Review: SCHANDMAUL – “Knüppel Aus Dem Sack”

SCHANDMAUL – ein Bandname, der jedem Folkrock-Fan automatisch ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Der seit fast 25 Jahren für Spielfreude, Live-Party und Alben voller märchenhafter Geschichten und eingängiger Melodien steht. Der Bilder im Kopf wachruft, von vielfältigen schwarzbunten Menschen, die in Hallen und auf Festivals springen und rocken, sich bei romantischen Titeln Ringe anstecken und bei Songs wie “Euch Zum Geleit” auch mal ein Tränchen verdrücken. SCHANDMAUL stehen vor allem für eins: Emotionen.

Wie alle anderen wurde das Sextett aus der Nähe von München die letzten 2 Jahre in Sachen Live-Musik lahmgelegt. Dass sie aber untätig waren kann niemand behaupten. Unter neuem Label und mit Unterstützung einiger Gastmusiker haben sie in den letzten knapp 3 Jahren seit Erscheinen ihres letzten Albums “Artus” ein neues musikalisches Baby aus der Taufe gehoben: “Knüppel Aus Dem Sack”! Dieses wird am 10.Juni 2022 offiziell das Licht der Welt erblicken und im Rahmen ihres ersten, eignen Festivals – dem “Folkrock Festival” – im Amphitheater Gelsenkirchen dem Publikum vorgestellt. Sharpshooter-pics hat vorab reingehört und geschaut, was das neueste Werk der Folk-Rocker so kann.

“Knüppel Aus Dem Sack” ist gleichzeitig Titel des Albums, der ersten Single und des Eröffnungs-Tracks – und man weiß auch in der ersten Minute warum. Dieser Song kommt überraschend und knüppelt einen mit harten Gitarrenriffs und ungewohnt düsterer Stimme direkt um. Damit hatte definitiv keiner gerechnet! Musikalisch sind wir hier weniger beim klassischen Schandmaul-Sound als bei Hardrock oder NDH. Der Refrain birgt dann allerdings explosiv das klassische Mitsing-Potential. Definitiv eine Live-Nummer, die die Fans abholen wird und eine Melodie, die einem irgendwie noch Tage später nachläuft. Es folgt die ebenfalls als Single vorab veröffentlichte “Königsgarde”: Aaaahhh.. DAS ist Schandmaul in Reinkultur! Energie, Melodie, epischer Refrain. Ab und an fühlt man sich an die Melodie von “The Final Countdown” erinnert. Hier werden sie zwar von den befreundeten Bands Saltatio Mortis und Feuerschwanz unterstützt – quasi der aktuellen Königsgarde des Mittelalter-Rock – man hört trotzdem ganz deutlich wer hier am Werke ist. Definitiv eines der Highlights des Albums! Und ebenfalls ein sehr live-tauglicher Song, der es eigentlich zwingend in die Konzert-Setlist schaffen sollte. Es folgt “Das Gerücht” welches auch noch vor Veröffentlichung des Albums ausgekoppelt werden soll. Ein frecher, nicht nur kurzweiliger sondern mit 2:47 auch kurzer Song. Musikalisch geht es hier eher in Richtung frühere Bandgeschichte. Wordgewandter Text, fröhliche Melodie und ein Fokus auf Flöte und Geige, was an ältere Alben erinnert und gerade alteingesessenen Fans gefallen dürfte. Textlich kommt der Song aber statt retro mit brandaktuellem Thema ums Eck: Gerüchte oder in neudeutsch “fake news” oder “alternative facts”. Das Verbreiten von Gerüchten und deren Macht zu zerstören wurden hier textlich knackig erfasst. Ein schöner Kontrast zwischen Fröhlichkeit und Ernsthaftigkeit, der sich im Hinterkopf festsetzt und abwechselnd den Wunsch zu tanzen und mitzusingen und das Nachdenken über die aktuelle Lage der Welt triggert. Es folgt “Der Pfeifer”, unserer Meinung nach eins der etwas unauffälligeren Stücke der Platte. Zwar eindeutig Schandmaul und mit Chorgesängen, die an protestierendes Volk erinnern, auch mit Abwechslung zur restlichen Platte versehen aber dennoch gefühlt weniger eingängig. Hier braucht es vielleicht noch ein paar Hör-Durchgänge bis der Song sich in die Gehörgänge einschleicht. 

