Interview mit INVISIONS

SHARPSHOOTER: Heute ist eure letzte Show auf eurer Europatour mit Ariana. Wie lief die Tour bisher?

Ben: Um ehrlich zu sein – fantastisch! Es war eine ganze Weile her, dass wir das letzte Mal hier waren. Wann war das eigentlich..?

Josh: Das war 2019!

Ben: Ja. Und jetzt ist das wie eine Brise frischer Luft. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass das Feuer für die Musik während des Lockdowns erloschen war, schließlich haben wir weiter geprobt und neue Songs eingespielt, unser neues Album „DEADLOCK“ aufgenommen…

Josh: Und die Aussicht darauf, wieder live spielen zu können, hat der Motivation neue Nahrung gegeben. Es ist ein Segen, wieder zurück auf den Bühnen Europas zu sein, vor allem hier in Deutschland.

SHARPSHOOTER: Was war der bedeutendste Moment bisher für euch auf der Tour?

Ben: Oh, davon gab es einige! Aber man kann das gut zusammenfassen. Es war jeden Abend ein besonderes Erlebnis zu spüren, wie uns das Publikum empfängt und wieder aufnimmt. Es sind zwar jeden Abend andere Gesichter aber doch ist es dasselbe gute Gefühl zu merken, mit wieviel Liebe man wieder aufgenommen wird, obwohl wir so lange weg waren. Es ist etwas surreal – und doch singen sie jeden Abend zu unseren Songs. Ja, surreal und überwältigend trifft das Gefühl am besten!

Josh: Wir waren jetzt zweimal in Europa auf Tour und es ist schön, wieder auf unsere „alten“ Fans zu treffen und einen Haufen neuer Gesichter zu sehen, mit denen wir uns in der Zwischenzeit auf Social Media-Plattformen ausgetauscht hatten und nun vor uns stehen. Das tut gut!

Ben: Ja, das bestärkt uns darin, dass wir das Richtige tun.

SHARPSHOOTER: Habt ihr denn nun schon mittlerweile eine Art Tour-Routine oder kommt es bei euch noch vor, dass ihr mit einer gewissen Erwartung zu einer Tour aufbrecht, die sich im Laufe der Abende dann doch stark von der Realität unterscheidet?

Ben: Ich glaube, dass wir mit einem Minimum an Erwartungen und Reaktionen an eine Tour herangehen. Dieses Mal muss man wirklich sagen, dass die Erlebnisse und Reaktionen alles übertroffen haben, was wir uns als realistisch möglich ausgemalt hatten. Wir haben schon damit gerechnet, an einem Abend vor vielleicht nur vier oder fünf Leuten zu stehen, und dann geht man raus auf die Bühne mit der Einstellung, eben für diese vier oder fünf Leute das Beste zu geben, aber dann empfängt dich doch ein Publikum, dass du nicht mehr zählen kannst. Und mit all jenen Besuchern das zu teilen, was du am meisten liebst und mit den Leute zu interagieren, das ist schon verdammt geil!

SHARPSHOOTER: Habt ihr das Gefühl, dass die Leute, die nun zwei Jahre lang nicht mehr auf Konzerte gehen konnten, nun verstärkt das nachholen, auf was sie während des Lockdowns verzichten mussten und entsprechend enthusiastischer sind, wenn sie zu einer Show kommen?

Ben: Absolut! In dem Genre, in dem wir uns bewegen, ist eine Liveshow einfach das Herzblut, das die Musik ausmacht. Wir Bands sind mit den Fans eine Gemeinschaft, eine Familie, hier spielt das soziale Miteinander eine ganz große Rolle, vor allem die Interaktion. Für die Fans, die uns ansehen, wie viel Spaß es uns macht für sie zu spielen. Für uns, zu sehen, wieviel Spaß es den Fans macht und dass sie glücklich sind bei unserer Show dabei zu sein – das ist alles eins. Das ist das große Ganze, was das Gemeinschaftsgefühl ausmacht.

Josh: Es kamen schon einige Leute auf uns zu, für die unsere Shows die ersten Konzerte seit Beginn der Pandemie sind und die zum Teil vier, fünf Jahre darauf gewartet haben, uns live sehen zu können. Gestern habe ich auf einer Show in der Niederlanden noch mit einem Besucher gesprochen, der meinte, vor der Pandemie selten zu Konzerten gegangen zu sein, aber nun alles an Livekonzerten mitnimmt, was zeitlich und finanziell machbar ist.

SHARPSHOOTER: Im Anschluss an diese Tour geht es weiter auf eine Tour mit SPIRITBOX und es erwarten euch einige Festivalshows auf den großen Bühnen wie auf dem Hellfest und dem Graspop. Ist es für euch bei all dem, was euch in unmittelbarer Zeit bevorsteht schwierig, den Überblick zu behalten über all das, was sich sonst um euch als Band herum gerade tut?

