Mit ASP auf Zwielicht-Safari – “Dunkelromantische Herbstnächte – Kreatour”

Es gibt Bands, die ich während der Pandemie mehr vermisst habe als andere. Bands, bei denen das Live-Erlebnis ein unverzichtbarer Bestandteil der musikalischen Erfahrung ist und bei denen einfach etwas fehlt, wenn es keine Tourneen gibt. Natürlich kann man ASP im stillen Kämmerlein mit Kopfhörern genießen und das sollte man sogar bisweilen tun, um ganz in die kunstvollen Gedankengebilde der Texte einzutauchen und jeder Nuance des samtschwarzen Sounds nachspüren zu können. Und doch… ASP-Konzerte sind für den Geist einfach das, was ein tödlichscharfes Curry für den Körper darstellt: Eine Kur, in deren Verlauf sich sämtliche Poren öffnen, und die ganze Negativität aus der Seele gespült wird. Stoffe wie Capsaicin in Chili oder Piperin in Pfeffer reizen die Schmerzrezeptoren und gaukeln dem Organismus zudem eine Hitzereaktion vor, weshalb er als körpereigenes Schmerzmittel Endorphine ausschüttet – man erreicht so das sogenannte “Pepper High”. Durch Schmerzen zur Glückseligkeit – was wie Masochismus klingt, ist eine ganz normale biochemische Reaktion. ASP-Konzerte haben eine ähnliche Wirkung. Auch hier kommt manches schmerzhafte und heiße Thema auf den Tisch und man muss sich unbequemen Wahrheiten stellen, aber wenn man sich auf diese Gefühlsregungen einlässt und die damit einhergehende Katharsis willig durchläuft, gelingt es einem an nur einem Konzertabend, einen Großteil der Schlacke, die die Welt während Wochen und Monaten auf der Seele abgeladen hat, wieder abzuschütteln und durchzuatmen.

Was braucht es, damit diese Reinigung gelingen kann? Lautes Getöse, Pauken und Trompeten, hämmernde Drums und schreddernde Gitarren? Mitnichten und -neffen! Die asp’sche Arznei ist keine Chemotherapie, die den ganzen Körper verheert, sondern sehr zielgenau und effektiv und setzt genau da an, wo es wehtut. Daher macht es in der Wirkung auch keinen Unterschied, ob man eine Rockshow oder ein ruhigeres Format besucht – wo ASP draufsteht, ist auch ASP drin. Während der Jubiläumskonzerte 2014 bekamen wir ja sogar beides als Paket geboten, nun standen aber wieder die beliebten “Dunkelromantischen Hier-Jahreszeit-einfügen-Nächte vor der Tür. Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal, dass ich dieses Formates angesichtig und angehörig sein durfte: Ebenfalls 2014, im Frühling eben dort, wo ich auch nun wieder bewundernd an die Decke starrte: In der Historischen Stadthalle zu Wuppertal. Das ehrwürdige Gebäude war so gut wie ausverkauft, ergo sehr gut besetzt. Unsere Fotografen wohnten dem Event in Hannover im Theater am Aegi bei, hier regiert visuell eher die Postmoderne. Aber egal, wie der Rahmen gestaltet wird, das Bild bleibt dasselbe. Wer die “Dunkelromantischen Nächte” nicht kennt, dem sei gesagt, dass hier eher selten gespielte Songs ein Refugium finden, und dass die bekannten Hits der Band hier in ein neues Gewand gekleidet werden. Dafür wird die Band ASP auf der Bühne um einige klassische Musiker erweitert, die Violine, Cello, Dudelsack und diverse flötöse Konstrukte zum Leben erwecken. Genug der Vorrede, seid ihr bereit für das Abenteuer?
