Das Temperament des Drachen: Hilton Theissen von ZOODRAKE im Interview zum neuen Album “purified”
Pünktlich zum Release des Debüt Albums von ZOODRAKE hatten wir die Gelegenheit, ein paar Fragen an Mastermind Hilton Theissen zu richten.
Hallo Hilton, schön, dass du dir Zeit für ein paar Fragen von uns nimmst. Normalerweise würden wir sowas lieber Face to Face machen, aber aufgrund der momentanen Situation ist es so besser. Wie geht es dir gerade?
Hilton: Hey, das ist verständlich. Mir geht es prima und ich bin mit reichlich Studio Arbeit eingedeckt, sodass mir die Decke nicht auf den Kopf fallen kann.
Bald ist es soweit – am Freitag wird dein Debüt Album mit ZOODRAKE endlich in den Regalen stehen – fühlt es sich auch wie ein Debüt an oder eher wie eine Weiterentwicklung von SEADRAKE?
Hilton: Es ist definitiv ein Debüt und ein Gefühl des Neuaufbruchs. Es hat viel Kraft gekostet aber auch sehr viel Freude gemacht.
Ich will gar nicht viele Worte über SEADRAKE verlieren, aber eine Frage dazu brennt mir doch unter den Nägeln: Gibt es da noch ne Chance, dass es da noch zu einem guten Ende kommt, oder ist das Thema komplett durch?
Hilton: Ich kann leider wenig dazu sagen, da es aktuell nicht wirklich ein Ende gibt, aber nach dieser intensiven, und wohl einer der negativsten Erfahrungen meines Werdegangs als Musiker und Mensch, sehe ich lieber nach vorn und widme mich konstruktiven Dingen.
Ist ZOODRAKE die Weiterentwicklung von SEADRAKE oder soll es als völlig eigenständiges Projekt gesehen werden?
Hilton: Natürlich habe ich als Sänger, Gitarrist und Songwriter eine ausgeprägte Handschrift, die man immer heraushören und spüren wird, und hinter den Band oder Projekt Namen, die ich einbringe steckt immer eine klare Bedeutung, auch wenn das nicht jedem klar wird, aber so ist es auch dieses mal. Ich interpretiere auch weiter gern Stücke aus meinen vorangegangenen Bands, aber ich sehe mich inhaltlich frei von Zwängen hinsichtlich Songwriting oder alten Konzepten.
Bist du für ZOODRAKE jetzt komplett allein verantwortlich? Oder übernimmt SILVVEIL auch etwas?
Hilton: Ich zeichne hauptsächlich verantwortlich, gerade für Songwriting und Produktion. Silvveil ist dabei eine wunderbare Unterstützung, wollte aber von vorn herein im Hintergrund agieren, was ich respektiere und verstehen kann. Darüber hinaus profitiere ich von einem wunderbaren Team, dass mich in mehrerlei Hinsicht unterstützt und mir zuarbeitet, um das ganze Drumherum bewältigen zu können. Ihnen gilt mein tiefster Dank.
Das Album wirkt nach dem ersten Hören etwas sperrig. So als wäre es weniger für die breite Masse gemacht, sondern eher ein wunderbares Zeugnis deiner Kreativität. Hast du dich im Entstehungsprozess irgendwie “einschränken” lassen oder ganz bewusst deiner Kreativität freien Lauf gelassen?
Hilton: Das ist ganz bewusst so. Ich halte mich ungern an Regeln und finde es interessant, die Grenzen zu testen und manchmal zu überschreiten, was Stilistiken angeht. Nach so vielen Jahren, in denen ich für andere geschrieben oder produziert habe, brauchte ich mal wieder Verwirklichung und Definition meines musikalischen Selbst fernab der anderen Band Projekte.
Viele Titel erinnern stark an die 80er, einige Passagen könnten auch wunderbar in 80er Jahre Videogames passen. Hattest du schon immer was für die 80er Jahr übrig oder woher kommt der nicht zu überhörende Einfluss?
Hilton: Ich habe erst sehr spät den Zugang zu 80er Musik bekommen. Eigentlich kamen meine Einflüsse eher aus den 60ern und 90ern. Aber ich habe hier bewusst mit dieser großartigen Epoche gespielt, weil ich die Rekombination mit anderen Einflüssen schätze und den “Pop Nudelsalat” mal ordentlich durchmengen wollte, auch wenn es hier uns da entweder sperrig oder gar “kommerz-poppig” wirkt.
“Die Musik fokussiert fernab von aktuellen Trends oder politischen Inhalten das Spiel der Emotionen menschlichen Seins und die besonderen Momente.” heißt es im Pressetext. Bist du der Meinung, dass der Markt an politischen Bands “übersättigt” ist, und das zu viele den aktuellen Trends hinterherjagen? Möchtest du mit deiner Musik Inseln schaffen, die so ganz anders sind? Wenn ja: Das ist dir definitiv gelungen. Wie kam es dazu?