Ben: Als wir mit der Planung unserer Liveaktivitäten angefangen haben, war es erst nur die Tour mit AVIANA, die gebucht war. Dann kam die Sache mit SPIRITBOX ans Laufen und mit ICE NINE KILLS, dann kam das erste und weitere Festivals dazu. So wurde aus einer zuerst angedachten einwöchigen Tour eine „etwas“ längere Unternehmung! Das ist ziemlich umwerfend! Aber es passiert. Und das ist gut so! Schließlich ist es das, wofür wir vom ersten Moment angefangen haben, Musik zu machen und diese live zu präsentieren. Es haut einen natürlich um, dass es plötzlich so schnell geht.

Josh: Es fühlt sich immer noch seltsam und verrückt an, dass sich so schnell diese Möglichkeiten für uns aufgetan haben. Klar, wir wollten das, aber hatten damit nicht gerechnet.

SHARPSHOOTER: Ihr habt gemeinsam im Jahr 2016 gestartet. Wenn wir jetzt die zwei Jahre pandemisch bedingte Auszeit abziehen, steht ihr quasi im vierten Jahr nach Bandgründung. Entsprechend kann man schon behaupten, dass ihr recht schnell durchstartet.

Ben: Ja, im Musikgeschäft gibt es ja kaum mehr Bands, die man als Senkrechtstarter bezeichnen kann. Manche glauben, dass es ausreicht, gut zu sein. Nein, das reicht nicht aus. Es ist ein langer Prozess, aber ich denke, wir haben unsere Lektionen gelernt, die Auszeit während Corona bestmöglich genutzt und jede Möglichkeit angenommen, die sich uns als Band eröffnet hat. Angefangen von sämtlichen Angeboten innerhalb der UK, als Supportband aufzutreten, unsere erste Headlinertour, dann auf dem europäischen Festland als Supportact für diverse Bands Fuß zu fassen. Es kommt alles eines nach dem anderen, aber man muss stets am Ball bleiben. Wir sind soweit, für nächstes Jahr eine Headlinertour in Europa in Angriff zu nehmen. Und an dem Punkt, an dem wir gerade sind, denken wir uns, dass es absolut vertretbar ist, einfach die Welle zu reiten, die sich uns gerade bietet. Und demjenigen dankbar zu sein, der uns das alles ermöglicht, wer auch immer das ist *lacht*

SHARPSHOOTER: Alle euch nun bevorstehenden Events sind auch Auswirkungen eurer aktuellen Albumveröffentlichung von „Deadlock“. Das Album hat in UK, also auch im Europa für einiges an Aufsehen gesorgt. Und das ohne den Background einer Plattenfirma. Glaubt ihr, dass es schwieriger war, ohne Plattenfirma im Rücken?

Ben: Nicht wirklich. Wir standen nicht unter dem Zeitdruck, den wir von einem Label bekommen hätten. Alle behaupten, fürs erste Album hätte man alle Zeit der Welt und ab dem zweiten geht’s dann mit dem Veröffentlichungsdruck los. Während des Lockdowns hatten wir wir die Zeit und ohne jeglichen Druck hatten wir auch die Möglichkeit, das Album auf das von uns gewünschte Niveau zu bekommen. Ich hoffe natürlich, dass unsre Fans das verstanden haben, dass wir uns die Zeit genommen haben und mit dem Ergebnis genauso glücklich sind wie wir. Somit war das eigentlich ein recht entspannter Entstehungsprozess von „Deadlock“. Das Ganze wäre aber so niemals möglich gewesen ohne unseren Gitarristen Lucas. Er hat einen Fulltimejob aber steckt einen Arsch voll Arbeit und Zeit in die Band und ist der eigentlich Pulsgeber. Seine Entschlossenheit für unser aller Traum in vollstem Maße zu arbeiten und einzustehen treibt uns mit an. Guter Junge!

SHARPSHOOTER: Ist Lucas für Euch quasi der Motor im Bandgefüge?

Ben: Definitiv! Wir haben alle unseren Antrieb, aber er ist derjenige, der einfach alles im Blick hat, wie zum Beispiel jetzt auf Tour. Lucas hat jeden Tag den kompletten Überblick über die Tagesplanung und hat jedes Detail der Planung im Kopf. Er liebt das und ist sehr gut darin.

SHARPSHOOTER: Ist er für euch schon eine Art zweiter Tourmanager?

Josh: Auf jeden Fall! Wir können auch zweifellos sagen, dass wir ohne ihn bisher nicht soweit gekommen wären, wo wir gerade stehen. Auch Connor, unser Tourmanger gibt 100%, aber die beiden zusammen sind ein unschlagbares Dream Team, das jede Band von unten nach ganz oben bringen könnte, davon sind wir überzeugt.

SHARPSHOOTER: Ihr habt hier in Deutschland schon eine respektable Fanbase. Wie fühlt ihr euch der deutschen Szene verbunden?

Ben: Die deutsche Metalszene scheint sehr interessiert an Newcomern zu sein. Als wir das erste Mal nach Deutschland kamen mit OUR HOLLOW, OUR HOME, das war 2018…

Josh: Ne, 2019…

Ben: Ok, 2019 war das dann. Wir haben auf dieser Tour schon gute Reaktionen erhalten, aber als wir das zweite Mal hier unterwegs waren, hat sich die Fanbase schon potenziert! Keine Ahnung, wie das passiert ist, aber es ging sehr schnell. Vielleicht ist hier die Szene offener und Leute gehen auf Konzerte, weil sie sich von ihren Freunden dazu überzeugen lassen.