Das aktuelle Album “ENDLiCH!” beginnt mit dem instrumentalen Intro “Bedenke gut” und geht nahtlos in den Song “Was du dir wünschst” über. Und so begann auch hier das bestuhlte Konzert. Die beiden Titel entstammen ursprünglich dem Text des Songs “Wechselbalg”, wo davor gewarnt wird, dass man sich nicht leichtfertig etwas wünschen sollte, da es in Erfüllung gehen könnte. Nicht nur bei Begegnungen mit Dschinnen sollte man seine Wünsche gut bedenken, auch der handelsüblichen Sternschnuppe sollte man nur den Wunsch nach Geschenken anvertrauen, mit denen man am Ende auch umgehen kann. Apropos Dschinn: Die aktuelle Tour trug den bemerkenswerten Untertitel “Kreatour”. Hier sollten endlich mal die zahlreichen Wesenheiten zum Vorschein kommen und in den Mittelpunkt gestellt werden, die der ASP-Kosmos mittlerweile hervorgebracht hat. Bereits zu Beginn des Konzertes wurde ASP an den Vocals tatkräftig flankiert von Bassist Li(as) und Gitarrist Lutz. Die unterschiedlichen Stimmfarben harmonierten sehr schön miteinander. Wer bei “Kreaturen” zuerst an die Unterwasserwesen von “Kosmonautilus” und “zutiefst” denkt, lag übrigens gar nicht so falsch. “Ihr schönen Menschen!”,sprach ASP nach Song Eins die traditionellen Worte. “Endlich! Nach so vielen Verschiebungen sind wir nun hier. Es kommt uns so vor, als seien wir 20.000 lange Meilen hierhergereist!”. Die perfekte Überleitung zum gleichnamigen Song aus “zutiefst”. Die musikalische Umsetzung mit den Akustikgitarren sowie den Streichern und der Ein-Mann-Kapelle namens Thomas Zöller schafft es, dass man den Texten noch mehr Beachtung schenkt als sonst, und den einzelnen Abschnitten eines Songs viel bewusster gegenübertritt. Wie groß die Freude und Erleichterung allgemein darüber war, dass dieses Ereignis nun stattfinden konnte, hörte man Asp durchaus an, als er sagte: “Endlich wird dieser Konzertabend wahr! Wir sind sehr glücklich und wissen das umso mehr zu schätzen. Wir haben schon auf Festivals spielen dürfen, dieses Jahr, aber es ist etwas ganz anderes, auf Tour zu sein. Ich wünsche euch und uns ganz viel Vergnügen. Wir haben einige ganz spezielle Höhepunkte vorbereitet. Lehnt euch zurück und lauscht den Geschichten über die Kreaturen und genießt den Abend mit uns!”. Das taten wir natürlich nur zu gern, und es gab auch wahrlich viel zum Genießen. “Tritons Fall” habe ich überhaupt noch nie live gehört, der Song gehörte während der “Kosmonautilus”-Tour nicht zur Setlist. Genau das meine ich! Die Flut der “Dunkelromantischen Nächte” spült so manchen Bernstein an Land, der lange in den Untiefen verborgen war. Das kraftvolle Stück entfaltete auch im akustischen Gewand seine Magie und vor allem seine Botschaft. Der Beschwörung der Meeresgottheit sprach Asp selbst nur geringe Aussicht auf Erfolg zu: “Freunde, ich fürchte, auch dieses Mal werden alle Appelle vergebens bleiben. Es wird kein Gott oder höheres Wesen erwachen, um die Umwelt zu retten. Es bleibt wieder an jedem einzelnen von uns hängen. Es bringt wenig, dagegen anzusingen, aber was bleibt uns sonst übrig?”. Nun, es bleibt zu hoffen, dass der versteckte Aufruf zur Rettung der Meere und der Natur zumindest bei den umsichtigen ASP-Fans auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Nach Triton flogen die “Bernsteinmeerengel” eine letzte taumelnde Runde durch die aspifizierte Halle, bevor sie unweigerlich ihrem Schicksal im goldenen Grab entgegenstürzten, um für alle Ewigkeit konserviert zu werden. Seit jeher ein aufwühlendes Stück, umso mehr in der Version der “Nächte”.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Misheard lyrics! Wer kennt es nicht, das Phänomen, das dazu führt, dass bei ICH&ICH der “Hamster vor dem Fenster tobt” und eine Frau namens “Agathe Bauer” zu zweifelhafter Berühmtheit kommt. Sollte es so etwas etwa auch bei ASP geben, wo er doch größtenteils auf Deutsch singt, und keinesfalls zum Nuscheln neigt? “Viele Kreaturen in unseren Liedern haben wir gar nicht erfunden, sondern nur adaptiert”, bekannte der Sänger. “Aber im folgenden Lied kommt ein Wesen vor, das so unbekannt ist, dass es nicht einmal einen Namen hat. Wir kennen ihn auch nicht. Aber was ich weiß ist, dass man bei diesem Lied sehr deutlich singen muss. Denn sonst wird aus dem “Tintenbild” etwas ganz anderes”. Die allgemeine Erheiterung im Publikum ließ erkennen, dass der Witz sein Ziel nicht verfehlt hatte. Asp lieferte dann noch Stoff für die Rubrik “Trivia” in Wikipedia-Artikeln, indem er bekannte: “Das Tintenbild meint natürlich ein Tattoo. Ich habe bis heute keins. Aber wenn beim folgenden Stück alle Zuschauer besonders gut mitmachen, bekomme ich mein erstes Tattoo. Ihr wisst ja, wie das so ist mit über 50: Sportwagen oder Tattoo. Aber ich besitze ja nicht einmal einen Führerschein, also wäre das mit dem Sportwagen Quatsch. Einige Städte waren übrigens nicht so laut, es steht noch 50:50. Aber ich setze mein ganzes Vertrauen auf euch!”