BEYOND THE BLACK & AMARANTHE – live in Oberhausen
Es geht Schlag auf Schlag momentan – lange und mehrfach verschobene Touren werden endlich nachgeholt und knubbeln sich nun alle im Herbst. Auch die Double-Headline-Tour von BEYOND THE BLACK und AMARANTHE konnte nun stattfinden und wir waren in Oberhausen und Hamburg mit dabei, um euch ein umfassendes Bild von diesem Ereignis zu vermitteln. Um nach der langen Zwangspause wirklich alles zu geben, wurde ein fulminantes Paket geschnürt, bestehend nicht nur aus den beiden erwähnten Headlinern, sondern auch mit zwei Supportbands.
Den Anfang machten AD INFINITUM (lateinisch für “Bis ins Unendliche”). Das anfängliche Soloprojekt von Sängerin Melissa Bonny hat sich mittlerweile zu einer vollständigen Band gemausert, die bereits zwei Alben veröffentlicht hat. Diese fielen aber beide in die Pandemie-Zeit, was Live-Aktivitäten der Gruppe so manchen Riegel vorgeschoben hatte. Umso mehr kann die jetzige Tourbegleitung als Befreiungsschlag verstanden werden. Da Bonny mit dem Schlagzeuger von AMARANTHE liiert ist und AD INFINITUM ähnlich powervoll agiert wie die Skandinavier, war diese Kooperation naheliegend und eine große Bereicherung für die Tour. Als Intro wurde ED SHEERANs “Bad Habits” in der featuring-Version mit BRING ME THE HORIZON gespielt. Ein großartiger Song und eine ausgezeichnete Wahl, denn die Energie dieser “gepimpten” Version brachte die Menge schon einmal in Stimmung und natürlich wurde auch beim ersten Song von AD INFINITUM nicht gebremst. “Unstoppable” war die erste Single-Auskopplung aus “Chapter II – Legacy”. Soundtechnisch wünschte man sich an der Stelle noch eine Schüppe drauf, was den Gitarrensound anging und die Soundgötter erhörten mich, denn ab Song zwei “Into The Night” wurde etwas mehr “gewummst”. Sidenote: Melissas beleuchteter Mikrofonständer kam vielen Leuten seltsam bekannt vor, schließlich verwendete Charlotte Wessels von DELAIN das gleiche Modell. 2018 hatte der damalige DELAIN-Gitarrist Timo Somers auch mit Bonny die Debutsingle “I Am The Storm” eingespielt, um die Crowdfunding-Kampagne für die Finanzierung des ersten Albums “Chapter I – Monarchy” anzukurbeln. Doch zurück in die Gegenwart, denn natürlich waren die Anstrengungen von damals erfolgreich und AD INFINITUM hatte es geschafft, sich zu etablieren und genau deshalb standen sie nun hier auf der Bühne der Turbinenhalle. Als nächstes gab es die neue Single “Upside Down”, die erst vor wenigen Wochen veröffentlicht worden war (übrigens mit schönem Video auf youtube zu finden). Genau wie der Folgesong, wies dieses Lied auf das kommende Album “Chapter III – Downfall” hin, das am 31. März das Licht der Welt erblicken wird. Um dieses kommende Ereignis würdig zu promoten, nutzte AD INFINITUM die volle Turbinenhalle auch gleich für einen Videodreh beim Folgestück “Somewhere Better”. Danach forderte Melissa für die Fortsetzung des Sets allerdings einen Tribut für die anderen Bands dieser Tour ein: “The other bands are coming soon. They’re at the Backstage and they can hear you. Are you ready for BUTCHER BABIES / AMARANTHE / BEYOND THE BLACK?”. Das Jubeln der Menge war wie üblich zunächst nicht laut genug, bis Drummer Niklas Müller beschied, dass es ausreichte. Für den Song “Afterlife” kam dann natürlich Nils Molin, der Tenor von AMARANTHE, offenbar aufgeschreckt vom Lärm, auf die Bühne, und bestritt mit Melissa dieses zauberhafte Duett. Nach dem Schlussakkord von “Animals” war dann allerdings Schluss. AD INFINITUM ist eine interessante und außergewöhnlich engagierte Band, wir können also noch viele weitere “Chapters” erwarten – frei nach Buzz Lightyear: Bis zur Unendlichkeit – und noch viel weiter!
