Musikalisches Multitalent Hilton Theissen im (W)interview

Von Cynthia Theisinger und Nadine Kloppert

Morgen ist der 2. Advent und da es draußen kalt und grau ist, begeben wir uns auf den Weg ins Wide Noise Studio und treffen dort auf Hilton Theissen. Er ist Musikproduzent, Komponist und zudem bekannt durch seine Musikprojekte ZOODRAKE, DARK MILLENNIUM, THE JOKE JAY und AKANOID. Wir haben winterliches Gebäck, Glühwein und eine bunte Auswahl feiner Liköre vom Weihnachtsmarkt dabei. Da momentan dem Rotstift erneut reihenweise Konzerte zum Opfer fallen, ist Ablenkung ist höchst willkommen. Nehmen wir uns doch einfach Zeit für ein ausführliches (W)interview.

Hallo Hilton, wir starten mit einer lockeren Fragerunde zu deinem persönlichen Musikgeschmack. Gehe mal kurz in dich. Welchen Song hörst du zum…

Wachwerden?

Hilton: Ich werde automatisch wach. Ich habe einen inneren Wecker und wache eigentlich pünktlich um sieben Uhr auf. Ansonsten wäre es vermutlich ein Ohrwurm. Manchmal begegnen mir auch Songideen in meinen Träumen. Wenn ich damit aufwache, hechte ich schnell zum Diktiergerät.

Autofahren?

Hilton: “Ludens” von Bring Me the Horizon, “Icarus” von Stereo Honey und, wenn ich mit meinem Oldtimer unterwegs bin, ist es „Monsters“ von The Midnight. Natürlich möglichst laut.

Kochen?

Hilton: Das neue Jimmy Eat World Album und das letzte Album von Bear‘s Den sowie das noch aktuelle Album von Biffy Clyro.

Abreagieren?

Hilton: Meshuggah und zwar nicht die ObZen sondern die Koloss.

Beim Sport?

Hilton: Beim Sport kann ich keine spezielle Musik hören. Da trage ich die Oculus Brille und höre die Songs, die Beat Saber oder andere Apps bereit halten.

Knutschen?

Hilton: Gar keine Musik. Früher mal.

Um in Partylaune zu kommen?

Hilton: Meistens sind es Playlists. Früher habe ich das Licht ausgemacht und 30 Minuten lang Godflesh – „Streetcleaner“ gehört. Danach war ich so emotionslos, dass ich keine Mimik mehr im Gesicht hatte.

Auf einer Party? Welchen Song muss man spielen um dich auf die Tanzfläche zu locken?

Hilton: Naja da wäre auf jeden Fall einer von denen dabei, die ich auch im Auto höre. Das wäre von The Midnight „Kick Drums & Red Wine“. Nein, IAMX – „Nightlife“.

Entspannen, um den Tag ausklingen zu lassen?

Hilton: Slayer – „Reign in Blood”.

Absoluter Happysong?

Hilton: „Happy“ und zwar die Coverversion von Walk off the Earth. Sie haben Pharrell Williams gecovert. Schaut euch das mal an. “All Time Low“ finde ich aber noch besser.

Einschlafen?

Hilton: Zum Einschlafen kann ich keine Musik hören. Aber wenn, würde ich Fields of the Nephilim „The Nephilim“ hören.

 

Wir gehen zu den winterlichen Fragen über: Bis zu welchem Alter hast du an den Weihnachtsmann / das Christkind geglaubt?

Hilton: Ich hatte immer die Vermutung, dass da jemand anderes hinter steckt. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass einfach so ein kleines, blondes, lockiges Wesen mit Heiligenschein für all das verantwortlich ist. Auch die Funktion… ich dachte ist das jetzt eigentlich Jesus? Der Weihnachtsmann? Das hat alles keinen Sinn ergeben. Meine Eltern haben das sehr schön gemacht. Wir haben ein riesiges Wohnzimmer mit einer Bar, einem Kamin, einen Weihnachtsbaum und Geschenken darunter. Ich habe mal den rasenden Falken, Darth Vader’s Tie-Fighter und einen AT-AT Kampfläufer bekommen. War das gut! Meine Großeltern haben mir einst einen C64 und meine erste vernünftige Akustikgitarre geschenkt, die ich heute noch immer habe. Die Zweifel kamen dann schleichend. Darüber habe ich auch nicht kommuniziert. Da müsste ich 8 oder 9 Jahre alt gewesen sein. Der andere Großvater hat mit so einer Liebe im Wohnzimmer den Weihnachtsbaum aufgebaut. Das war aber noch eher. Da habe ich mal einen Playmobil Zirkus bekommen – komplett aufgebaut. Das war ein Traum. Das Glöckchen hat geklingelt, er hat sich über den Zwischenbalkon verzogen – das habe ich als Kind aber nicht gerafft. Dann tauchte er wieder hinter mir auf. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Er hat das so gut gefaked, dass ich echt dachte, das muss da jemand arrangiert haben. Deswegen war ich länger unsicher. Und natürlich sind desillusionierte Kinder in der Klasse nie still gewesen und sagten: „Ihr seid alle Idioten. Das sind unsere Eltern.“ Oder auch nicht.

