INTERVIEW: BJÖRN FISCHER, Autor des “ROCK-O-RAMA”- Buches

Na, schimpft ihr noch, oder lest ihr schon?
Gerade noch haben wir euch hier das Buch “ROCK-O-RAMA – Als die Deutschen kamen” intensiv vorgestellt.
Und nun präsentieren wir euch den Mann hinter diesem Werk, den Autor BJÖRN FISCHER.
Wobei, eigentlich präsentiert er sich ganz allein.
Der Vorteil: niemand kann besser mit den möglichen Vorurteilen bezüglich seines Schriftwerkes aufräumen, als der Schreiber selbst. Und ganz nebenbei stellen wir einen greifbaren Bezug zu unserem Hauptgeschäft her, denn der Mann ist eigentlich eher Musiker, denn Autor.

BJÖRN FISCHER, Autor von "Rock-O-Rama - Als die Deutschen kamen"
BJÖRN FISCHER, Autor von “Rock-O-Rama – Als die Deutschen kamen”
(c) HIRNKOST Verlag

Nichtsdestotrotz möchten wir euch vorweg noch einmal den HIRNKOST Verlag ans Herz legen. Dessen Gründer, Verleger und Geschäftsführer, KLAUS FARIN, ist seit vielen Jahren als schonungsloser Journalist und aufmerksamer Beobachter von Subkulturen, Politik und der diversen Querverbindungen bekannt und geschätzt. Wühlt euch einfach mal durch deren Shop, da findet ihr garantiert den passenden Schmöker.

Nun aber zu BJÖRN FISCHER. Üblicherweise verfassen wir gern inhaltsschwangere Einleitungen, bevor wir zum Gespräch kommen.
Aufgrund der im oben verlinkten Artikel gerade erst getätigten Aussagen und der gleich folgenden detaillierten Selbstauskunft können wir in diesem Fall aber darauf verzichten.

Umschlagcover zum ROCK-O-RAMA Buch von BJÖRN FISCHER
(c) HIRNKOST Verlag

Also, auf gehts:

Dany/ SPX: Hallo Björn, vielen Dank vorweg für die Möglichkeit zu diesem Gespräch. Stell dich doch bitte unseren Lesern einmal selbst vor. Wer ist der Mann hinter diesem Buch?

BJÖRN FISCHER: Hallo, mein Name ist Björn Fischer, Jahrgang 1967, seit den frühen 1980er Jahren im Punk verwurzelt.

SPX: Gerne würden wir auch erfahren, in welchen Bands du gespielt hast und/ noch spielst.

BF: Meine aktuelle Band heißt TANK SHOT (Website, Discogs), die bekanntesten Bands meiner Vergangenheit sind wahrscheinlich RECHARGE (Website, Discogs) und AUDIO KOLLAPS (Discogs).

SPX: Wie bist du auf „Rock-O-Rama“ gestoßen und was hat dich dazu veranlasst, das Konstrukt zu zerlegen? Was war der Hintergedanke hinter der Arbeit?

BF: Ich komme vom Dorf. Dort haben wir früher sehr gerne die damals neu erschienen Punk-Veröffentlichungen des Labels gehört, Bands wie CHAOS Z, OHL, STOSSTRUPP und VORKRIEGSPHASE. Dann kamen die ersten Lizenzpressungen aus Finnland heraus: „Ultra Hardcore“ von APPENDIX, TERVEET KÄDET und RIISTETYT – das war mit das Schnellste und Härteste, was auf dem Markt war und wir waren total angefixt. Parallel dazu häuften sich in diversen Fanzines aber auch die Vorwürfe einiger Label-Bands wie BRUTAL VERSCHIMMELT und M.A.F., die sich abgezockt fühlten und zum Boykott von „Rock-O-Rama“ aufriefen. Etwas später konnte man dann anhand der LP-Beilagen und den dort abgebildeten neuen Veröffentlichungen feststellen, dass auch Rechtsrock-Bands wie SKREWDRIVER und BRUTAL ATTACK dort vertreten waren. Der „Rock-O-Rama“-Plattenladen in Köln machte 1986 nach anhaltenden Protesten dicht und Labelchef Herbert Egoldt verlagerte sein Sortiment an einen anonymeren Standort, da auch der Staatsschutz bzw. die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“ langsam auf ihn aufmerksam wurde. Viele von uns haben sich damals gefragt, was das für ein merkwürdiger Typ ist, der erst Punk und dann Rechtsrock vertreibt. Leider war es aufgrund der spärlichen Recherchemöglichkeiten – es gab ja noch kein Internet – kaum möglich, genaueres zu erfahren. Irgendwann kam ich dann mal auf die Idee, dieser Vielzahl von Begebenheiten und Gerüchten intensiver auf die Spur zu gehen und Leute von damals zu kontaktieren. So formte sich langsam ein klareres Bild, wie es dazu kam, dass aus einem kleinen Punk-Label der größte Rechtsrockvertrieb weltweit wurde.

Bild 1 einer LP Beilage einer ROR- LP
Eine alte LP Beilage, Rock-O-Rama
(c) HIRNKOST Verlag

SPX: Erzähl den Leuten da draußen doch was über die Arbeit an dem Buch: wie hast du all die Protagonisten noch gefunden, Kontakte geknüpft und all die Infos aufgetrieben?

