KNASTERBART – ein feucht – fröhliches Gossengelage in Köln

Funktioniert das Gassenhauer – und Klamauk-Rezept der Bande KNASTERBART eigentlich nur auf dem Mittelalterlich Phantasie Spectaculum (MPS) und auf ähnlich gelagerten Festivals? Oder locken die Jungs auch genug Leute an, wenn in Konzerthallen gespielt wird, statt unter freiem Himmel? Um diese Frage zu klären, besuchten wir das Köln-Konzert der “Perlen vor die Säue”-Tour. Schon gleich beim Betreten der Essigfabrik wurde klar: Es wird tatsächlich voll! Die Stimmung war von Anfang an ausgelassen und fröhlich, die Umsätze bei Bier und Ähnlichem müssen außerordentlich hoch gewesen sein. Denn für ihre Trinkfestigkeit sind die MPS-Gänger und generell die Anhänger der Folk- und Mittelalterszene ja bestens bekannt.

Das Backdrop der Bühne verriet, wer heute den Anheizer machen würde: MacCabe & Kanaka kennt man ebenfalls vom Spectaculum. Doch als es dann losging, wurde einer schmerzlich vermisst: John Kanaka war nirgendwo zu sehen, die Truppe trat heute als Duo aus Brian MacCabe und Gregor Sintram auf. Ersterer entzückte wie immer durch seine Ansagen in gebrochenem Deutsch, der Ire musste ein ums andere mal durch Gregor “übersetzt” werden. Die stimmungsvollen Shantys und abwechselnd a capella und mit Akustikgitarre/Mandolinen-Unterstützung vorgetragen, maritimen Lieder zogen das feierwillige Publikum gleich in ihren Bann. Die unterhaltsamen Geschichten, die zwischendurch erzählt wurden und die Hintergründe der Songs erläuterten, waren durchaus interessant. Zum Beispiel die Legende, dass in Zeiten eines Bierverbotes (Das Publikum reagierte mit Entsetzen auf dieses schreckliche Wort) einfallsreiche Leute damit begannen, Alkohol aus vergorenen Äpfeln zu brauen und so den Cider erschufen, der “Tote auferweckt und Lebende krank macht”. Die spärliche Instrumentierung der beiden lustigen Barden war kein Manko, sie glichen das Ganze mit kräftigem Gesang wieder aus. Das Publikum intonierte derweil das Fehlen von John Kanaka durch lautes Skandieren von “MacCabe und…”, “MacCabe und…”.

Zwischendurch war dann auch durchaus Mitwirkung gefragt: Ein Zuschauer wurde als ruhender Mittelpunkt erkoren, um den sich dann eine Art Kreisbewegung der übrigen Anwesenden formte, um das Betätigen einer Ankerwinde zu imitieren. Wurde schon ein Guinessbuch-Eintrag für den langsamsten Circle Pit aller Zeiten vorgenommen? Spaß hat es auf alle Fälle gemacht.

