Review: Stefan Kleinkrieg – Die Sonne scheint für alle
STEFAN KLEINKRIEG ist eigentlich schon alt, das kann man ganz ehrlich sagen, ohne böse zu sein. Und er hat eine bewegte Geschichte, insbesondere als Teil der Hagener Formation EXTRABREIT. Nun könnte man denken, solch ein Mann sagt sich in Zeiten wie diesen, wo man vom Staat förmlich in die Arbeitslosigkeit gezwungen wird, „ok, das reicht, ich gehe jetzt in die Rockerrente.“
Ja, das könnte man denken… Dass dieser Gedanke falsch ist, erkennt ihr natürlich daran, dass ihr jetzt hier einen Beitrag über ihn in der Rubrik „Review“ lest. Also nix da mit Rente, sondern die „ruhige“ Zeit für die Freisetzung kreativer Energie genutzt.
Zuerst gab es ein neues Album von EXTRABREIT (lest die Review dazu hier) und auch danach wurde es nicht ruhiger, denn Stefan hat zwei Soloalben produziert. Um eines namens „Die Sonne scheint für alle“ wird es hier jetzt gehen, denn dieses steht euch ab dem 25. Februar zur Verfügung.
Was soll ich sagen? Nein, Stefan hat das Rad nicht neu erfunden und er macht jetzt auch nicht etwas ganz anderes, als er eh schon mit EXTRABREIT gemacht hat. Aber das, was er macht, kann man gut mit dem DIE ÄRZTE-Zitat „Alles ist Punk“ zusammenfassen und feststellen, dass er es sehr gut macht. Wir bewegen uns überwiegend im relaxten und bluesigen Rock, allerdings funkelt auch ab und an ein bisserl Shoegaze und Rockabilly durch. Also schon so ein bisschen Südstaatenrock vom östlichen Rand des Ruhrpottes.
Und das ist als richtig clever zu bezeichnen, denn so lenkt die Musik nicht von den Texten ab, sondern unterstützt die Bilder, die Stefan da malt. Und er malt sehr simpel und klar, ohne irgendwie abstrakt oder expressionistisch zu werden.
Mit rotzfrechen Worten erzählt Stefan Geschichten aus dem Leben, die sich manch einer so eigentlich auf dem letzten Werk mit seinen Kollegen gewünscht hätte.
Die Sonne scheint für alle
Eröffnet wird die Platte mit „Billiges Benzin“, welches das Leben von Rockstars in einer Art Road Movie erzählt. Nix da mit „Sex & Drugs & Rock’n’Roll“, sondern beten für billiges Benzin. Real Life, erzählt in Worten der Arbeiterklasse, besser geht es kaum. „Nicht so schwer“ erinnert musikalisch einmal mehr an die Stones und schafft textlich eine zeitlose Hymne aufs Leben, die so schon Anfang der 70er hätte erschienen sein können, oder auch erst in 2035, Kunststück. Auch „Positiv denken“ ist ein wunderbarer Ratgeber für ein relaxtes Leben, mit ein paar wunderbaren Seitenhieben gegen die Errungenschaften der modernen Welt, wie zum Beispiel Social Media. Thematisch bleiben wir in diesem Rahmen, Stefan gibt auch in „Glückshormon“ eine launische Beschreibung fürs Leben. Da spricht der „weise alte Mann“, ganz ohne erhobenen Zeigefinger oder Moralkeule, da hört man gerne zu. Konzipiert in schönem Laut/Leise- und Langsam/Schnell-Stil und somit schön abwechslungsreich. „Die Sonne“ ist da schon etwas böser und serviert uns Erkenntnisse wie „…das Leben endet leider tödlich und das Schicksal ist ein Schwein…“, mehr muss dazu gar nicht gesagt werden, lauscht der Geschichte einfach selbst, highly recommended.
Ich möchte an dieser Stelle ein paar Lieder überspringen (nein, nicht skippen, sondern einfach unbeschrieben lassen) und nur noch ein paar besondere Stücke einzeln erwähnen, den Rest müsst ihr schon selbst erkunden. Für Orts- und Musikkundige ist da zum Beispiel „Wilhelmsplatz“ [ehemaliger Hotspot in Hagen Wehringhausen, heute leider nur noch Krisenviertel] ein sehr interessanter Titel, der direkt etwas rockiger startet. Es ist eine Hommage an längst vergangene Zeiten, die so gar nicht angestaubt oder „ewig gestrig“ wirkt, sondern eher dazu aufruft, es wieder auferstehen zu lassen. „Autoscooter“ ist ein schnorriger Rückblick auf die eigene Jugend, mitreißend vorgetragen in „fetzigem“ Style mit leichten Anleihen bei Billy Idol, klarer Anspieltipp! „Kralle“ ist ein herrliches Rockabilly-Stück mit einer bewegten Geschichte, erblickte es doch bereits vor knapp 40 Jahren das Licht der Welt und das auch noch auf einem UDO LINDENBERG-Album! Und hier wird auch sofort der Beweis geliefert, dass sowohl der Text, als auch die musikalische Umsetzung immer noch topaktuell sind.
Ihr bekommt hier satte 15 Titel Songwriter-Kunst, zuzüglich zweier Bonustracks und ihr solltet euch Zeit dafür nehmen, das ist kein Album zum „nebenbei hören“.
Fazit
Musikalisch eher relaxt und gediegen, mit ein paar energetischen Ausreißern, textlich extrem cool und interessant. Quasi ein gesungener Rückblick auf ein bewegtes Rockstarleben, ohne irgendwie altmodisch zu wirken. Und obwohl ich dringend empfehle, das Album als Ganzes durchzuhören, möchte ich euch hier gerne „Die Sonne“, „Autoscooter“, „Kralle“ und „Amphetamin“ als Anspieltipps ans Herz legen.
Weiser Mann, bitte geh noch lange nicht in die Rockerrente und erzähl uns noch mehr!
Bewertung: 7/10
Facts:
Artist: Stefan Kleinkrieg
Release: Die Sonne scheint für alle
Label: Premium Records/ Soulfood
Release Date: 25.02.2022
Quellen: Überall, wo es gute Medien gibt
Tracklist:
Benzin
Nicht so schwer
Positiv denken
Glückshormon
Die Sonne
Erika
Die Tage
Nie wieder jung
Wilhelmsplatz
Autoscooter
Kralle
Amphetamin
Grüne Inseln
Alte Liebe
Nur so ein Gefühl
Vergib mir (Bonus)
Les Jeux Sont Faits (Bonustrack)
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