BF: Das war eine Sisyphusarbeit: es hat teilweise über ein Jahr gebraucht, um bestimmte Leute ausfindig zu machen, die damals mit Egoldt zu tun hatten. Es mutete manchmal wie ein großes Puzzle an, das langsam ein sinniges Ganzes ergab. Als „6er im Lotto“ erwies sich die Recherche an dem Punkt, als einer der beteiligten Personen durch einen Dachbodenfund auf bisher unveröffentlichtes Songmaterial der heutzutage als „Kult“ verehrten Band FASAGA stieß. Dieses wurde dann zusammen mit anderen in dieser Form noch nicht erschienenen Liedern früher „ROR“-Punkbands als begleitende Hörbeilage zum Buch unter dem Titel „Als die Deutschen kamen“ (siehe Discogs) veröffentlicht.

SPX: Was machen all die Erkenntnisse aus der Arbeit an dem Werk mit dir?

BF: Sie stimmen mich sehr zufrieden und es fühlt sich irgendwie so an, als wäre ein Detektivfall gelöst worden. Vor allem bin ich sehr froh, noch so viele Punks von damals befragen zu können, die eine Vielzahl äußerst interessanter Anekdoten beisteuern konnten. Der Hauptteil des Buches befasst sich ja mit der frühen Punk-Ära des Labels – die spätere Entwicklung zum Rechtsrockvertrieb wird in einem separaten Kapitel ausführlich chronologisch behandelt.

SPX: Die Katalogisierung aller Releases des Labels ist kontrovers. Wie begründest du die gründliche Auflistung?

BF: Ich finde es wichtig, sich mal die gesamte Dimension der Veröffentlichungsflut mit all den Unterlabels vor Augen zu führen. Die Einträge bei Discogs sind ja teilweise unvollständig bzw. fehlerhaft. Mit deren Bewertung bzw. einer Gesamteinschätzung, Meinungsbildung oder Reflektion der zusammengetragenen Informationen habe ich mich übrigens bewusst zurückgehalten, da ich das, wie auch in meinem Vorwort erwähnt, den Leserinnen und Lesern gerne selbst überlassen möchte. In einer Zeit, in der soziale Medien die Meinungsbildung vieler Menschen komplett übernommen haben, finde ich es wichtig, dass mal wieder selbst über ein kontroverses Thema nachgedacht wird, anstatt sich bequem der Meinung des Autors anzuschließen.

Bild 2 einer LP Beilage einer ROR- LP
Beilage einer späteren ROR- Vinyl
(c) HIRNKOST Verlag

SPX: Warum bleibt die Person Herbert Egoldt zwielichtig? Einige Fragen bleiben unbeantwortet…

BF: Herbert Egoldt war eine Person, die sich nicht in die Karten schauen ließ. Er ist öffentlichen Befragungen zu seiner Person und seinem Privatleben stets aus dem Weg gegangen und hat sich im Laufe der Jahre immer mehr abgeschottet. Natürlich auch deswegen, weil er aufgrund von Strafanzeigen und Hausdurchsuchungen in den 1990er Jahren extrem vorsichtig agieren musste. Und da er 2005 verstorben ist, werden einige Fragen unbeantwortet bleiben.

SPX: Woher kommt der schon frühe „rechte“ Ruf des Labels, der sich aus einigen der zitierten Rezensionen von Fanzines herauslesen lässt, lange bevor auch heute noch einschlägig bekannte Protagonisten auf der Bildfläche erschienen? Diese Frage wird aufgeworfen und bleibt leider, trotz Anspielungen auf einige Bands und Personen früher Tage unbeantwortet.

BF: Andere damals agierende Punk-Labels wie AGGRESSIVE ROCKPRODUKTIONEN (AGR) aus Berlin mit Bands wie SLIME oder MIDDLE CLASS FANTASIES sahen sich in den frühen 1980er Jahren eindeutig in der linken Szene verwurzelt. „Rock-O-Rama“ hatte dagegen bereits in den Anfangstagen eine Band wie OBERSTE HEERESLEITUNG (OHL) unter Vertrag, die politisch nicht nur gegen rechts, sondern auch gegen links wetterte. Ein Sampler wie „Die Deutschen kommen“ sorgte 1982 durch seine „Soldatencover-Optik“ bei Publikationen wie „SPEX“ ebenfalls für erste Irritationen, und die Kölner Band COTZBROCKEN würde heutzutage sicherlich keine Auszeichnung für politische Korrektheit ihrer textlichen Ergüsse (Zitat: „RAF verbünde dich mit dem rechten Kern, dann geht in Deutschland auf der Terrorstern“) erhalten. Eine Antwort, ob diese Labelphase bereits als „rechts“ oder eher als „provokativ“ einzustufen ist, überlasse ich der geneigten Leserschaft, denn dazu gibt es auch im Buch selbst geteilte Meinungen damaliger Protagonisten.

SPX: Arbeitest du an weiteren Publikationen? Wenn ja, eventuell eine ergänzende Fortsetzung, vielleicht mit weiteren zwielichtigen Gestalten und Labels, wie beispielweise METAL ENTERPRISES?

BF: NOWOTNYs Plattenfirma nebst musikalischen Verirrungen von Combos wie THRASH QUEEN, A.O.K. oder EXTREME NAPALM TERROR sind sicherlich auch ein sehr interessantes und bearbeitungswürdiges Thema, zu dem mir jedoch der persönliche Bezug fehlt.

SPX: Wir bedanken uns für das kurze Gespräch und wünschen alles Gute für die Zukunft.

BF: Danke ebenso und Prost!

https://www.facebook.com/rockoramabuch

Rock-O-Rama. Als die Deutschen kamen

Das Gespräch mit Björn Fischer führte Dany begleitend zur Review des Buches per Mail.

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