Fotos: Ulli
AMARANTHE ist dafür bekannt, üblicherweise drei SängerInnen zu beschäftigen und sowohl den Klargesang, als auch den Growling-Bereich abzudecken (letzterer unterliegt derzeit allerdings einer Sedisvakanz). Auch BEYOND THE BLACK greift hin und wieder auf härtere Gesangspassagen von Chris Hermsdörfer zurück. Die grundsätzliche Symphonic- und Power-Ausrichtung des Abends stand also durchaus fest, aber dank der erwähnten Besonderheiten, fanden sich auch durchaus Anhänger der härteren Spielarten des Metals im Publikum. Deren große Stunde schlug nun mit dem Set der BUTCHER BABIES. Brüllwürfelalarm! Wenn zwei ehemalige Moderatorinnen des Playboy-Konzerns ihre Liebe zum Metal ausdrücken wollen und eine gemeinsame Band gründen, kann man mit einem eigenwilligen Ergebnis rechnen. Die Kalifornier polarisierten das Oberhausener Publikum in besonderer Weise. Jetzt war auch klar, wieso das Drumset der Support-Bands über zwei Base-Drums verfügte, Niklas Müller hatte diese Sonderausstattung eher nicht benötigt. Chase Brickenden hingegen gedachte, ordentlich auf’s Gas zu drücken. Der sehr aggressive Sound der BABIES, ein Konglomerat aus Thrash, Metalcore und Groove sorgte im Publikum für ein breites Spektrum an Emotionen, von Entsetzen, über ungläubiges Staunen bis hin zu Begeisterung. Nicht nur akustisch gab es diese Zerreißprobe. Sängerin Heidi Shepherd erschien in einer pinken Skijacke, Yogapants und giftig-gelben Schuhen mit Seiden-Rüschen-Söckchen. Ihre Kollegin Carla kam szenetypischer in Kutte mit Nieten daher, allerdings kombiniert mit einem pinken Top. Ich persönlich konnte mich für diese Modenschau aus der Hölle nicht erwärmen, aber hier soll es schließlich ja auch um die Musik gehen. Zudem gelten die beiden Fronterinnen klamottentechnisch als sehr wandlungsfähig, wie auch die völlig anderen Outfits in Hamburg beweisen sollten. Doch dazu gibt es mehr am Montag. Die BUTCHER BABIES empfingen uns mit Komplimenten (“Oberhausen, you’re fucking beautiful!”) und mit dem Song “Korova”. Auf Kroatisch bedeutet dies “Unkraut”, aber im Russischen ist die Bedeutung sehr viel unheilvoller. Die Sowjetunion betrieb von 1930 bis 1953 zahlreiche Straf- und Arbeitslager (‘Gulag’ genannt) für unliebsame Personen, die unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten. Da viele dieser Lager in den Weiten der sibirischen Tundra lagen, war die Flucht aus diesen Lagern wenig attraktiv. Wer es an den Wachen, Zäunen, Hunden usw. vorbei schaffte, musste mehrere Wochen durch lebensfeindliches, eiskaltes Gelände laufen, um die Zivilisation zu erreichen. Es gab Gefangene, die dieses Problem auf sehr bizarre Weise lösten: Sie überredeten einen Mitgefangenen zur Fluchtbeteiligung und wenn der Coup gelang, töteten sie den Genossen auf dem Weg und aßen die Teile von ihm, die auch roh genießbar waren, wie z.B. Leber und Nieren. Diese zunächst lebende und mitlaufende “Ration” war die Korova, übersetzt “Kuh”.
“Now it’s clear you were never human at all
My cow, korova, come with me
My salvation brought with me to take the fall
My cow, korova, come with me”
Die blutgetränkte Visitenkarte, die uns die BUTCHER BABIES hier ins Gesicht pfefferten, machte den Fahrplan für die nächsten 40 Minuten klar erkennbar. Heidi versuchte sich mitten im Set auch darin, einen Gesangscontest durchzuführen und ließ die verschiedenen Seiten des Hallenpublikums stimmlich gegeneinander antreten. Dass die Band übrigens auch Klargesang und Balladen beherrschte, konnte man bei “Bottom Of A Bottle” erkennen. Bei “Thrown Away” saßen die beiden Sängerinnen Rücken an Rücken. Das kurze, sanftere Intermezzo ging aber schnell vorbei, danach wurde wieder kräftig “gebutchert”. Das Publikum erwies sich leider als nicht sonderlich gut darin, im Takt zu klatschen. Der Band schien der Support trotzdem zu gefallen: “So beautiful to see you tonight. It’s an honor! We are now in a relationship, so please come to the Merch afterwards”, erklärte Heidi der verblüfften Menge. Die eher zart besaiteten Zuhörer dachten sicherlich direkt ans Schlussmachen, aber der ein oder andere hat das “Gewitter” sicherlich genossen und ist gewillt, die “Beziehung” fortzuführen. Mit dem Song “Magnolia Boulevard” vom Debutalbum “Goliath” endete das Set der BUTCHER BABIES.
Fotos: Ulli
Mein persönlicher Headliner AMARANTHE wartete nach der Umbaupause auf uns. Wie für Double-Headliner-Touren nicht unüblich, hatten die beiden großen Bands sich den europäischen Kuchen aufgeteilt. Die Schweden durften natürlich in ihrem Heimatland als Letztes auf die Bühne, ebenso in weiteren Ländern wie Belgien, Frankreich, Polen, den Niederlanden usw. Aber Deutschland, die Schweiz und Österreich waren fest in der Headliner-Hand von BEYOND THE BLACK. Die Skandinavier hatten 2020 ihr erstes Album bei Nuclear Blast veröffentlicht (Wechsel vom langjährigen Partner Spinefarm Records). “Manifest” hatte natürlich nicht genug Live-Präsenz erleben dürfen, wenn man von Festivalshows absieht. Daher war es auch keine Überraschung, dass der Eröffnungssong direkt von diesem Album stammte: “Fearless”.
Elize, bekannt für Ihre interessanten Bühnenoutfits, präsentierte sich im hautengen, glitzernden Einteiler in silber-schwarz. Ihe Truppe war indes gut aufgelegt. Wenn AMARANTHE in Bestform ist, kann man nur schwer mithalten, schließlich feuern sie aus drei Vocals-Rohren (neben Elize haben sie Nils Molin für den männlichen Klargesang und Gast-Growler Richard Sjunesson an Bord). Dazu die treibenden Beats, die Synthie-Elemente und die Gitarrenriffs, das ergibt eine beeindruckende Soundwand und eine einzigartige Mischung. Mit “Viral” und “Digital World” gab es auch gleich zwei schnelle Hits nacheinander, Atmen musste also auf später verschoben werden. “A couple of days ago we were in Munich, the audience there was fucking loud…”, baute Elize gleich mal Druck auf. Feindbild Bayern geht eigentlich immer, daher hatte sie den richtigen “Hebel” betätigt. Die Turbinenhalle war voll besetzt und das hörte man nun auch. Die neue Single “Find Life” brauchte diesen Support auch. Da hier nur Elize und Nils singen, musste die Band im Internet einiges an Kritik einstecken. Den Weggang des beliebten Growlers Henrik , genannt “GG6”, hatte nicht jeder gut verkraftet. Ich persönlich finde, dass auch die anderen beiden genug zu bieten haben, aber Growling wird als wichtiger Bestandteil der DNA von AMARANTHE angesehen, daher ist die Kritik auch verständlich. Für den Folgesong “Make It Better” hätte sich eigentlich angeboten, Jennifer Haben auf die Bühne zu bitten, schließlich gibt es dieses Lied in einer Duett-Version. Aber dies geschah nicht. Elize war auch alleine “Strong”. “Two years ago we released ‘Manifest’. Sing along!”, forderte die sympathische Fronterin die Menge auf. Weiter hinten im Set gab es auch noch mehr “Manifest”-Material in Form von “Crystalline”. Es ist schon seltsam, wie die Pandemie unser Zeitempfinden verzerrt hat. Das neue Material fühlt sich nach zwei Jahren nicht mehr neu an, auch wenn es wie gesagt erst jetzt auf die großen Bühnen geholt wird. Wir sind es nunmal gewohnt, ziemlich direkt nach einem Release die Tour dazu erleben zu können, dann ist man bei den neuen Songs noch nicht so textsicher. Aber “Manifest” ist längst gefühlt mit der Rest-Diskographie verschmolzen und wird genauso mitgesungen wie der Rest. Die Über-Ballade “Amaranthine” schaffte am Ende des Sets einen wundervollen Moment. Im Publikum wurde eng zusammengerückt und die Feuerzeuge und Handylichter ausgepackt. Auch die sanften Töne können kraftvoll sein, liebe Growl-Fanatiker! Natürlich kam es nicht in Frage, die Skandinavier einfach so von der Bühne zu lassen. Den Zugabe-Rufen beugten sie sich gern und spielten noch ein paar Songs mehr. Das brachiale “Archangel”, das ohrwurmverdächtige “That Song” und den fulminanten Schlusspunkt mit Headbang-Garantie in Form von “Drop Dead Cynical”. Einfach nur triumphal! Die Stimmung im Publikum war durchweg ausgelassen. AMARANTHE ist wie eine Gym-Session mit großartiger Musik. Man hüpft und headbangt und lässt die Energie durch sich hindurchströmen.