20200208_MC_Cabe_Koeln-04

Bild 1 von 12

Fotos: Andreas Theisinger

Nach diesen vergnüglichen Zwischenspiel betrat pünktlich um neun  die Bande KNASTERBART die Bühne und zelebrierte gleich mal den Titelsong von Album und Tour: “Perlen vor die Säue”. Dass das Lied im Grunde die Verschwendung des Talentes der Band und ihrer Darbietung an unwürdige Zuhörer zum Thema hat und somit eigentlich das Publikum beleidigt, schien dieses nicht zu stören, schließlich war hier kaum jemand anwesend, der nicht ein gerüttelt Maß an Humor vorzuweisen hatte. Die Kostümierung der Band muss noch lobend erwähnt werden: Das Image als “Gossenband” wurde nämlich auch visuell unterstützt durch das Tragen von überwiegend brauner, geflickter Lumpenkleidung, verschlissenen Hüten und schmutzig geschminkten Gesichtern mit roten Säufernasen. Die Liebe zum Detail war hier wirklich großartig. Mit “Ringelpietz am Kiez” blieb man der aktuellen Platte danach auch gleich treu. Natürlich durfte auch einer der ersten Songs “Sauf mich schön” nicht fehlen, der sogar noch vor Bestehen der eigentlichen Band KNASTERBART von Malte “Hotze” Hoyer geschrieben worden war. Das sehr humoristische Lied “Mein Stammbaum ist ein Kreis” besticht durch die Beschreibung sehr komplizierter Verwandtschaftsverhältnisse in den Strophen. Der scheinbare Widerspruch zwischen Gossen-Saufliedern und dem Soundtrack zu Kneipenschlägereien  auf der einen und qualitativ hochwertiger Musik mit durchaus nicht anspruchslosen Texten auf der anderen Seite wird von KNASTERBART bravourös aufgelöst. Damit unterscheidet sich die Truppe auch von vielen Genrekameraden, denen meist eine simple Songstruktur mit häufigen Wiederholungen genügt. Die Verwandtschaftsthematik wurde auch noch einmal von der Bühne hinab angesprochen von Simon “Fummelfips” Erichsen, der liebevoll alle seine Verwandten und jene, die dazugehören, ohne es zu wissen, grüßte. Zwischendurch wurde dann auch nicht vor Klassikern der Musik- und Filmgeschichte Halt gemacht: Aus dem allseits beliebten Soundtrack zu “Ghostbusters” wurde kurzerhand “Go Knaster!” und der König aller Ohrwürmer des Todes “Cotton Eye Joe” wurde ebenfalls erbarmungslos eingepflanzt. Der nächste Höhepunkt war dann die Single “Laich mich ein”, zu der es übrigens ein schönes Video auf Youtube gibt. Das kräftige Mitsingen der gut gefüllten Halle zeigte, dass KNASTERBART sich mittlerweile jenseits von MPS und Co. eine treue Fanbase erarbeitet haben. Wobei “Arbeit” im Universum der Vagabunden eher ein Schimpfwort darstellt. Nach Absolvieren des “Gossenabiturs” war natürlich noch nicht Schluss, sondern es wurden noch vier Zugabe-Perlen vor die wartenden “Säue” geworfen. Darunter war auch eine herzallerliebste Performance mit Kinderinstrumenten und Kinderstimmen, die einfach jeden zum Lachen brachte und eine Hommage an Bandleader Hotze mit dem ironischen Song “Heiliger  Hotze”.

Auch wenn unser Redakteur eigentlich in ganz anderen Gebieten wildert und einer seicht-fröhlichen Kneipenatmosphäre mit Gegröhle und Co. normalerweise skeptisch gegenübersteht, konnte er nicht umhin zuzugeben: Das war ein Riesenspaß! Gerade weil die Texte durchaus zum Nachdenken anregen und nicht einfach nur stumpf sind und weil man merkt, wieviel Passion und Enthusiasmus die Bandmitglieder in ihre Performance legen (Hier muss noch das wahnsinnig mitreißende Spiel von Violinist Fidolin hervorgehoben werden!), muss man einfach den speckigen Hut vor ihnen ziehen und – in Bezug auf die Eingangsfrage – konstatieren: Ob zwischen rauchenden Lagerfeuern und Tavernen oder in klassischen Konzerthallen: Das Rezept der Bande KNASTERBART gelingt allenorten vortrefflich!

SETLIST KNASTERBART KÖLN

  1. Perlen vor die Säue
  2. Ringelpiez am Kiez
  3. Mein Körper ist ein Tempel
  4. Kneipenschlägerei / Backpfeifensonate in d-moll
  5. Sauf mich schön
  6. Mein Stammbaum ist ein Kreis /Cotton-Eye-Joe / Go Knaster!
  7. Bambis Mama
  8. Gossenhauer
  9. Gib dich auf
  10. Laich mich ein
  11. Lieber widerlich als wieder nich’!
  12. Gossenabitur

Zugaben:

  1. Geboren um zu sterben
  2. Branntwein für alle
  3. Heiliger Hotze
  4. Ich werd’ zu alt

20200208_Knasterbart_Koeln-13

Bild 1 von 23

Fotos: Andreas Theisinger

 

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner