REVIEW: ANTIAGE – “Aphrodisiac Odyssey” oder auch avantgardistischen weißen Kaninchen
Wir müssen reden!
Über Avantgarde, weiße Kaninchen, dem Ausverkauf der Szene und den Untergang des Abendlandes.
Okay, hier und jetzt erst einmal nur über die Avantgarde. Dies wird ein veganer Artikel, versprochen.
ANTIAGE zählen für uns zu den würdigen Anwärtern für dieses Label.
Warum? Na, das erklären wir euch natürlich gern.
Am besten geht das im Zuge der Vorstellung ihres gerade erschienenen Debütalbum „Aphrodisiac Odyssey“.
ANTIAGE
Wir schrieben hier bereits einiges zur Band, können aber natürlich noch etwas tiefer in die Materie eintauchen.
Also, ANTIAGE sind eine Band aus dem leicht hügeligen Thüringen und besteht aus KAA SOLEIL (Lyrics, Vocals), VETO LESTARD (Programming, Producing, Synths, Backing Vocals), sowie FINTON CONNEDY (Guitar, Piano, Backing Vocals).
Alle Mitglieder haben musikalische Erfahrung, sind also keine unbeleckten Neueinsteiger.
Und selbst unter der Marke ANTIAGE haben sie schon ihre Sporen auf diversen Bühnen verdient.
Bei der Beschreibung ihres musikalischen Stils wird es dann schwierig. Wobei, eigentlich nicht. Aber dann doch irgendwie.
Wie oft werfen wir mit Phrasen wie „passt in keine Schublade“ und wie sehr trifft es auf dieses Trio zu. Die Band selbst beschreibt sich gern als Industrial Pop, was allerdings einen Vergleich mit AESTHETIC PERFECTION, GenCab, Josie Pace und ähnlichen Acts aufzwingen würde. Synthrock oder Electronic Rock träfe es vielleicht eher und ließe mehr Spielräume. Aber da wären noch die Wandlungsfähigkeit und die auffälligen Arrangements, die letzten Endes nur noch ein „Avantgarde“ übriglassen. Das mag musikwissenschaftlich vielleicht nicht ganz korrekt sein, trifft aber eben am besten den Haufen – äh – Kern des Pudels. Wenngleich auch wieder nicht….
Ihr werdet bei der Begutachtung von “Aphrodisiac Odyssey” merken, was wir meinen.
Das Schöne ist: das Werk ist bereits erhältlich, unter anderem hier, sodass ihr es mit uns gemeinsam zerpflücken könnt.
Wenn ihr mit unseren Einschätzungen nicht konform seid, könnt ihr gerne direkt widersprechen. Aber bitte per Handzeichen melden, wir rufen euch auf. Doch doch, ganz ehrlich, machen wir ganz bestimmt. Großes indigenes Ureinwohner Ehrenwort!
Aphrodisiac Odyssey
Wollen wir direkt starten? Okay, gern, dann drückt mal auf eurem Medium- Ohr- Verbindungsapparat die Taste Play.
Wir starten mit „All Flowers Dead“, ihrem ersten großem Impact auf die alternative Musikszene am Jahresbeginn 2022. Dabei handelt es sich um einen als klassischen Midtempo Rocksong arrangierten Track. Auffällig sind die harte elektronische Bassline und die Laut/ Leise- Wechsel über Strophen, Bridges und Refrains. Alles sehr klassisch komponiert, aber erfrischen modern und energetisch produziert. Toller Song und perfekter Türöffner für dieses Album.
„Serenade“ schlägt in dieselbe Kerbe, jedoch mit deutlich mehr Perkussion und verzerrten Vocals. Die Melancholie schwingt hier eher unterschwellig mit und sorgt wird dieses wohlige Gefühl beim Hörer. Eine Perle, auf der alles perfekt ausgewogen dosiert ist.
Beim Siegersong des SONIC SEDUCERschen BOTB, „No Sacrifice“ wiederum herrschen massive Drums und ein hoch elektronisches Gerüst vor, das mit sparsam dosierten, aber kraftvollen Gitarren aus der SynthPop- Ecke geblasen werden. Die Vocals sind mal mehr, mal weniger aggressiv verzerrt und sorgen so für eine eigene Melodielinie.
Der Autor war so dreist, diesen Song als nicht ihr Stärkster zu deklarieren. Das sie gerade damit den Battle Of The Bands gewannen, mag jetzt jeder von euch deuten, wie es ins eigene Weltbild passt. Die Nummer zieht zweifellos, wird aber bereits mit der vorletzten Single „Divine“ überflügelt. Die bietet nämlich Tempiwechsel, interessante Bridges, ein tolles Beatarrangement und eine Hook zum dahin schmelzen! Wer hier und da die 80er winken sieht und nen DAVID BOWIE erahnt, macht alles richtig. Schöner und fluffiger lassen sich tiefgründige Inhalte kaum verpacken. Ganz klarer Anspieltipp für alle, die den Song bisher nicht hörten. „Magnet Valley“ ist deutlich härter und aggressiver, ohne in harten Rock abzudriften. FINTON CONNEDY weiß sein Saiteninstrument zu bedienen und wohldosiert einzusetzen.
