KOLUMNE: Wir müssen über Szene reden…!
Guten Morgen, liebe Bildergucker.
Ein Gruß natürlich auch an die drei Leute, die das hier gleich ernsthaft lesen werden und besonderer Dank dem einen, der hinterher sogar noch mit uns auf Facebook diskutiert, *Grinsesmiley!
Vorweg zwei Hinweise:
Zum spiegelt das nachfolgende Pamphlet allein die Meinung des Autoren wider, nicht unbedingt die des Magazines sharpshooter-pics.de.
Zum anderen gilt eine Triggerwarnung! Nachfolgend werden einige Ausdrucksformen genutzt, die gefährdete Personen triggern könnten.
Bist Du in einer schweren depressiven Phase und/ oder hast Suizidgedanken? Bitte hole dir umgehend Hilfe, im Idealfall professionelle, die bekommst du unter anderem hier:
Telefonseelsorge 24/7 Tel.: 0800/ 1110111
Tel.: 0800/ 1110222
Stiftung Deutsche Depressions Hilfe Tel.: 0800/ 3344533
Auf gehts…
Ich habe vor, heute und hier Selbstmord zu begehen.
Nein, macht euch keine Hoffnungen, nicht physisch. Aber mein aktuelles Thema wird bestimmt bei ein paar Leuten für ordentlich Puls sorgen und dementsprechend sicher manch eine kontroverse Diskussion lostreten, dessen…
Ach, egal, ich fang einfach mal an, ihr wollt schließlich was zu tun haben, oder?
Ich möchte heute mit euch über das Thema „Szene“ reden.
Dieser Beitrag wird natürlich zutiefst subjektiv sein, denn genau das ist das Problem dieses Begriffes.
Wer definiert wie „Szene“, gibt es Regeln und wenn ja, welche?
Gab und gibt es Gatekeeper, die den Zulauf zu einer Szene regeln? Wenn ja, wie und warum?
Wie entwickeln sich Szenen, wie ist der aktuelle Stand?
Warum ich ausgerechnet darüber diskutieren möchte?
Ganz simpel: wie ihr bestimmt schon mitbekommen habt (unter anderem durch die letzte hier lesbare Kolumne; Anm. des Autors), war ich in meinem Leben bereits in einigen Jugend- Subkulturen unterwegs.
Mittlerweile muss ich mich schon sehr anstrengen, den Begriff „Jugend“ zu dehnen und neu zu definieren, um meine Zugehörigkeit zu diesen Subkulturen überhaupt noch rechtfertigen zu können, haha.
Warum ich Szenen gewechselt habe? Uff, gute Frage! Obwohl, so schwer ist die gar nicht zu beantworten.
Die Basis ist meine Liebe zur Musik!
Diese hat mich immer getrieben und in den üblichen Entwicklungsstufen eines Menschen mit all ihren Veränderungen an Vorlieben eben auch in verschiedene Szenen gespült.
Ernsthalt zugehörig fühlte ich mich allerdings ausschließlich der Skin-Szene und heute der Schwarzen Szene.
Und immer war Musik der Türöffner.
Am Anfang stand die elektronische Musik, die mich immer fasziniert hat und auch heute noch begeistert. Dazu kamen dann auch härtere Töne des Rocks, bis hoch in den Grind- & Noise-Core.
Danach war die Luft raus, härter ging es nicht mehr.
Punk, Oi und Ska wiederum boten trotz des Klischees der drei Akkorde mehr Abwechslung, dazu meist gute Texte (natürlich je nach Ansicht; Anm. des Autors) und eben eine ansprechende Lebenseinstellung. Daher auch eher Skin als Punk, weil „Arbeiterjugend“ für mich ansprechender war, als das berühmte „No Future“. Vor allem, wenn man für Letzteres durch zügelloses Saufen und Drogennehmen selbst sorgen musste.