Hilton: Meine Texte sind immer sehr persönlich, sie reflektieren, beschreiben Phasen des Lebens sowie deren Stimmungen und sind interpretierbar für den ein oder anderen. Manchmal komme aber auch ich nicht ohne etwas Kritik mit einer Prise Sarkasmus aus, denn beispielsweise “Upgrade” handelt von dem Druck den die modernen Medien auf die Gesellschaft ausüben, der Angst, zurückzubleiben, und dem pausenlosen Terror, den sie hervorrufen können. “Lasting” sehnt sich nach etwas Beständigem, das wir in der heutigen Zeit immer mehr vermissen, von der Kultur bishin zu alltäglichen Gebrauchsgegenständen.
“Sent to you” und “Our Light” waren als erste Single Auskopplungen musikalisch noch recht nahe an SEADRAKE. “Death Bloom” klingt schon anders, experimenteller. War das gewollt, die Fans erstmal behutsam an eine Änderung hinzuführen?
Hilton: “Sent to you” ist tatsächlich eine sehr alte Idee, die aus der Zeit vor SEADRAKE stammt, welche ich schon immer mal realisieren wollte, und die fast unverfälscht vom ersten Entwurf aufs Album gekommen ist. Die Reihenfolge hat aber tatsächlich etwas bewusst “zum Album hinführendes”. Die Cover verfolgen da ebenfalls ein zusammenhängendes Konzept.
“I am the drake” sticht sehr aus dem Album raus – das erste Mal hören hatte ich ein großes Fragezeichen überm Kopf. Nicht, dass ich den Song schlecht finde, aber er ist so völlig anders, als alles davor. Ist das ein Ausblick, dass wir in Zukunft härteres zu hören bekommen?
Hilton: Er ist ein bewusster Ausreisser und ebenfalls ein Song den ich seit 2010 aufnehmen wollte, abgesehen vom neuen Text mit thematisch verwandtem Inhalt. Er sollte den Charakter eines aussergewöhnlichen Outros haben, und uferte ein klein wenig aus…das Temperament des Drachen eben.
Einer unserer Redakteure, der mir bei den Fragen geholfen hat, hat folgende Aussage über das Album getroffen: “Anfang und Ende waren (für mich) tatsächlich am interessantesten, weil eben ungewöhnlich und bei jedem Hören ein anderes Gefühl übrig bleibt. Die Mitte ist für mich ein breites Feld zwischen gefällig und fast schon kommerziell “hittig” bis hin zu belanglos, weil zu einfach und geradlinig – als Gesamtwerk aber trotz der überraschenden Experimente durchaus gut verdaulich und interessant, da eben nicht auf die ewig gleiche Songstruktur zurückgegriffen wird. Hilton muss nur aufpassen, das er sich nicht verrennt, wenn er auf zu vielen Feldern bestellen will.” Ich sehe das auch so. Das Album wirkt sehr vielseitig, was auf der einen Seite sehr gut ist, denn es wird nicht langweilig, auf der anderen Seite lässt es viele Wege offen. Wohin soll die musikalische Reise gehen? Eher wieder einen Gang zurück in Sachen Experimente oder eher weiter?
Hilton: Sie ist gleichermaßen Fluch und Segen, meine Vorliebe für Vielseitigkeit. Das mag manch einem zu viel sein, aber ich brauche das. ZOODRAKE wird sich aber auch künftig im elektronischen Pop Rahmen bewegen, Indie und Alternative Einflüsse mitführen, sowie eine gehörige Portion Dance, die die Mischung abrundet, aber man muss diesem musikalischen Kind erlauben, sich entwickeln und finden zu können.
Mal zur aktuellen Situation: Kannst du dir auch vorstellen, dein neues Album in einem Geister Release Konzert vorzustellen?
Hilton: Ich finde es schön, dass die Leute in dieser Zeit so kreativ werden, was den bedauerlichen Konzert Wegfall betrifft. Aber ich möchte das Album erstmal wirken lassen und freue mich darauf, wieder auf der Bühne zu stehen und den Konzertbesuchern, die Songs live zu präsentieren. Sollte die aktuelle Situation zu lange andauern, denke ich mir was Hübsches aus.
Wie geht es jetzt weiter, nutzt du die “Zwangspause” was Konzerte angeht, um weiter kreativ zu sein, oder ist erstmal wieder sammeln angesagt?
Hilton: Momentan habe ich viel Produktions Arbeit mit einigen musikalischen Projekten im Wide Noise Studio, dazu gehört aber auch die Fertigstellung des Akanoid Remix Albums. Mir wird also nicht langweilig. Ich habe schon einige Ideen für das Nachfolgealbum, aber jetzt fokussiere ich erstmal auf die Präsentation von “purified” und die Live Umsetzung für die hoffentlich bald absehbar bessere Zeit, die vor uns liegt.
Als letztes: Hast du noch ein paar Worte, die du an die Fans richten möchtest?
Hilton: Ich bin dankbar für Euer Interesse und Eure Unterstützung durch die zum Teil turbulenten Zeiten und den Neuanfang. Ich freue mich auf Konzerte, Gespräche und schöne Abende mit Euch auf Tour oder anderen Veranstaltungen. Bleibt gesund und zuversichtlich.
Vielen Dank für deine Zeit 🙂