“Tatzelwurm” ist endlich wieder ein Märchen bzw. eine Sage, die sich klassisch mit dem Helden beschäftigt, der das Untier erlegt und dann am Ende durch unglücklichen Zufalls selbst fällt. Hier ist die Band voll in ihrem Element. Mitsing-Refrain, treibender Rhythmus und gute, abwechslungsreiche Instrumentierung zwischen härteren Rock und melodischen Folk-Elementen machen den Song zu einem weiteren Highlight des Albums. Es folgt “Der Flug”, eine etwas tragische Geschichte über den gescheiterten Traum vom Fliegen. Hier steht Thomas‘ tolle Erzählerstimme während der Strophen gelungen im Vordergrund, der Refrain symbolisiert musikalisch schön den Moment des Fliegens, bei dem man die kurze überbordende Freude des Fliegenden fühlt, bevor sein Traum nach 200 Schritten scheitert. Nächster Track ist “Der Quacksalber”, der das Ohr des Hörers von den vorangegangenen E-Gitarren lüftet und mit Betonung auf Geige und akustischer Gitarre ganz klar eher Richtung klassischen Folk geht. Ein charmanter Song, der sich mit Augenzwinkern über Quacksalberei und halbseidene Heilkunst auslässt. “Luft Und Liebe” führt uns mit einer Drehorgel in den Song ein, den man als alteingesessener Fan irgendwie in eine Reihe mit dem “Wandersmann” und dem “Poet” setzen möchte. Eine lockerleichte Nummer, die sich mit dem Leben des Spielmanns beschäftigt, der für die Leichtigkeit des Lebens auf Geld und Gold verzichtet. Man möchte glauben, dass von Luft und Liebe zu leben eine wirklich gute Sache ist. Es folgt “Glück Auf!”, definitiv auch eines unserer Highlights des Albums! Unterstützt werden Schandmaul hier von ihren Freunden von Fiddler’s Green. Dieser Song geht sowohl musikalisch als auch textlich steil nach vorn und motiviert. Spätestens beim rotzfrechen Refrain bleibt niemand mehr sitzen. Aber auch für zu Hause, für die Tage wo es mal nicht so läuft wie man möchte, ist dieser Song ein echter Garant, dass das Lächeln zurückkehrt und man es einfach nochmal versucht. Das Thema Motivation wird auch bei “Irgendwann” aufgegriffen. Ganz klar werden hier die letzten zwei Jahre verarbeitet, die Spielleute und Publikum trennten und auf beiden Seiten zu zögern, Traurigkeit und Sehnsucht führten. Doch ganz klar, wird man sich irgendwann wieder live und persönlich gegenüberstehen – und zum Glück ist “Irgendwann” ja quasi jetzt. “Niamh” war die dritte vorab-Single des Albums und greift nicht nur auf eine alte Geschichte, sondern auch irgendwie auf bekannte Melodien zurück. Thomas präsentiert hier wieder sein Markenzeichen: Die Märchenerzähler-Stimme, die die Geschichte vom Jüngling, der die Feenkönigin ehelicht und in deren Reich viele Jahre verliert, so dass er bei seiner Rückkehr ins Reich der Menschen nichts mehr von dem vorfindet was einst war, perfekt präsentiert. Geigen-Fee Saskia und Flöten-Elfe Birgit geben dem Song den letzten Schliff. “Der Elfseitige Würfel” greift das alte Motiv des Würfelspiel gegen Tod und Teufel auf. Musikalisch eher ruhig und getragen, etwas wehmütig, wirkt der Song erstmal etwas unauffällig, entfaltet aber nach mehrmaligem Hören sein volles Potential. Den Abschluss des Albums bildet “Long John Silver” und es hätte gefühlt auch keinen besseren Ausklang geben können. Ein Lied über einen Abend im Lieblingspub, klassicher Fokus auf den Folk-Elementen, schon fast ein bisschen Shanty-Anklang. Man möchte schunkeln, trinken, sehnsuchtsvoll singen und irgendwann grundentspannt an der Bar einschlafen. Das Album wird also so beendet, wie wir eigentlich alle gern unseren Tag beenden möchten.

Fazit:

Schandmaul sind sich selber treu geblieben und spielen alle Trümpfe aus, die sie als Band so besonders machen: Eingängige Melodien, märchenhafte Geschichten, freche Texte und jede Menge Folk’n’Roll! Dass sie sich dabei aber nicht weiterentwickelt hätten, kann man nicht behaupten. Aktuelle Themen in den Texten und deutlich mehr härtere Gitarren geben “Knüppel Aus Dem Sack” eine gewisse Frische und Aktualität, die Kooperation mit Gastmusikern ein paar neue Akzente und die passenden Live-Events zur Veröffentlichung – Warm-up-Party in Oberhausen und Folkfield Festival in Gelsenkirchen – bieten den perfekten Rahmen, um den Neustart nach der Pandemiezeit gebührend zu zelebrieren. Wir sind begeistert, dass die Schandmäuler wieder da sind und können “Knüppel Aus Dem Sack” uneingeschränkt empfehlen. Anspieltipps sind definitiv “Königsgarde”, “Tatzelwurm”, “Glück Auf!” und “Long John Silver”.

Bewertung: 8,5 von 10 Punkten

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