Interview: „Wir sind einfach mal so, wie wir sind“ – Interview mit Jennifer Haben von BEYOND THE BLACK
CD-Release mit Studio-Album Nummer 4 „Hørizøns“ am 19.Juni, Autokino-Konzerte in Stuttgart und Oberhausen – die Musiker von BEYOND THE BLACK haben einige Termin-Highlights vor sich in diesem Monat. Mit Frontfrau Jenifer Haben haben wir uns zum Skype-Interview getroffen und über die anstehenden Konzerte, Songwriting und Proben und Videodrehs während Corona gesprochen.
Warum habt ihr euch für den Albumtitel „Hørizøns“ entschieden? Beschreibt euer neues Album in eigenen Worten bzw. wie ordnet ihr es in die Geschichte der Band ein?
Jennifer: “Zunächst zu dem Albumtitel. Es ist genau richtig, dass man das geschichtlich sehen muss, weil wir uns dafür oder gerade auch deswegen für den Titel entschieden haben, weil dieses Album von Anfang an so gedacht war, neue Horizonte für uns zu öffnen, oder zumindest, dass wir neue Horizonte für uns erforschen. Wir haben uns musikalisch definitiv ein bisschen verändert, machen ein bisschen weniger symphonische Elemente, ein bisschen mehr elektronische Elemente, ein bisschen moderner. Wir haben uns das auf jeden Fall vorher auf die Fahne geschrieben, uns ein bisschen zu verändern, bevor wir das Album geschrieben haben und so ist natürlich auch textlich ein bisschen was passiert, aber das hat eigentlich mehr mit persönlicher Entwicklung zu tun, glaube ich, als dass es mit bandhistorischen Entscheidungen zu tun gehabt hätte. Es ist halt einfach so, dass ich trotzdem diese Band mit 18 Jahren gegründet habe und dann doch relativ viel passiert ist und man dann persönlich viel, viel tiefer in Sachen einsteigt, in Gedanken einsteigt. Vor allem jetzt durch „Sing meinen Song“ und durch alles, was jetzt die letzten ein oder zwei Jahre so passiert ist, habe ich persönlich das Gefühl gehabt, echt noch mal einen großen Schritt weitergekommen zu sein oder tiefergekommen zu sein irgendwie und genau das haben wir jetzt bei dem Album abgebildet. Auch eben dieses sich trauen, den Leuten zu zeigen: Man geht vielleicht eine unangenehme Richtung, aber eine, die man selber für richtig hält. Und genau das beschreiben wir eigentlich in unseren Songs. Wir wissen das genau, wenn wir einen Song wie „Misery“ als erste Single picken, dass das erst mal nicht die entspannteste Variante ist, Leute -vor allem Metal-Fans – von unserer Band zu überzeugen. Aber genau das sind die Sachen, die wir zeigen wollen auf dem Album speziell. Wir sind nicht wie alle anderen Bands. Wir sind einfach mal so, wie wir sind. Wir haben diese Einschnitte von allen Genres dieser Welt, die wir selber auch gerne hören und die wollen wir nicht verstecken, nur weil es nicht erlaubt zu sein scheint. Und das war einfach auch so ein bisschen das, was wir damit auch zeigen wollten, dass wir halt uns nicht dem verschließen und sagen: „Okay, wir haben uns jetzt für Symphonic-Metal entschieden und da bleiben wir auch für immer, sondern wir geben uns die Freiheit, einfach uns zu sagen „Ey, wir machen das, worauf wir jetzt gerade Bock haben“. Und wir hoffen, dass so viele BTB-Fans wie möglich den Weg mit uns zusammen weitergehen. Das ist halt einfach eine Entwicklung für die gesamte Beyond-the-Black-Family sozusagen und das ist eigentlich der Hintergrund zu allem und zu dem gesamten Album.”
Wieviel von jedem Einzelnen steckt in dem neuen Album?
