptsache man ist „raus, und hat Rückenwind, mein Freund“ und stellt sich Gitarrist Adrian vor, der mit 1000 Liter Sprit im Beiwagen seines Mopeds den alten VW-Bus von Thomas D. überholt. Komplett ausgebremst wird die gute Stimmung, die „Rückenwind“ aufgebaut hatte vom Folgetrack „der schwarze Schwan“. Melancholisch und nachdenklich mit bitterem Text, der einfühlsam in die emotionalen Tiefen eines Außenseiters führt. Wie der Protagonist des Songs seine Einstellung zu seinen Gegenübern ändert, so bricht auch die ruhige Untermalung komplett ab und die Härte der im letzten Refrain eingesetzten Instrumentalisierung entspricht gekonnt dem Hass, dem sich „der schwarze Schwan“ zu Ende hin ergibt.

 

Eigentlich müsste man hier erst einmal eine Pause machen, aber wer brennt schon 10 Minuten Leerlauf auf eine CD. Weiter gehts mit „Easy“ – textlich 100% KÄRBHOLZ, aber irgendwie hört sich der Song an, als wäre er ein radiotauglicher Remix eines Pop-Produzenten. Das ist mal gar nicht Punkrock, und auch wegen der deutlichen und unverblümten Worte würde der Song eh nicht im Radio laufen. Da man mit so einer Nummer kein Album abschließt, kommt mit „Leben und Tod“ wieder ein richtiger Kracher im Anschluss. Gesangliche Unterstützung erhält Sänger Torben durch Matthi, dem Shouter der belgischen Hardcore-Formation NASTY. Und da man gerade wieder so schön in Fahrt gekommen ist, gibts als Nachschlag noch eine Runde „Vollgas“. Das ist auch das Motto von KÄRBHOLZ, die sich gerne auch als Vollgas-Rocker bezeichnen, da sie weder in die Deutschrock-, noch in die Punkrock- oder Metalschublade passen mögen. Die eigene Lebensphilosophie mit Erfahrungen gepaart geht es mit gefühlten 180 Sachen durch die letzten drei Minuten des Albums. Man mag auf der einen Seite den Jungs von KÄRBHOLZ ankreiden, dass kein roter Faden durch den neuen Longplayer führt, und einige Elemente, sei es textlich oder melodisch sich nach „schon mal woanders gehört“ wirken, auf der anderen Seite macht diese Unberechenbarkeit „Kontra“ auch interessant und spannend.

Bewertung: 8 von 10 Punkten

Tracklist:
01. Nie Wieder
02. Ewig Leben
03. Niemals Fallen
04. Laternenlicht
05. Ein Einsamer Ort
06. Voran
07. Schlaflos
08. Roter Wein
09. Rückenwind
10. Der Schwarze Schwan
11. Easy
12. Leben und Tod
13. Vollgas

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