Warum ich da raus bin? Weil der dramatische Rechtsruck der Szene allgemein und speziell in meinem Umfeld unübersehbar war. Diesen wollte ich nicht mitgehen. Zudem war die Reduktion auf Arbeiten und Saufen nur in der Theorie befriedigend, in der Praxis wurde mir das zu stumpf. Dazu Paradoxa wie der „unpolitische Skin“, den es per se gar nicht geben kann. Jeder kennt das Image der Szene. Wenn ich beschließe, mich durch die übliche Uniformierung mit Boots, Braces und Glatze als Mitglied dieser zu präsentieren, bin ich automatisch politisch. Und dieses ewige Angefeindetwerden, diese dauernden Rechtfertigungen „Skin ja, Nazi nein“, alles viel zu anstrengend auf Dauer.
Zwischenzeitlich hatte sich die elektronische Tanzmusik revolutionär weiterentwickelt. Was früher bloße Diskothekenmusik war, wie beispielsweise der Italo Dance, mündete in den frühen Neunzigern in dem, was man heute unter dem Oberbegriff „Techno“ abheftet. Im Ursprung viel mehr als Detroit, Disco und Co, sondern viel mehr eine Summe vieler Teile. Da hatte der punkige „DIY-Ansatz” ebenso Einfluss, wie auch die harten Beats der schwarzen Randbereiche. Schon da wird es aber schwierig, den Begriff Szene zu definieren und heutzutage dürfte sich das gänzlich erledigt haben. „Techno“ ist überall und nur noch Fragmente davon funktionieren als geschlossene Ökosysteme, wie zum Beispiel Tekk/ Hard Tekk und Hardcore Techno.
Nun bin ich also in der Schwarzen Szene angekommen und beobachte mit Grausen Zersetzungsprozesse allerorten. Zwar würde ich mich selbst nie als „Gothic“ labeln, sondern eher als „Electro Punk“ (ja ja, bitte mit Vorsicht genießen, garantiert reklamiert jemand diesen Begriff mit obskuren Definitionen für sich; Anm. des Autors), der immer abseits des Mainstreams unterwegs ist, diesen aber auch selbstbewusst kreuzt. Ich kann beispielsweise eher etwas mit FANTA 4, MARTERIA (Grüße an dieser Stelle an den Nachbar aus Kindertagen; der Autor) und ROBBIE WILLIAMS anfangen, als mit DIE TOTEN HOSEN, BLUTENGEL und sonstigen Klischeebands der unterschiedlichen Szenen.
Meine Highlights an Diskussionen kurz zusammengefasst:
„Hilfe, die BRAVO berichtet über die Serie „Wednesday“ und gibt Gothic-Schmink-& Kleidungstipps, Ausverkauf!1!11!! Früher waren da noch ordentliche Bands wie THE CURE und DEPECHE Mode drin. Früher war die Szene eh viel mehr Underground und hatte viel mehr Inhalt“!
Ja, genau! Damals, als die BRAVO große Berichte über THE CURE und DEPECHE MODE brachte, dazu natürlich die Starschnitte fürs Kinderzimmer, war das alles viel besser. Da war die Bravo ja ein reines Underground-Fanzine, haha!
Gerade DM waren ja so etwas wie ein Geheimtipp, den nur Hardcore-Gothics von ihren Séancen auf Friedhöfen kannten, weshalb die Band Mühe hatte, schon in den Achtzigern riesige Stadien zu füllen! Spürt ihr Ironie? Nein? Gut, es ist nämlich Sarkasmus.
Und der Maßstab, der DM zu einer echten Szeneband und den Grafen mit seiner Band UNHEILIG zum Mainstream-Act macht, habe ich bis heute nicht gefunden.
Die Szene, die den fünfzehntausendsten FRONT 242-/ DAF-Klon als die ultimative Innovation feiert und jedem Newcomer eines Subgenres wie dem Future Pop aber das Kopieren von frühen Genregrößen wie VNV NATION vorwirft, begibt sich langsam aber sicher auf das Parkett der Lächerlichkeit.
Eine Szene, die pure Klischees wie S/M, Blut, Fledermäuse heiligspricht, Klamotten aber von der Stange von den einschlägigen Marken kauft – Stichwort „Uniform“.