Fotos: Ulli
Schluss war aber noch lange nicht, denn nun kamen sie: BEYOND THE BLACK. Es handelt sich um eine Band mit wechselvoller Geschichte und sicherlich keinem “gewöhnlichen Lebenslauf”, schließlich hatten sie damals direkt auf dem Wacken Open Air debutiert und mussten zudem einen Bruch mit komplettem Line-up-Wechsel (außer Vocals) überleben. Doch aus all dem sind die Symphonic Metaler gestärkt hervorgegangen und präsentieren derzeit mit “Hørizons” ihr aktuelles Album und direkt auch das nächste, das am 13. Januar herauskommen wird und wie die Band “Beyond The Black” heißen wird. Das STONES-Intro “Paint It Black” beherzigend, schwangen Jenny und ihre Truppe den Pinsel und verpassten der Turbinenhalle einen frischen, schwarzen Anstrich. Die Fronterin posierte während des Openers “Is There Anybody Out There” mit zwei großen Leuchtstoffröhren. Interessante Performance, die man nicht häufig sieht. Die Bühne war überwiegend in rot gestaltet, durchsetzt mit schwarzen Dornen. Gitarrist Chris hatte sich dem klamottentechnisch angepasst und trug das Muster sowohl auf dem Oberteil wie auch auf den Schuhen. Mit “Lost in Forever” und “Songs Of Love And Death” ging es mit zwei Titelsongs nach der neuen Single direkt ganz zurück bis an den Anfang der Diskographie. “Es hat drei Jahre gedauert…”. Die Frustration war Jenny Haben deutlich anzuhören. “Aber jetzt sind wir hier und ihr auch. Wir freuen uns so sehr. Der nächste Song ist vom neuen Album”. “Reincarnation” erwies sich als echtes Juwel, kraftvoll und treibend. Wenn er als repräsentativ für das neue Album steht, können die Fans sich freuen. Nun wurde es Zeit für einen Kostümwechsel. War Haben am Anfang noch ganz in schwarz auf die Bühne gestürmt, wurde das Outfit nun durch ein rotes Kleid, eine Krone aus “Dämonendornenfingern” und eine Maske ergänzt, um die “Hørizons”-Single “Human” zu zelebrieren. Danach kündigte die Sängerin an, dass nun ein neuer Song folgen sollte, der noch gar nicht veröffentlicht wurde. Die Rede war von “Dancing In The Dark”, natürlich vom kommenden Album. Jennifer bewies hier Multitasking-Fähigkeiten und betätigte zeitgleich mit dem Gesang eine riesige Trommel. Hatten wir die Kooperation der beiden Headliner-Frontfrauen bei AMARANTHE noch vermisst, so wurden wir jetzt wenigstens entschädigt, denn für “Wounded Healer” betrat Elize Ryd die Bühne und performte den Song im Duett mit Haben. Wundervoll! Und auch die Menge feierte alte wie neue Songs ohne Unterschied ab. Für “Winter Is Coming” erschien Jennifer das Kleid wohl etwas zu dünn, jedenfalls warf sie sich in eine weite Hose und einen schwarzen Umhang. Auch das Banner wechselte zwischendurch von dem Bandschriftzug in Rot zu einem Raben mit ausgebreiteten Schwingen und dem Kürzel “BtB”. Die Leuchtstange vom Anfang bekam auch noch einen weiteren Einsatz. Wer mich kennt, weiß, dass ich kein sonderlich großer Fan von BEYOND THE BLACK bin. Die Marketingmaschinerie, die die noch junge Band gleich zur “Speerspitze des Symphonic Metals” hochstilisierte, kann für meinen Geschmack ruhig einen Gang runterschalten. Aber ich muss ihnen zugestehen, dass sie sich viele Gedanken über die Show gemacht und ein abwechslungsreiches Konzert angeboten haben. Es gibt genug Bands, die ihr Programm immer nur herunterspulen, ohne wirklich neue Elemente reinzubringen. Einen “Lieblingssong” habe ich trotzdem von BEYOND THE BLACK und der kam nun mit “When Angels Fall”. Auch “In The Shadows” führte uns zurück in die Ära, als BEYOND THE BLACK praktisch aus dem Nichts hochploppten und die Medienherrschaft übernahmen. Die Stimmung war jedenfalls großartig in Oberhausen und der Headliner wurde von der Halle frenetisch gefeiert. Auch die “Abstimmung via Band-Shirt” gewann BtB souverän. Als Zugabe wurden am Ende noch “Scream For Me” und natürlich das hochenergetische “Halleluja” dargeboten. Ein langer Konzertabend ging zuende und die “Symphonic”-Batterien aller Beteiligten waren erst einmal wieder aufgeladen, bis die wahren Speerspitzen WITHIN TEMPTATION und NIGHTWISH in den kommenden Wochen wieder das Szepter übernehmen! Ein letzter Dank muss an der Stelle noch ausgesprochen werden: Die Securitys verteilten Wasser an die vorderen Reihen. Vielen Dank, Jungs. So ein kleiner Energieboost macht mitunter viel aus.