Interview mit Süd von HÄMATOM zum neuen Album BERLIN
Vor einer Woche hatte ich das Vergnügen mit Süd, dem Drummer von HÄMATOM, über ihr neues Album BERLIN und dessen Produktion zu sprechen. Außerdem erfahrt ihr was uns so beim „leisen Abendmahl“ erwartet.
Am 2.4. kommt euer neues Album Berlin raus, was zeitgleich die neue Ära von HÄMATOM ist und da wollte ich fragen, warum es denn keine neuen Masken gibt?
Süd: *lacht* blöde Frage. Nein, die Frage ist natürlich berechtigt. Die neue große Veränderung der Masken kommt natürlich mit dem nächsten lauten HÄMATOM Album. Mit BERLIN haben wir ja schon eine große Veränderung durch den Wechsel unseres Kleidungsstils. Ich muss aber auch zugeben, es hat auch pragmatische Gründe. Das Ganze war eine Schnappsidee und irgendwie auch ein Schnellschuss, und zu unseren Maskenbauer, eine Option war in Tschechien, da kommt man ja gerade überhaupt nicht hin, und die andere in Rostock, war eine Reise überhaupt nicht optimal. Das sind so die pragmatischen Hintergründe.
Was war bei dieser Albumproduktion im Gegensatz zu anderen Alben anders?
Süd: Also wir waren komplett befreit in unseren Köpfen, weil wir wussten wir machen was komplett Neues. Wir wissen, dass es die Stilistik von anderen Bands gibt, aber für uns ist es was Neues. Wir hatten keinen Vergleich, wie bei anderen HÄMATOM Platten. Wenn du ein normales Studium Album machst, dann vergleichst du natürlich. Dann hast du riesen hohe Ansprüche, die du nie erfüllen kannst, aber toppen willst. Und wenn du was neues machst, ist ja keine E-Gitarre zum Beispiel dabei, ist man offen für neue Rhythmen und Instrumente. Das heißt, hätten wir mehr Zeit gehabt, hätten wir auch 20 Songs geschrieben. Das ist nur so gelaufen und das war auch der große Unterschied. Wir waren frei und wir haben einfach drauf losgelegt. Wir hatten insgesamt zwei Wochen Zeit und in diesen Zwei Wochen haben wir die Songs geschrieben, es gab ein paar Ideen vorher, aber wir haben wirklich die Songs geschrieben und aufgenommen. Bei den Aufnahmen war ein Streichquartett dabei, es waren Bläser Ensemble dabei, es waren Akkordeonspieler und Sängerinnen dabei. Und das haben wir wirklich geschafft in diesen zwei Wochen, inkl. Mix und Mastering, reinzupacken. Das heißt, die ganze Produktion, inkl. Songwriting, war wie so ein Rausch und die Stimmung war dauernd gut. Wir haben uns nicht so total zermürbt gegenseitig, ob jetzt das wieder gut genug ist, ob die E-Gitarren gut genug sind, ob wir sowas ähnliches schon hatten, wir müssen uns da neu erfinden und so. Das ist das was du normalerweise so mit dir rumschleppst, was auch sehr belastend ist. Und da waren wir jetzt komplett befreit. Wir wussten das ist jetzt einfach ein Corona-bedingtes Zeitprojekt, obwohl es natürlich HÄMATOM ist. Wir haben Spaß und hoffen am Ende des Tages haben auch unsere Zuhörer Spaß.
Na, das auf jeden Fall. Das Album ist super geworden.
Die nächste Frage widmet sich dem Song namens „BERLIN“, eine Hommage an Dolly Parton, sehe ich das richtig?
Süd: Das siehst du richtig. Das ist natürlich ihr Refrain, keine Frage, aber es passte so gut, wie, keine Ahnung, Schokolade auf einen Toast.
Wie die Faust aufs Auge?
Süd: Ja, genau. War mir grad zu aggressiv dieser Ausdruck *beide lachen*. Diese Idee ist dem Ost im Vollsuff irgendwie rausgerutscht oder beim Anhören gekommen. Das mussten wir irgendwie machen und es kommt auch total gut an. War am Anfang auch die Diskussion, ob wir damit eröffnen, ob es das erste Teil ist, mit dem wir ums Eck kommen wollen, für unsere Zuhören, für unsere Fans. Aber dann dachten wir, denn ist vielleicht schon wieder dieser Anstrich Cover irgendwie vorhanden. Und da ja das letzte Album kein eingeständiges war, sondern das MASKENBALL war ja eine Mischform, auch unter anderem Coverversionen, wollten wir nicht schon wieder mit einer Coverversion ums Eck kommen.
Das ist jetzt auch nur bei Berlin der Fall?
Süd: Genau, und da im Prinzip nur der Refrain, nur die Melodie natürlich. Alle anderen Songs sind einfach so geschrieben und auch, wie gesagt, in kürzester Zeit. Es war so, einer hatte eine Idee, der Nächste hat was dazugeworfen und dann hatte wieder einer ein Textfragment. Es war wirklich beeindruckend. Der Song wie WERFT DIE GLÄSER AN DIE WAND ist, glaube ich, mit Arrangement in einer halben Stunde entstanden. Der Text hat dann auch ein bisschen gedauert und dies ist nach wie vor einer meiner Lieblingssongs, weil der so Spaß macht und so gute Laune verbreitet.
Ja, meine ukrainischen Wurzeln finden den Song auch super!
Süd: *lacht* Stimmt!
DAS LEISE ABENDMAHL – was genau erwartet uns da? Ein ganzes Orchester? Gäste? Werden da auch zusätzlich alte Songs im neuen akustischen Gewand live gespielt?