. Es hat wohl selten einen größeren Anreiz gegeben, um ordentlich mitzuklatschen, mitzusingen und besonders laut seine Begeisterung zum Ausdruck zu bringen. Können wir mal kurz über das Lautsein im Allgemeinen sprechen? Hier war ja der direkte Appell von der Bühne erfolgt, aber… Wisst ihr, was Metaler am schlechtesten können? Still sein! Es gibt etliche Songs, die von der Komposition her ruhigere Passagen aufweisen. Wieso ist es eigentlich nicht möglich, auch diese Songbestandteile zu genießen, ohne gleich dazwischenzugrölen? Egal, ob klaviereske Outros oder in sich gekehrte Bridges: Es kommt praktisch jedes Mal vor, dass die nicht so bewanderten Zuhörer denken, der Song sei vorbei und in wildes Klatschen verfallen, während auch erfahrene Fans meinen, diese Gelegenheit nutzen zu müssen, um kräftig Lärm zu machen. Freunde! Lautstarker Support ist wichtig und den Künstlern hochwillkommen. Aber trotzdem möchte ich appellieren: Würdigt die stillen Passagen. Seit laut, wenn die Musik laut ist und haltet auch mal inne, wenn die Gitarren schweigen. Das nur im Allgemeinen, ASP-Fans, so möchte ich betonen, wissen die Tiefen der ruhigen Musikalität durchaus zu schätzen, sonst wären solche Akustikkonzerte nicht regelmäßig ausverkauft. Nachdem der “Tintakel” entfesselt worden war, sah der asp’sche Reiseführer vor, in “Die Untiefen” hinabzutauchen. Nicht nur Thomas Zöller wechselte übrigens regelmäßig das Instrument: “Wir sehen nun einen schwarzgekleideten Hünen eine irish Bouzouki stimmen. Das sieht man auch nicht alle Tage!”, verwies der Sänger auf seinen langjährigen Saiten-Gefährten Lutz Demmler. Der Song wurde als wahrer Höhepunkt in der Setlist empfunden, wie man am langanhaltenden Jubel des Auditoriums mühelos ablesen konnte. Warum räume ich eigentlich den Worten von Asp in meinen Texten so viel Raum ein? Nun, es ist einfach eine Kunst, sprachlich adäquat durch so einen Konzertabend zu führen und es gibt unzählige Stile und Mittel, dies zu tun. Das Spektrum reicht von Carl McCoy von FIELDS OF THE NEPHILIM, unter dessen grauem Hut kein einziges Wort hervordringt bis hin zu Tobias Sammet, der sich bisweilen nicht entscheiden kann, ob er ein Konzert oder einen Comedy-Abend darbieten soll. Asp schafft es meiner Meinung nach am besten, das Reden während Konzerten auszubalancieren. Wenn er Ansagen von der Bühne macht, dann sehr pointiert, unterhaltsam und immer mit einer Bedeutung und in Zusammenhang zur Musik und wichtigen aktuellen Themen. Man ist also gut beraten, gut zuzuhören, wenn der Meister die Stimme erhebt. “Von Meereszombies machen wir jetzt einen ziemlich weiten Sprung bzw. Flug hin zu gewissen Personen in einer schwarzen Mühle, die gelernt haben, sich in jedwede Kreatur zu verwandeln. Der Song, der nun folgt hat einen besonders klangvollen Namen und dieser lautet… ‘Harry Potter'” verkündete der Fronter augenzwinkernd und spielte damit auf den Umstand an, dass es schon lange vor dem berühmten britischen Zauberlehrling eine ebenso magiekundige Gestalt in sorbischen Sagen gegeben hatte, der Ottfried Preussler dann 1971 ein literarisches Denkmal setzte: Krabat. Es sollte der einzige Ausflug in die “Mühle” bleiben, an diesem Abend, aber schließlich bot die Welt von ASP noch weit mehr wundersame Orte. Einen davon besuchten wir als nächstes mit einem Rückblick auf das 2006 erschienene Literatur-Erzeugnis “Varieté Obscur” mit gleichnamiger Single. “Wir nennen es intern das “Varieté, das alle lieben und niemand korrekt schreiben kann”, lachte Asp. Nun, ich habe die Schreibweise für diesen Artikel doppelt überprüft. Danach gab es wie bei Kulturveranstaltungen in Theatern und ähnlichen Etablissements üblich eine Pause, die man für die Stärkung nutzen konnte.