Und, ist euch bisher etwas aufgefallen? Genau, kein einziger der bisher gehörten Songs läuft gerade durch, hier wird nirgends vier Minuten lang stumpf gevierviertelt, alles hat Haken und Ösen, windet sich und bietet an der nächsten Ecke ein neues wunderbares Detail! Songs zum immer wieder hören und neu entdecken. Wir behaupten mal, selbst Hardcore Jazzer hätten daran ihre helle Freude. Und jetzt versteht ihr sicher, warum Avantgarde gar kein so schlechtes Label ist, oder!?
Weiter geht es mit „Oxytozin“ an Stelle sechs. Hier rollt ein schweres Stück Musik auf uns zu, mit Breakbeats, kratzender Bassline und jeder Menge instrumentaler Gimmicks. Dazu eine fast schon bluesige Grundstimmung und Strophen mit Rap Charakter. Der Refrain liefert dann wieder eine Hook zum Verlieben, weiterer ganz großer Anspieltipp!
„Lone“ ist dann schon wieder poppiger und leichter konsumierbar, eine Pop- Rock- Hymne, die so auch in den 80ern hätte stattfinden können. Allerdings eben nur von den Arrangements her, der Sound wiederum lässt den Hörer maximal bis in die 90er zurück träumen. Beachtlich jedoch, das trotz der vorgestellten Sätze eben kein Retrosound draus geworden ist.
Jetzt wird es richtig balladesk, mit ganz großen Anleihen bei BOWIE und QUEEN, mit Streichern, Bluesgitarre und Chören in den Refrains. Kurz: „Aphrodisiac Odyssey“ ist eine Rockoper der Extraklasse. Jungs, seid ihr wahnsinnig?! Die eigene Messlatte auf dem Debütalbum schon so dermaßen hoch zu hängen? Ganz großes Kino und damit unsere dritte Empfehlung! Mit unseren Tipps ist das Album als Ganzes schon verdammt gut beschrieben.
Mit „Hologram“ bekommen wir 90s Viva Rock auf einem Teppich aus Drum’N’Bass und Dubstep. Klingt schräg? Nur auf dem Papier, denn aus den Boxen knallt ein Monster, das alles niederwalzt, was sich ihm in den Weg stellt. Wir hören immer wieder, dass wir nicht so viel mit Superlativen werfen sollen. Völlig zu Recht, wie sich hier zeigt. Denn alles bisher Gehörte ist ja nun wirklich auf dem alternativen Musikmarkt ziemlich outstanding und für uns kaum noch angemessen zu beschreiben.
„Insania“ dürftet ihr auch bereits kennen. Auch hier wieder große Hooks, unterschiedliche Melodielinien und ein großartiger KAA am Micro.
Den Abschluss bildet mit „Don’t Let Me Sleep“ eine Ballade mit einem großartigen Mr. Connedy am Piano. Der Autor kann sich hier allerdings einen Gag nicht verkneifen: bei (fast) allen Singles gab es die Piano Version als Bonus, also dürfen wir hier doch wohl auf die Rockversion als Zugabe hoffen, oder?
Auf jeden Fall ein würdiger Abschluss eines beeindruckenden Albums.
Fazit
Wow, wir sind beeindruckt und beruhigt zugleich! Beruhigt, das aus dem bergigen Osten der Republik mehr kommt, als nur DIE RANDFICHTEN und stark rechter Schmock. Auch beruhigt, dass sich die alternative Musikszene entgegen aller Eindrücke der letzten Jahre nicht festgefahren hat.
Beeindruckt sind wir von dieser Wucht, die „Aphrodisiac Odyssey“ in sich trägt.
Weder textlich, noch musikalisch ist hier irgendetwas oberflächlich und simpel. Das thüringische Trio von ANTIAGE hat offenbar ein Händchen für die Kombination von Zart und Wild, Alt und Neu, Rock und Pop. Wir können das weiße Kaninchen verstehen und würden der Band ab sofort überall hin folgen. Traut euch und besorgt euch dieses Kunstwerk, ihr werdet nicht enttäuscht werden.
10/10
Daten & Fakten
Act | ANTIAGE |
Release | Aphrodisiac Odyssey |
Release Date | 26.05.2023 |
Label | INFACTED Recordings |
Medien | CD, Download, Stream |
Quellen | Bandcamp, bei der Band und über Infacted Recordings, bei allen grßen Streamingdiensten |
Folgen könnt ihr der Band am Besten auf Facebook, Instagram und TikTok. Videos gibt es im Band Channel auf Youtube.
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