Josh: Wir können ja anhand von Spotify gut analysieren, woher unsere Hörerschaft kommt. Jetzt kommt ja mit der anstehenden Tour mit SPIRITBOX und mit ICE NINE KILLS sowie den großen Festivalshows auf dem Hellfest und dem Graspop auch nochmal die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit eines größeren Publikums zu erlangen.

SHARPSHOOTER: Wenn wir nun zu eurem letzten Album zurückkehren, wie würdet ihr „Deadlock“ mit drei Sätzen beschreiben?

Ben: Emotional. Hart und eine Reise. Das wären die drei prägnanten Schlagworte, die ich verwenden würde, da sich „Deadlock“ im Prinzip um all das dreht. Wie würdest du die Platte beschreiben?

Josh: Wahrhaft, dynamisch, hochenergetisch. Jeder Song hat sein eigenes Thema, von profan bis herzbewegend. Es ist das bisher umfangreichste Album, das wir geschrieben haben und umfasst mehr als nur Alkoholkonsum *lacht*.

SHARPSHOOTER: Was bedeutet das Album für euch im aktuellen Status Quo als Band?

Ben: Alles. Es ist auf dem Stand einer Ausgeglichenheit im Gefüge des echten Lebens und der Möglichkeit, seinen Traum leben zu können. Wir alle leben diesen Traum, und es ist schon klar, dass man für einen Traum auch etwas opfern muss. Und das, was wir jetzt erleben, ist die Opfer mehr 100% wert.

Josh: Ja, man muss für seine Begeisterung einiges opfern. Zeit mit der Freundin – der komplette Urlaub geht eben für die Band drauf. Oder auch mal der Job. Meinen Job habe ich vor der Tour auch an den Nagel gehängt, da ich seitens des Arbeitgebers nicht die Möglichkeit eingeräumt bekommen habe, unbezahlten Urlaub über den Zeitraum der Tour nehmen zu können. Die Chance auf diese Touren und die Festivalshows wollte ich mir nicht nehmen lassen. Es gibt genug Möglichkeiten, im Anschluss wieder in einen 9-to-5-Job zu kommen. Also nutze die Chancen, die sich dir bieten, so schnell kommen sie nicht wieder.

SHARPSHOOTER: Gibt es einen Song auf dem Album, der euch im Songwritingprozess Schwierigkeiten bereitet hat?

Ben: ‚Half Life’ war so ein Kandidat.

Lucas: Den Chorus haben wir mindestens 15x umgeschrieben. Den instrumentellen Teil hatten wir ziemlich schnell fertiggestellt, aber an den Lyrics haben wir wirklich lange herumgedoktert.

SHARPSHOOTER: Was ist euer nächster Schritt als Band nach den Touren?

Ben: Weiter touren! Jede Möglichkeit ergreifen, die sich uns auftut. Wie schnell das gehen kann, haben wir jetzt schon festgestellt. Klar, ein paar Tage Auszeit daheim stehen auf dem Plan, aber dann sind wir schon wieder auf dem Sprung, um im September in UK einige Shows zu spielen. Ende Oktober/November wollen wir wieder in Europa unterwegs sein. Für nächstes Jahr haben wir auch schon Pläne, aber die sind noch nicht spruchreif.

Josh: Wie Ben schon erwähnt hat, touren, touren, touren, und jede Möglichkeit ergreifen, uns auch im Vorprogramm anderer Bands zu präsentieren. Das ist uns auch etwas wichtiger als eine eigene Headlinertour oder sich direkt in die Produktion des nächsten Albums zu stürzen. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir noch die schlechte Angewohnheit, gute Alben zu schreiben, diese aber nicht genug live zu präsentieren, also müssen wir diese Angewohnheit ablegen *lacht*

SHARPSHOOTER: Eine letzte Frage noch – was für ein Gefühl ist das, wenn man bei der Veröffentlichung eines Album eventuell entscheiden muss, dass der Release für den einen oder anderen Song einerseits die Geburt als auch gleichzeitig seine Beerdigung ist, da nicht alle Songs eures Repertoires Platz auf der Setlist finden?

Ben: Der Gedanke ist auch schon in unseren Köpfen herumgegeistert, aber wir proben weiterhin alle Songs, damit wir die Setlist von Gig zu Gig auch mal etwas anpassen können und jeder Song die Möglichkeit bekommt, live gespielt zu werden. Man entscheidet dann im Laufe der Tour anhand der Reaktionen aus dem Publikum, welcher Song früher „in Rente“ geht.

 

Wir danken den Jungs für die Zeit, sich unseren Fragen zu stellen und für die tolle und energiegeladene Show, der wir direkt im Anschluss beiwohnen konnten. In der Bildergalerie findet ihr noch ein paar Liveshots einer jungen Band, die es wert ist, in näherer Zukunft im Auge behalten zu werden!

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Fotos: Ulli
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