Süd: Im Prinzip ist DAS LEISE ABENDMAHL keinesfalls leise. Das ist die große wichtige Botschaft, die ich auf den Weg geben will, wir versuchen es auch zu kommunizieren, wir müssen es auch noch ein paar Mal kommunizieren. Aber es ist eben online, deswegen ist es nicht mehr DAS LAUTE ABENDMAHL und es wird, sozusagen, das Album BERLIN live umgesetzt. Das heißt, wie haben diese ganzen Leute, die wir im Studio hatten mit auf die Bühne gebeten und feiern dieses Album ab, spielen im Prinzip das ganze komplette Album und wir spielen natürlich auch alte Songs. Wir haben nochmal die alten Songs auch arrangiert mit Bläsern, mit Sängerinnen, mit unseren Gastmusikern, ein Pianist ist noch dabei und noch ein Akustik-Gitarrenspieler. Dann gibt’s natürlich auch die alten Gassenhauer, wie „WIR SIND KEINE BAND“, wie „EVA“, „ALTE LIEBE ROSTET NICHT“ und solche Sachen. Dann sind auch Gäste dabei, wie der RUSSKAJA Sänger Georgij, Jenny von BEYOND THE BLACK und Ben von dARTAGNAN und FEUERSCHWANZ.
Da freue ich mich auf jeden Fall schon mal drauf!
Wie empfindet ihr als Band diese doch nicht so einfache Zeit und wäre das Album auch unter anderen Umständen möglich bzw. hättet ihr das Album auch ohne die Pandemie rausgebracht?
Süd: Nein. Die Idee irgendwann mal ein Akustik Album zu machen, und da hatten wir auch nicht an diese 20-er Jahre Stilistik und Bläser gedacht, sondern hatten wir eigentlich im Kopf eher was Ruhiges zu machen… Die Idee gabs, aber die wäre irgendwie vielleicht zum nächsten Jubiläum oder so. Oder wäre vielleicht mal einfach als Bonus-CD gekommen. Aber nicht mit dem großen Aufschlag. Und ich weiß auch nicht, wenn nicht Corona wäre und wir mehr Zeit gehabt hätten, ob dann dieser schöne Frust da gewesen wäre.
NICHTS BLEIBT FÜR IMMER – in Nords Stimme spürt man so eine riesen Wut. Was habt ihr mit ihm gemacht?
Süd: Ich finde man hört das gar nicht so, aber davor gabs wirklich einen Streit. Ich habe davor von einer wirklich schönen Zeit gesprochen *lacht* aber Ost und Nord haben sich dann kurz mal über die Dicke von Bratkartoffeln gestritten. Richtig heftig gestritten. Wir haben während dieser ganzen Zeit, in den 2 Wochen wahnsinnig viel getrunken, ich trinke auch gerade gar nicht mehr als Folge *beide lachen* dieser sehr durstigen Zeit. Da lagen vielleicht einfach die Nerven blank und mit dieser Wut und Genervtheit hat tatsächlich Nord „NICHTS BLEIB FÜR IMMER“ eingesungen. Es saßen natürlich alle daneben, aber keiner hatte noch irgendwas einzuwenden. Das war so eine Überzeugung. Er hat auch nicht weder davor, mittendrin oder danach einmal gelächelt. Weil eigentlich ist der Nord ein sehr freundlicher. Interessant, dass du es raushörst. Denn ich fand immer, dass er das einfach geil gesungen hat, aber dass man es nicht raushört, weil die Wut soll ja gar nicht im Song transportiert werden. Wir haben aber auch sau viel gelassen irgendwie, was dann auch nicht so sauber war, vielleicht ist es auch das was du da als Wut empfindest. Es wurde nichts glattgebügelt, sondern es sind auch teilweise von den aller ersten Takes Fragmente von den Gesängen genommen worden. Weil das so geil war, wie er die Stimme so leicht überschlagen hat. Aber ich finde das sind die schönsten Gesangtakes bzw. Instrumententakes, also nicht die perfekten. Ich finde heutzutage, da kann man eine philosophische Runde machen, dass es bei Recordings, bei CD-Aufnahmen viel zu viel glatt geleckt, gerade geschoben und geglättet wird und dadurch natürlich emotionales oft kaputt geht. Machen uns die Amerikaner, finde ich, teilweise besser vor. Sie haben noch den Mut Dinge stehen zu lassen.
Ich finde das Album, wie gesagt, sehr gelungen. Das ist was ganz Neues was ihr da gemacht habt, aber ich find das mega.
Süd: Also bist du nicht vom Kopf gestoßen?
Absolut nicht. Ich habe was besonderes erwartet, vor dem ersten Anhören, ich fands super und wurde nicht enttäuscht.
Süd: Während dessen habe ich auch mal vorgeschlagen, ey Jungs, sollen wir das Ganze nicht unter einem anderen Namen rausbringen. Weil so viel Spaß wir hatten, habe denn auch mal so selbstreflektiert mir gedacht, hey, aber wer hört denn sich das eigentlich an von unseren Fans, die eigentlichen Double Base und E-Gitarren lieben. Was natürlich wichtig ist, dass ein roter Faden da ist, dass es von den Texten nicht schwächer wird. Also nicht, dass wir auf einmal irgendwie schnulzige Liebeslieder singen, das wäre dann wirklich nicht mehr HÄMATOM, sondern Nord mit seiner Stimme und den Inhalten – das sollte der rote Faden zu HÄMATOM bleiben.
Ich bedanke mich für das nette Interview und hoffe, dass man sich bald nicht nur digital, sondern auch wirklich live wiedersieht.