Jennifer: “Wir haben uns eigentlich ganz pragmatisch unsere Tour-Playlist angeschaut, was wir uns selber anhören, wenn wir auf Tour unterwegs sind, was so die Sachen sind, wo wir am meisten irgendwo auch zuhören können und sich auch alle freuen. Und dann haben wir uns gefragt, was ist denn das Element, was da am meisten mit drin ist, was wir vielleicht zu dem addieren können, was wir normalerweise auch selber machen. Dass wir da dann im Endeffekt gelandet sind, dass wir weniger symphonische Elemente drin haben, hat eigentlich nur den Grund, weil wir etwas Anderes hinzugefügt haben, was dann zu viel geworden wäre, wenn man alles in allem drin gehabt hätte. Das war dann der neue Schritt zu sagen, wenn wir das haben, können wir das Andere nicht mehr so viel bedienen, aber wir haben es ja trotzdem nicht komplett irgendwie eliminiert, sondern es hat sich einfach nur ein bisschen verschoben:
Ein bisschen unsere Bandgeschichte darin zu verarbeiten. Zu sagen „Breaking out of Misery“ oder „Out of the Ashes“ das sind alles Bilder dafür, dass wir sagen „Hey, wir verstecken uns nicht“. Wir nehmen jetzt nicht, was wir zugeschrieben bekommen, sondern wir brechen aus dem aus. Auch persönlich kann man das auf alles übertragen, was bei uns gerade so passiert und genau das war der Prozess – auch der Albumprozess. Wenn man bedenkt, „Misery“ war der erste Song, der für dieses Album fertiggestellt wurde, weil das einfach auch für uns so ein Punkt war, wo wir gesagt haben, wir müssen jetzt mal etwas schreiben, was so anders ist, dass es uns selbst davon befreit, was wir vorher gemacht haben. Weil du denkst natürlich immer an deine Fans und was könnten sie vielleicht mögen und so. Das kannst du gar nicht ausschließen, oder du versuchst es so sehr. Aber im Endeffekt war der Song dann doch der Schlüssel für uns zu sagen, wir haben uns jetzt so sehr getraut, was so Anderes zu machen, jetzt können wir uns eigentlich nur dem annähern, was unsere Fans vielleicht noch mehr von uns erwarten sozusagen. Und wissen das aber als ganz natürlichen Schritt für uns selber und müssen darüber gar nicht mehr nachdenken und das war ein total geiler Schritt für uns alle, glaube ich. Einfach zu sagen, wir machen jetzt mal was ganz Anderes und wir wissen, das wird total kontrovers sein, aber das hat uns einfach total befreit. Als ob wir von der anderen Seite darangegangen wären.”
Wie läuft der Prozess von der Idee zum fertigen Song ab?
Jennifer: “Man kann es nicht verallgemeinern, trotzdem ist es bei uns meistens oder in der Vergangenheit muss man sagen so, dass ich mich mit Chris oder mit Stefan zusammengesetzt habe – also meinem Gitarristen und Bassisten – wir dann zu zweit oder zu dritt an Songs oder an Songideen gearbeitet haben. Damit dann zu unserem Produzenten gegangen sind und das dann zusammen finalisiert haben. Meistens war das der Fall. Es gab auch andere Situationen, aber prinzipiell war das so das Grundgerüst für vor allem das letzte Album. Dieses Album haben wir auch das ein bisschen erweitert, ein bisschen rumexperimentiert. Wir hatten 6 Monate Zeit, um überhaupt nur auszutesten, zu gucken, in welche Richtung wir wollen. Wir sind dann erst Anfang diesen Jahres zu unserem Label gegangen und haben gesagt: So, das sind die Songs, die wir auf dem Album haben wollen. Was haltet ihr davon? Und bis dahin hatten wir Zeit, das komplett auszuprobieren. Da war es zum Beispiel so, dass wir „Misery“ – den ersten Song – auch als komplette Band geschrieben haben und uns da als komplette Band irgendwie eingeschlossen haben. Auch mit einem Produzenten, mit dem wir bisher noch nicht gearbeitet haben. Also wir haben echt viel, viel ausprobiert und haben da auch rausgefunden, dass dann aus solchen Situationen dann natürlich auch neue Dinge entstehen und auch coole Dinge entstehen. Die erste Frage, die dann im Kopf erscheint ist dann wahrscheinlich: Warum habt ihr das vorher noch nicht gemacht? Aber dazu kann man natürlich auch gut sagen, dass es bisher noch nie so war, dass wir wirklich 6 Monate hatten, um Dinge auszuprobieren, und dann zu sagen, okay, wenn es nicht klappt, dann ist es auch nicht schlimm. Da hat man sich automatisch auf die Sachen konzentriert wo man wusste, dass sie sowieso funktionieren. Und man sagt ja immer so schön: „Viele Köche verderben den Brei“. Bis zu diesem Album haben wir uns das nicht getraut und jetzt, weil wir eigentlich ja auch Bock darauf hatten, das mal auszuprobieren, haben wir es dann dieses Mal gemacht und dann auch gemerkt, es funktioniert, es ist geil und ich gehe mal stark davon aus, dass wir das bei dem nächsten Album auch noch öfter so machen.”