Der zweite Teil der Veranstaltung begann mit einem absoluten Lieblingssong von vielen Fans und zwar “Stille der Nacht”. Dem Untertitel gemäß ein “Weihnachtsmärchen”, passte das Stück recht gut, schließlich befinden wir uns trotz des “Herbstnächte”-Tourtitels bereits in der Vorweihnachtszeit. In der Bridge gab es ein ansehnliches Gitarrensolo von Lutz. Der Rockstar kann eben nicht ganz aus seiner Haut. Schon seit einiger Zeit (genauer gesagt seit Ausbruch des Ukraine-Krieges, glaube ich) singt Asp das Lied mit einer kleinen, aber bedeutsamen Abwandlung. Gegen Ende des Songs finden sich die Zeilen: “… und hinter mir her heult mit grausamen Stimmen der Wind, nur du und ich wissen ganz genau, dass es in Wirklichkeit Wölfe sind”. Asp singt nun neuerdings an der Stelle statt “Wölfe” das Wort “Menschen” und bringt so zum Ausdruck, dass von Letzteren weit mehr Bedrohung ausgeht als von Wölfen. Nach diesem Auftakt griff man tief in die Mottenkiste und förderte ein Stück zutage, das seinerzeit 2007 auf der EP “Die verschollenen Archive I – Nie mehr” erschienen war. Die Wölfe, die aus dem vorherigen Stück bewusst verbannt worden waren, haben natürlich auch schon seit jeher ihren Platz in der Welt von ASP: “Lykanthropie ist bekanntlich der Glaube, sich in ein Tier, speziell einen Wolf verwandeln zu können”,führte Asp aus. “Der Werwolf in Menschengestalt trägt seine Wolfshaut innen”, ergänzte er und betonte damit, dass die beiden Seiten eines Werwolfs nicht voneinander zu trennen sind und dass ein Werwolf am Tage keinesfalls als normaler Mensch anzusehen ist. “Wolfsspuren”, ein Requiembryo-Fragment, war eine Überraschung, die gut gelang. Auch das nun folgende Stück hätte man so eher nicht erwartet. Asp erinnerte daran, dass es einmal eine Band namens SPIELBANN gegeben hatte, die auch bei einigen ASP-Touren als Support mit an Bord war und die sich Ende 2017 leider aufgelöst hatte. “Es gab an dieser Stelle Szenenapplaus bei jeder Show, daher glaube ich, dass ihr mir zustimmt, wenn ich sage: Es ist ein verdammter Jammer, dass es die Band nicht mehr gibt”, sagte der Sänger und erntete natürlich absolute Zustimmung. “Andererseits wäre dann Li nicht bei uns und auch das wäre ein Jammer”, fuhr der Fronter fort und auch das stimmte natürlich absolut. Lias Engel war nach dem Ende von SPIELBANN und dem Ausstieg von Bassist Tossi bei ASP eingestiegen und hat sich schnell gut eingefügt. Nun wurde also ein Stück der Band SPIELBANN gespielt, das Asp allerdings für die befreundete Gruppe geschrieben hatte. Es behandelt die interessante Variante eines Wolfes, der sich bei Vollmond in einen Menschen verwandelt, gewissermaßen also einen “Wermenschen”, der es theoretisch sehr viel schwerer hat als der handelsübliche Werwolf. Einem Menschen fällt es sicherlich verhältnismäßig leicht, in Wolfsgestalt alte Instinkte wiederzuerwecken und sich von ureigenen Trieben leiten zu lassen. Für den sich verwandelnden Wolf hingegen ist es ganz und gar unmöglich, zeitweise als Mensch zu existieren. Ausgestoßen von seinem Rudel, beraubt seines Fells und gewissermaßen “herabgestuft” in einen schwächeren Körper, kann der Wermensch schwerlich überleben, und begrüßt letztendlich das Ende seiner Qualen. Ein an sich schöner Song mit düsterem Text, der in das Märchenalbum “Die Ballade von der blutigen Rose” eingebettet gewesen ist, nun vorgetragen in der Version des ASP-Ensembles. Und das tobte sich richtig aus, was man besonders daran sah, dass Thomas Zöller und