Eine Szene, die Newcomern Belanglosigkeit vorwirft, ein Verwaschen und Verweichlichen von Idealen, aber den Mainstream-Pop der Achtziger als Headliner auf einem Szenefestival feiert.
Apropos: Gerade hat DEPECHE MODE ja wieder eine neue Single veröffentlicht, die von den 100%- Fans als „das Ding“ gesehen wird, an das kaum eine normale Band dran käme. Die zeitgleich massenhaft veröffentlichten Cover (was irgendwie respektlos ist, oder? Das Spotify Release Radar listete bei mir neben dem Original gleich drei Cover am selben Tag, was soll das?!; der Autor) beweisen jedoch das Gegenteil, und entblößen manch wichtiges Szeneargument als bloße rosarote Brille. Denn keine der covernden Bands würde mit diesem Song auch nur annähernd einen Hit landen, während er Bestnoten dafür erhält, dass er eben von dieser Band kommt.
Eine Szene, die in die Bedeutungslosigkeit abgerutschte Mainstream-Genres vereinnahmt und somit Acts wie ERASURE, O.M.D. und PET SHOP BOYS feiert, aber den aktuellen Synth Pop als bedeutungslos geißelt, gern mit Stempeln wie „Grufti-Schlager“.
Eine Band, die sich auf die Wurzeln im Punk beruft, aber DIY-Hobby-Musiker verteufelt, weil dies ja keine „echte Kunst“ sei…“
Klingt übel, oder?
Ist es auch, zumal ja gern mit Begriffen wie Toleranz hantiert wird, die sich allzu oft jedoch als bloße Oberflächlichkeit entpuppt. Cyber Goths sind bäh, Neon ein No-Go, dazu der Schlager von BLUTENGEL – die Szene zerfleischt und diversifiziert sich immer mehr.
Einerseits ist der starke 80s-Touch etlicher neuer Produktionen willkommene Reminiszenz an alte Zeiten, zumeist der eigenen Jugend, andererseits ein abgelehnter Hype der Ewiggestrigen.
Diskussionen sind immer ok und verhindern eine gewisse Gleichgültigkeit. Und ja, manch eine Wurzel verkümmert eben auch mit der Zeit, das ist normal! Die Schwarze Szene altert rapide und wünscht sich Nachschub an Jugend, verlangt aber das Bekenntnis zu Gründerthemen. Das ist Irrsinn, Leute! Das Bindeglied aller Subkulturen ist immer die Musik. Wer heute über selbige in die Szene rutscht, kann mit Acts, die vor über 40 Jahren mal den Grundstein gelegt haben, völlig zu Recht nichts mehr anfangen.
Feiert eure Werte, die nimmt euch keiner! Aber hört auf, Entwicklung zu propagieren, während ihr selbige aber völlig ablehnt. An der Stelle schließt sich der Kreis zu meiner persönlichen Einleitung: die Definition des Begriffes „Jugend“. Wir sind alt, der Nachwuchs betrachtet Dinge eben anders. Diskutiert da, gern auch kontrovers, aber führt keine Glaubenskriege. Letzteres wird zu einer definitiven Zersplitterung und damit tatsächlich zum Tod der Szene führen, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Ich habe fertig!
Nun zu euch:
Diskutiert mit uns auf Facebook und Insta darüber.
Wie steht ihr zu dem Thema?
Was definiert für euch eure Szene, welche auch immer das sein mag?
Was für Entwicklungen seht ihr und wie steht ihr dazu?
Befürchtet ihr auch ständig den Ausverkauf und Tod eurer Szene?
Wir sind gespannt.
Seid lieb und kratzt euch nicht die Augen aus. Das wäre für manche Szene zwar ein optisches Klischee-Highlight, ist aber echt schmerzhaft und wenig hilfreich beim Betrachten all der tollen Fotos, die wir hier für euch veröffentlichen.
In diesem Sinne…
Dany
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Bild im Header: Pixabay Lizenz, Bild von “Waldkunst“.
Bild “Skulls”: Pixabay Lizenz, Bild von “Darksouls1“, Grafik “Hairstyles” von “455992“, Bild “Gothic Party” von “Belozerovkids“