Auf welches Weihnachtsritual möchtest du nicht verzichten?

Hilton: Weihnachten ist immer flexibel gewesen. Als ich 14 war, haben mir meine Eltern den Schlüssel gegeben und meinten: „Wir verreisen zur Ostsee. Du weißt ja wo alles ist.“ Dann hatte ich meine Geschenke und Freunde zu Besuch. Also richtige Weihnachtsrituale hatten wir nie. Eher gutes Essen, Spaß und Rotwein. Ich selbst brauche da nichts. Da nehme ich mich zurück. Ich sorge eher dafür, dass alle anderen auf ihre Kosten kommen. Insbesondere der Nachwuchs. Für sie soll es eine richtige Bescherung geben, es soll festlich geschmückt sein. Sie sollen einfach ein schönes Weihnachtsfest haben.

Nenne uns dein liebstes Weihnachtsrezept.

Hilton: Das beste was mein Vater je gemacht hat – ich habe es nie gemacht – ist Chateaubriand. Aber ehrlich gesagt, ihr solltet mein Gulasch probieren. Bio, nachhaltig und du willst mit dem Brot den Topf leerschlecken, wenn du fertig bist. Ich mache das Gulasch gemäß meiner Oma. Sie hat dazu Maccheroni gemacht, auch wenn es nicht üblich ist. Das Geile daran ist, dass die Maccheroni durch die Kapillarkräfte die Sauce aufschlürfen. Das kann man natürlich mit Gnocchi oder Spätzle und Apfelrotkraut erweitern. Und ob wir da jetzt Portwein benutzen oder Malzbier und Rotwein. Da gibt es einige Variationen. Ich empfehle im Winter noch eine Prise Zimt. Und hier kommt der absolute Shit: Wenn ihr zu viel Chili oder Paprika genommen habt, gebt einen ordentlichen Esslöffel Grafschafter Goldsaft rein. Das erzeugt eine würzige, süße Abrundung. Ich koche sehr gerne.

 

Welche Musik läuft bei dir an Weihnachten?

Hilton: Da läuft eine Playlist mit Indiebands. Da ist von Nothing but Thieves über das vorletzte Album von Liam Gallagher bis hin zu William Fitzsimmons alles Mögliche dabei. Das läuft alles kreuz und quer. Aber hauptsächlich Indie.

Last Christmas – hot oder Schrott?

Hilton: Da kann ich auf Durchzug stellen. Das geht. Klar, ich weiß wie viele Leute sich darüber aufregen. Ich glaube er hat sich am meisten darüber aufgeregt, weil er die Rechte am Song frühzeitig abgegeben hat. Das würde mich ärgern. Du musst das ertragen und dann bekommst du nicht mal das Geld dafür. Das ist schon hart.

Wie gehst du mit trüber Stimmung an einem ungemütlichen, verregneten, stürmischen Wintertag um?

Hilton: Sagtest du ein verregneter, stürmischer Wintertag? DAS ist meine Sonne. Da habe ich keine trübe Stimmung. Das ist für mich das Allerbeste. Wenn es da draußen stürmt, schneit und das Wetter richtig dreckig ist. Ich liebe auch diese Melancholie, die sich einstellt, wenn es früher dunkel wird. Früher haben wir uns in der Clique immer sonntags zum Proben getroffen. Wir haben uns allein, räudig und depressiv gefühlt. Uns war zum Heulen. Also haben wir beschlossen, dass wir uns einfach treffen. Dann geht’s uns nicht schlecht. Das war eine top Lösung. Und darüber hinaus haben wir uns gemeinsam aus diesem Loch heraus therapiert. Wir haben die Schönheit daran erkannt. Tatsächlich, was die Jungs von Dark Millennium betrifft… das ist zu 100% authentisch.

Nachdem wir Hilton’s weihnachtliche Seite kennengelernt haben, gehen wir im 2. Teil umfassend auf seinen Part als Musiker, Komponist und Mastermind ein. Eins ist gewiss – es wird tiefgründig. Wir sprechen über ungeahnte Hintergründe zum aktuellen ZOODRAKE Album, die skurrilsten Audioaufträge, einer Vision zu The Joke Jay und einiges mehr. To be continued…

 

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