Violinistin Shir-Ran Yinon sich in der Mitte der Bühne ein Duell auf ihren Instrumenten lieferten. “Wo wir schon dabei sind: Es folgt noch ein weiteres Stück, das ursprünglich nicht unter dem Banner ASP erschienen ist”, machte Asp alle neugierig. “Wie uns Werbefachleute versichern, sind Tourneen mit Einhorn bis zu 850% erfolgreicher als ohne. Es folgt ein Stück von HERUMOR und dazu habe ich eine Kleinigkeit vorbereitet…”. Aus einer schwarzen KIste wurde ein Utensil entnommen und gekonnt installiert: Ein Stirnreif mit einem Einhorn-Horn auf dem Kopf von Lias, der die Prozedur schicksalsergeben über sich ergehen ließ. HERUMOR ist der Name, den sich das akustische Ensemble ASPs VON ZAUBERERBRÜDERN gegeben hatte, um für diese Truppe ein neues Kapitel aufzuschlagen. Unter dem neuen Namen erschien dann auch die CD “Eine Liebe nicht weniger tief”, aber das Einhorn-Stück ist darauf nicht zu finden, sondern wurde als Einzel-CD zusammen mit dem von Fabia Zobel gestalteten Buch als “Das Reich des Einhorns” veröffentlicht. Eine schöne und melancholische Geschichte, die nun auf der Bühne ihren Zauber entfaltete. Danke für diesen außergewöhnlichen Moment. Auch Lias war offenbar ganz ins Reich des Einhorns abgetaucht , sodass er am Ende des Liedes den Haarreif gar nicht mehr hergeben wollte. Aber Asp blieb streng: Das Requisit musste zurück in die Kiste. “Du darfst ihn morgen wieder tragen”, versprach der Sänger und spielte natürlich auf das Abschlusskonzert in Saarbrücken an. Die nächste Station auf der ASP-Safari der seltsamen Kreaturen war ein berüchtigtes Hotel in Leipzig, in dem ebenfalls einige Wesenheiten zu Hause sind und zwar von der unheilvollen Art. Denjenigen, die durch die Bestuhlung und die gemütliche Atmosphäre verleitet worden waren, es sich allzu bequem zu machen, wurden vom Fronter ermahnt: “Ihr seid auf einem ASP-Konzert, auch wenn ihr das vielleicht noch nicht gemerkt habt. Und auf ASP-Konzerten wird gemeinsam gesungen, sozusagen im… “Kollektiv”. Ich muss sagen, dass ich hier von der Songauswahl nicht ganz überzeugt war. Ich mag das Lied sehr gerne, aber am liebsten dann doch mit ordentlich “Wumms” dahinter. Andere Zuhörer waren nicht dieser Ansicht: “Spiel den selben Song nochmal!”, ertönte es aus unbestimmten Richtungen, in Anspielung auf die gleichsam nervtötende wie legendäre Cantina-Band. Wer ASP kennt, weiß, dass er gegen Zwischenrufe vollkommen immun ist. “Ich kann gar nicht hören, was ihr ruft!”, behauptete er. “Hier kommt nur Musik raus, aber nix rein. War aber bestimmt ein wichtiger Beitrag. Viele Kreaturen sind uns heute begegnet. Ganz schön gruselig. Und wenn man den Experten für Rockmusik Glauben schenkt, handelt das nun folgende Stück vom Schauderhaftesten von allen”. Lutz wechselte wieder auf die Bouzouki und wir bekamen eine eigentümlich-heimelige Version von “Me” zu hören. An dieser Stelle sei noch mal die Anregung destilliert, sich das wundervolle Originalvideo zu dem Song anzuschauen. “Es geht hier natürlich überhaupt nicht nur um “me”, also um mich”, stellte der Sänger klar. “Nur gemeinsam kann man musizieren und so ein Programm auf die Beine stellen”. Nach dieser sehr sympathischen Ansage stellte er die Bandmitglieder vor. Neben den schon erwähnten Shir Ran-Yinon (Violine) und Thomas Zöller (Pipes, Whistles) waren das: Johanna Stein am Cello und die regulären ASP-Mitglieder Lias Engel (Backing Vocals und Bass), Lutz Demmler (Gitarre, Bouzouki), Sören Jordan (Gitarre) und Stefan-Günther