Review: WARDRUNA – Kvitravn

Es muss ja nicht immer Metal sein. Auch wenn die meisten Fans von WARDRUNA wohl aus der Szene kommen dürften. Vorstellen braucht man die Band, wenn man sie so nennen will, wohl spätestens nach der Erfolgsserie „Vikings“ auch nicht mehr. Nach dem letzten, etwas abweichenden „Skald“ gehen die Ritualwikinger mit „Kvitravn“ wieder zurück zu den atmosphärischen und komplexen Arrangements der ersten Alben. Kleiner Fakt am Rande: Der Name des Albums bedeutet übersetzt „Weißer Rabe“ und ist der Künstlername des Masterminds hinter WARDRUNA – Einar Selvik.

Nachdem 2020 für die Musik- und Künstlerszene Fluch und Segen zugleich war, haben viele die Situation genutzt und neues Material geschaffen. Was soll man auch sonst als Musiker tun, wenn man nicht touren kann. So auch Einar Selvik mit seiner langjährigen Norne Lindy-Fay Hella, welche mit ihm zusammen die Stränge der Musik webt. Als neuzeitlicher,aber sich auf alte Zeiten besinnender Skalde, schrieb Einar alle Lyrics auf „Kvitravn“ selbst. Das Album sollte eigentlich bereits im Sommer 2020 veröffentlicht werden, wurde aber aufgrund der Umstände verschoben. Die zusätzliche Zeit haben WARDRUNA genutzt, um weiter an der Veröffentlichung zu feilen.

Tipp: Wenn ihr das Album hören möchtet, nehmt euch Zeit und Ruhe dafür. Bei einem beiläufigen durchhören geht zu viel verloren. Mit „Synkverv“ als Opener eröffnet sich eine Klanglandschaft die vertraut nach der Runaljod-Trilogie klingt, aber doch etwas anderes, folkigeres, mit sich bringt.

„Kvitravn“,  „Skugge“ und auch das vergleichsweise kurze „Grá“ wurden bereits im Vorfeld veröffentlicht, ebenso der epische Abschluss „Andevarljod“ – mit seinen 10 Minuten der längste Titel.

Aber gehen wir einen Schritt zurück. Die meisten der 12 Tracks sind recht langsam komponiert, dadurch wird die gewohnte Tragweite erreicht, die wir schon von vorigen Alben kennen, macht es aber stellenweise auch ein wenig unwegsam. Da ist „Viseveiding“ (Song-Hunting) durch seine abweichende Melodie und Energie angenehm anders, passt sich aber doch enorm gut in das Gesamtkonzept ein.

Die Texte sind allesamt sehr tiefgründig und spirituell – kein Wunder bei Nordic Ritual Folk oder? Allerdings ähneln die Übersetzungen aus dem norwegischen tatsächlich eher einem Gedichtband wie der Edda, was natürlich vollkommene Absicht ist. Nicht umsonst bemühen sich WARDRUNA wie kaum eine andere Band Altes mit Neuem zu verbinden. Das gelingt einerseits durch die vertraut schamanistische Songstruktur und großartige Komposition, wie auch den Einsatz diverser uralter, nordischer Instrumente. Um hier nur drei Beispiele zu geben: Habt ihr schon mal von der Kravik-Leiher, der Tagelharpa oder dem Ziegenhorn gehört?

Alle diese Instrumente hat Einar selbst eingespielt, bis auf ein paar wenige Ausnahmen, die von diversen Gastmusikern übernommen werden. Insgesamt sind Fülle und Einsatz der Instrumente, Songstruktur, Komposition, Melodien, Sounds und Stimmen meisterhaft eingesetzt. Es macht einfach Spaß, jedes einzelne Instrument und jede Stimme heraushören zu können, was nicht zuletzt an einer sehr angenehmen Produktion liegt.

Fazit:

„Kvitravn“ ist ein extrem gelungenes Stück Musik! Ich hatte selten so viel Spaß ein Album bei geschlossenen Augen zu hören und dabei in Fantasiewelten abzudriften. Wird jetzt nicht unbedingt der nächste Primetime-Clubbanger, aber um euch bei eurer Wanderung über die aventurischen Nebelzinnen beim nächsten Rollenspielabend zu begleiten oder fernab von Coronaleugnern und Schwurbelveganerköchen alleine einen Schneespaziergang zu machen, ist es grandios! Glaubt mir, habe ich ausprobiert.

Rating: 9,5/10 Runen

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