“Ravens still fly over Europe” – Tourabschluss – SONATA ARCTICA, TEMPLE BALLS und EDGE OF PARADISE in der MATRIX Bochum

Irgendwie scheinen SONATA ARCTICA Gefallen an Bochum gefunden zu haben. Wie schon auf Ihrer “Acoustic-Adventures’” – Tour im Frühjahr feiern die Finnen ihren Tourabschluss in der Stadt, in der Herbert Grönemeyer gerne auf Parkplatzsuche geht, um eine Currywurst zu sich zu nehmen. Trotz der zahlreichen und namhaften Konkurrenzveranstaltungen am selben Tag ist die Matrix gut besucht, denn wenn SONATA ARCTICA in der Gegend sind, dann gilt das Interesse ihrer Fanscharen nur ihnen und keine schwedischen Berserkern.

Den Auftakt machen die jungen Finnen von TEMPLE BALLS – und diese haben nichts zu tun mit dem gleichnamigen Song vom deutschen Rapper Kollegah, denn die Recken um Sänger Arde haben sich feinsten Hard Rock auf die Fahnen geschrieben, der von den Hair Metal und Glam Rock Veteranen der Liga Poison nicht weit entfernt ist. So ist es kein Wunder, dass das Publikum sich von deren guter Laune anstecken lässt und die eingängigen Songs direkt annimmt und abfeiert. Ausgelassen sind auch die Tourgefährten und entern mitten im Set die Bühne, um im Rahmen eines Tourstreiches mit den Jungs anzustoßen.

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Fotos: Ulli

Schade, dass nach einer knappen halben Stunde TEMPLE BALLS schon die Bühne verlassen müssen, denn auch EDGE OF PARADISE wollen sich und ihre Musik dem Publikum vorstellen.

Die Kalifonier um Sängerin Margarita haben es jedoch deutlich schwerer, dem Publikum zu gefallen. Leider fehlt dem Auftritt am nötigen Etwas, um dem Funken, den ihre Vorgänger im Publikum gelegt haben, genug Energie zuzufügen, um daraus ein Feuer zu entfachen. Dem Trend folgend, als Female-fronted-Metalband dem hierfür geneigten europäischen Publikum ein weibliches Aushängeschild zu präsentieren, wurde zwar genüge getan, aber mehr als ein optisches Schmankerl können EDGE OF PARADISE nicht bieten. Zwar versucht Margarita durch ein Dauerlächeln die Gunst des Publikums zu gewinnen, jedoch wirkt die Band auf der Bühne wie ein zusammengewürfelter Haufen und nicht wie eine zusammengewachsene Band. Selbst eine Scheibe Weißbrot hat mehr Ausstrahlung und Margarita kann auch mit dem Versuch, sich als Honig zu verkaufen, nicht wirklich überzeugen. Sie lässt zwar gelegentlich durchklingen, dass ihre Stimme zu weit mehr fähig ist, aber da sie die meisten Sangespassagen mehr schlecht als recht abgemischt ins Mikrofon haucht, wird schnell klar, dass im Female-fronted Sektor um einiges Besseres vorhanden ist, an dem sie sich messen lassen muss. Der einzige Höhepunkt des Auftrittes war der Tourstreich von SONATA ARCTICA Fronter Tony, der mit einer Plastikpflanze in der Hand seelenruhig über die Bühne geschlendert ist, um sich während des Auftritts seine Zähne zu putzen.

EDGE OF PARADISE

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Fotos: Ulli

Ob Tony seine Beisserchen noch mit Interdentalbürstchen und Zahnseide gereinigt hat, ist leider nicht bekannt, jedenfalls warten die Fans ungeduldig die Umbaupause und die Vollendung der Kakkoschen Zahnpflege ab. Immerhin – die musikalische Untermalung der Pause traf eher den Geschmack des Publikums als die vorangegangene Darbietung. Nach ausgedehnten Sonata-Rufen ist es endlich soweit und das Zahnpastalächeln mitsamt Besitzer und Bandkollegen entern zu “A little less understanding” die Bühne.

Schon nach den ersten Takten ist der Unmut über den als Downcooler agierenden Support verflogen, denn ohne Zahnbürste und Plastikpflanze haben Tony und seine Mannen das Publikum in Sekundenschnelle in der Hand. Der Song aus dem neuen Album “Talviyö” ist den Scharen in den ersten Reihen schon so geläufig, dass man diese textsicher mitsingen sieht. Kein Wunder, schließlich hatte das Bochumer Publikum seit der Veröffentlichung im September genug Zeit, sich mit der neuen Platte vertraut zu machen, die in der Setlist natürlich mit mehreren Stücken berücksichtigt wurde.

Bei zehn bisher erschienen Alben fällt es zunehmend schwerer, eine Songauswahl zu treffen, die das Repertoire breitgefächert wird möglich präsentiert. Der Opener “Closer to an animal” vom Vorgängeralbum “The ninth hour” lässt auch in den letzten Reihen die Kälte finnischer Winternächte verziehen, denn nun fängt es an, richtig warm zu werden. Nicht nur im Publikum, sondern wohl auch Backstage, denn Tony ist nicht der einzige, der sich stets einen Heidenspaß aus Tourstreichen macht und so stürmt ein frischgeduschtes Mitglied mit Glied der Vorband im leichten Sauna-Outfit die Bühne, um in alter Flitzermanier kurz das Handtuch zu lüften. Leider nicht in Richtung Publikum – so bleibt nur zu rätseln, ob eine solche Aktion zu Ohnmachtsanfällen seitens der weiblichen Fans oder herzhaftem Lachen seitens des männlichen Publikums gesorgt hätte. Jedenfalls hat diese Aktion ihren Zweck erfüllt und Tony kurzzeitig irritiert und ein klein wenig aus der Reihe gebracht.

Routiniert, aber keineswegs abgebrüht führt Tony das Publikum von Song zu Song durch die Setlist und erzählt hier und da auch ein paar Anekdoten, wie die einer kleinen Karaoke-Bar im finnischen Hinterland, in der im Gedenken an den Kultfilm “Wayne’s Word” ein Schild mit der Aufschrift “no Tallulah” hängt. Wie gut, dass das Konzert in Bochum stattfindet und so darf zu dieser Schmachtballade schlechthin nach Herzenslust mitgesungen, mitgeheult oder für die ganz Harten einfach aufs Klo gegangen werden. Zu guter Letzt rundet “Life” – jenes großartige Stück vom letzten Album, das musikalische Spannweite der Band ausreizt, den Abend ab. Aber ein SONATA ARCTICA-Konzert wäre kein vollkommener Gig, wenn nicht noch ein kleines Abschiedständchen hinterher kommen würde – denn obligatorisch endet ein Sonata-Gig standesgemäß mit “Vodka” und auch heute dürfen die Fans nochmals lauthals mitsingen, bevor es für die Finnen zur Tourabschlussparty backstage und die wohlverdienten Weihnachstsferien in die Heimat geht.

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Fotos: Ulli
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