Martens (Drums, Percussion). Das mit Abstand älteste Wesen im ASP-Kosmos, der Schwarze Schmetterling, durfte in der Setlist natürlich mit seiner “kleinen Ballade” nicht fehlen. “Nicht ganz so alt ist der ‘Wechselbalg'”, erklärte Asp. “Obwohl jeder mittlerweile verstanden haben dürfte, dass sie eins sind. So wie wir alle heute Abend. Ihr habt das sehr still und andächtig genossen”, gab es scheinbar Lob, nur um gleich darauf angestachelt zu werden: “Damit ist es jetzt vorbei. Es reicht!”, woraufhin sich alle Zuhörer erhoben, um wie gewohnt zu “Wechselbalg” abzugehen. Nun stand noch ein kleiner Ausflug in die gruselige Geschichte namens “The Mysterious Vanishing Of The Foremare Family” an, ebenfalls ein Stück, das nicht so häufig gespielt wird und auch wunderbar passend für dieses Format. Als das Ensemble letztendlich von der Bühne verschwand, setzte eins der liebgewonnenen Rituale in der ASP-Fanbase ein. “Eeeeeeeeee-oooooooh” schallte es einstimmig auf und ab und zwar so lange, bis die Musiker auf die Bühne zurückkehrten. Asp war sichtlich beeindruckt von der Intensität des Publikumsgesanges. “Ich könnte mir das stundenlang anhören!”, bekannte er gerührt. “Wir spielen sehr gerne noch etwas für euch. Setzt euch nochmal hin, macht es auch gemütlich, ein letztes Mal”. Die andächtige Stimmung wurde für das uralte Adventslied “O come, o come, Emmanuel” gebraucht, das die Band einige Tage zuvor als (Vor-)Weihnachtsgruß auf youtube veröffentlicht hatte. Wir brauchen eine Schunkelanleitung”, versetzte der Fronter vor allem die Introvertierten kurzzeitig in Panik. “Wer aus hygienischen Gründen nicht schunkeln möchte, bekommt natürlich unser volles Verständis. Wir sind alle noch gebrannte Kinder. Oder wenn ihr fremde Menschen einfach scheiße findet… Wer nicht schunkeln will, muss nicht. Hier wird niemand zu etwas gezwungen. Außer zu einem, denn Untätigkeit geht nicht!”, bekam der Sänger noch die Kurve. “Die Arme nach oben wuchten!”, forderte er daraufhin. “Auch hier sehe ich einige Leute mit dem berüchtigten Marlboro-Schunkeln, vornehmlich Männer”, spielte Asp augenzwinkernd auf die Versuche an, die Publikumsmitglieder unternahmen, um ihre zur Schau getragene Männlichkeit zu schützen, ganz in der Tradition des Marlboro-Mannes stehend. “Jaja, Arme verschränken, im äußersten Falle leichtes, anerkennendes Kopfnicken in Richtung der Musiker und das auch noch völlig aus dem Rhythmus”, fasste er nochmal die Diagnose “Marlboro-Schunkeln” zusammen und sorgte für Heiterkeitsstürme im Auditorium. Nun wurde aber das Weihnachtslied endlich gespielt. Abseits aller Religion und der Diskussionen darüber kann man ruhig anerkennen, dass solche Lieder etwas wunderbar Feierliches und Warmes an sich haben, weshalb auch die Menge auf dem Konzert sich nur zu gern von ASP in diese Welt entführen ließ.

Was bleibt nun noch zu sagen nach diesem herrlichen Reigen der Geschichten, der Gefühle und der wohltuenden Worte und Klänge? Danke an ASP und das Ensemble, dass ihr uns eine ganz eigene Art der Festtagsstimmung bereitet habt. Ein Geschenk, dass kostbarer nicht hätte sein können. Ein geistiges Kleinod, das wir selbstverständlich in Ehren halten werden. Mit euch als Begleitung werden wir jederzeit wieder gerne in das Bestiarium der Zwielichtgeschichten zurückkehren und uns mutig Rücken an Rücken jeder “Kreatour” stellen.

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Fotos: Cynthia Theisinger
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