Wie sahen die Proben zur Zeit von Corona für das neue Album aus?
Jennifer: “Also wir haben uns die ersten Monate gar nicht gesehen, weil wir das auch sehr ernstgenommen haben und auch gedacht haben, also wir wissen ja jetzt auch, dass es keine Live-Konzerte geben wird und es bringt einfach nichts, das zu riskieren, irgendwie aus verschiedenen Bundesländern da zusammenzukommen. Auch wenn der Großteil der Jungs ja tatsächlich aus dem gleichen Bundesland kommt, aber trotzdem war das ein Faktor, den man sich definitiv überlegt hat, weil man nicht sowieso täglich miteinander arbeitet oder sowas. Jetzt war es natürlich so, dass man irgendwann auch gemerkt hat, okay, jetzt kommen langsam Lockerungen und jetzt gibt es natürlich auch diese Hauptsingle, die auch TV-Spots hat und so weiter. Dafür braucht man natürlich Bildmaterial. Das war so der erste Punkt, wo man sich dann klar überlegen musste, können wir dazu jetzt ein Video drehen oder können wir das nicht? Und das war so der erste Punkt, wo wir dann gesagt haben, okay, das ist nun mal wichtig, damit wir mit unserem Job weiterkommen und alle anderen müssen auch alles abwägen, so wie sie es halt für richtig halten, das nicht zu sehr, dass wir natürlich nicht leichtfertig Sachen machen, das haben wir noch nie gemacht, aber halt irgendwie so, dass man halt trotzdem nicht zu sehr drunter leidet. Und das war so der Punkt, wo wir uns zum ersten Mal getroffen haben. Aber erst vor zwei Wochen oder so war das. Da haben wir das Video gedreht. Und vorher haben wir uns nicht getroffen und jetzt ist aber doch so, dass wir sagen, jetzt haben wir wieder Autokino-Shows und da werden wir uns natürlich noch mal treffen zum Proben, weil wir wollen jetzt auch den Fans, für die wir spielen, auch keine Scheiße abliefern. Deswegen haben wir uns dann gestern auch noch mal zum Proben getroffen, also das erste Mal und werden uns jetzt auch noch mal zum Proben treffen. Das muss schon alles irgendwie weitergehen. Alle anderen versuchen ja auch jetzt irgendwie ihre Arbeit wieder normal aufzunehmen und das muss man auch ein bisschen in der Richtung sehen. Wie gesagt: Wir machen nie etwas leichtfertig. Wir haben zum Beispiel die Single „Wounded Healer“ und „Golden Pariahs“, die waren ja eigentlich auch geplant als normaler Videodreh. Das haben wir dann auch auf Lyrik-Videos umgemünzt, weil wir uns dann in der Zeit einfach gar nicht treffen wollten. Wir haben auch schon Lyrik-Videos rausgebracht, das ist dann auch okay, dass man das so macht. So haben wir das halt für uns entschieden.”
Was glaubt ihr, was euch auf den Autokinokonzerten erwartet? Welche Gefühle habt ihr diesbezüglich? Stellt ihr es euch schwierig vor, in diesem Format Emotionen der Musik und von euch zu übertragen?
Jennifer: “Es wird natürlich voll strange erstmal, es wird ganz, ganz anders. Aber ich glaube, wenn wir das richtig machen – und wir zerdeppern uns die Köpfe gerade – weil wir das halt einfach geil machen wollen. Wir haben uns echt viele spezielle Dinge überlegt und ich bin guter Dinge, dass das wirklich cool wird. Ich glaube, vor allem ist es für Zuschauer noch mal was anderes, als für die Band. Ich glaube, wenn du da im Auto sitzt und du hast ne geile Soundanlage in deinem Auto und kannst den Lautsprecher so laut stellen, wie du willst, ist das vielleicht sogar besser, als wenn du in einer Menge stehst an einem falschen Punkt und da einen schlechten Sound hast. Da hast du die gleichen Chancenverhältnisse und deswegen glaube ich, dass das sogar richtig geil sein kann. Wie wir dann die Stimmung da aufheizen, das liegt ja dann so ein bisschen an uns. Ich glaube, das kann geil sein – auf jeden Fall! Es wird aber tatsächlich erst mal anders!”