Frightening Friday, 13th – Die Audiosphärische Schauer-Lesung in der Subkultur Hannover
Wer am Freitag den Dreizehnten Sorgen hat, einer schwarzen Katze über den Weg zu laufen, der war definitiv am 13.01.2023 in der Subkultur Hannover fehl am Platz. Für alle anderen bot sich allerdings mit der “audiophärischen Schauer-Lesung – Frightening Friday, 13th” ein besonderes Spektakel, denn Studio- und Hörspielsprecher Rainer Müller hatte sich mit dem Autoren und Komponisten Carsten Sygusch zusammengetan, um in der Subkultur eine Lesung mit Gänsehautgarantie zu veranstalten.
Zu Beginn schon fanden die Zuhörer drei ominöse Gegenstände auf ihren weißen Holzstühlen vor: Eine Augenmaske, eine Visitenkarte von Leser Rainer Müller und ein Brief lagen auf jedem Stuhl.
Was es mit der Augenmaske auf sich hatte, wurde schnell erklärt: Es ging darum, sich der Hörerfahrung hinzugeben, und durch die Masken die Umgebung ausblenden zu können. Anfänglich wurden diese Masken auch von vielen Anwesenden genutzt, später eher weniger, wobei ich gut verstehen kann, warum dies nicht die ganze Zeit der Fall war. Neben den gut vorgelesenen Geschichten und den Sounds gab es auch eine leichte, aber sehr passend gewählte Lichtshow, und alleine die passende Umgebung der Subkultur mit ihren schaurigen Dekorationen war sicher ein Grund, nicht die Augen zu verschließen.
In welcher Form man also den sechs Geschichten lauschte, die in der Mitte von einer kurzen Lesepause unterbrochen wurden, konnten die Zuhörer selbst entscheiden. Vor jeder vorgetragenen Kurzgeschichte gab es ein kurzes Portrait des Autors, sowohl sprachlich, indem kurz ein Überblick über dessen Leben und Machwerk gegeben wurde, als auch in Form eines kleinen gold-gerahmten Porträts, das während der Lesung auf dem Tisch zu sehen war und erst zum Ende der Geschichte durch ein Bild des nachfolgenden Autors ersetzt wurde.
Schlag 20:30 begann die Lesung der ersten drei Geschichten, und direkt mit einem meiner liebsten Klassiker von Edgar Allan Poe, der “Schwarzen Katze”, die stimmlich sehr gut vorgetragen war und dem wahnsinnigen Hauptcharakter eine sehr lebendige Note gab. Die unterschwellige, bedrohliche Musik und die Soundeffekte an den richtigen Stellen, die auch der Katze “eine Stimme” gaben, taten ihr Übriges, um dieser Geschichte, die ich beinahe auswendig mitsprechen kann, eine selbst für mich neue Note zu geben.
Danach folgte mit Ambrose Bierzes “Das vernagelte Fenster” ein weiterer Klassiker, der vielleicht nicht jedem geläufig ist und den ich selbst beim erstmaligen Lesen als eher etwas langweilig empfunden hatte. Speziell durch die musikalische Untermalung wurde hieraus für mich eine spannende Geschichte mit einem makabren Twist am Ende, der sich (Kenner der Geschichte werden wissen, was ich meine) thematisch gut an die “Schwarze Katze” angliederte.
Passend zu den vorigen Geschichten, die alle schon mit der Thematik des Todes gespielt hatten, schloss “Die versiegelte Urne” von H.P. Lovecraft das erste Set aus drei Geschichten vor der Pause und stellte für mich damit auch den Höhepunkt dar. Denn so einfach die Geschichte eines Mannes, der eine versiegelte Urne erbt und den sehr großen Fehler begeht, diese zu öffnen auch ist, so intensiv fällt die Wortwahl bei dieser Geschichte aus, dass sie definitiv meine liebste dieses Abends wurde. Auch hier stellte sich für mich heraus, wie gut die Lesung mit den Effekten an sich gestaltet war, da sie für mich den Übergang in die Sichtweise des Hauptcharakters nicht nur untermalt hat, sondern maßgeblich beeinflusste.
Fotos: Cynthia Theisinger
Nach einer 30-minütigen Pause ging es mit “Die Crew der Lancing” von William Hope Hodgson und einer düsteren Seegeschichte weiter, die mir neu war. Persönlich war dies inhaltlich nicht meine Lieblingsgeschichte, aber auch hier war sie definitiv wieder sehr gut vorgetragen und auffallend anders gegenüber den bisherigen Geschichten, da hier eine gesamte Schiffsbesatzung samt Hauptcharakter im Fokus der Erzählung stand. Zum ersten Mal also eine ganze Personengruppe, was sich auch in der folgenden Geschichte wiederholte:
“Die Maske des roten Todes”, eine zweite Geschichte von Edgar Alan Poe bezieht sich nämlich auf eine vor der Pest eingeschlossenen Personengruppe, die mit eintönigen Glockenschlägen sehr eindringlich an die Möglichkeit ihres nahenden Todes erinnert wurde.
Hier muss ich vermutlich nicht mehr betonen, dass dieser Eindruck durch Glockenschläge auch dem Publikum vermittelt wurde, bevor in diesem letzten Set aus drei Geschichten die vierte Wand durchbrochen wurde und in der Rainer Müller mit einer seiner eigenen Kurzgeschichten mit dem Titel “Das Tuch” zwar eine einzelne Person in den Fokus der Erzählung rückte, aber das Publikum in die Geschichte mit einbezog. Nun durften die Zuhörer den verschlossenen Umschlag öffnen und dort eine Möglichkeit finden, das Ende der Geschichte durch eine Wahl quasi mit ihm zusammen zu schreiben.
Stilecht wurde diese Wahl mit einer “echten Urne aus dem Nachlass von HP Lovecraft” besiegelt, wobei nebenbei offenbar auch versehentlich dasselbe Übel entfesselt wurde, das zuvor in der Geschichte “Die Urne” schon thematisiert worden war.
Um 23:15 Uhr endete der Spuk dann nicht gänzlich um Mitternacht und mit dem Hinweis darauf, dass es im März eine weitere Lesung geben wird, die unter dem Titel “Macabre March” die fortlaufende letzte Geschichte zu Ende erzählen wird. Für die anwesenden Personen lohnt sich ein zweiter Besuch also direkt in mehrfacher Hinsicht, denn neben der Aussicht auf eine Auflösung des geschickten Cliffhangers bin ich mir sehr sicher, dass auch diese neue Lesung wieder ein voller Erfolg werden wird.