Harte Bässe und sarkastische Sprüche statt Weihnachtsbraten – Das Darkstorm Festival 2019

Erst wollte ich mit einem Witz anfangen… Auch wenn OST+FRONT spielt – Karl Marx.

Aber dann dachte ich, wir sind Mal etwas seriös. Direkt dachte ich an solche Investigativjournalisten von Youtube.

Es beginnt, wie ich im Auto sitze. Eine Rückblende vor 8 Jahren auf der Autobahn nach Chemnitz. Fröhlich, wie ein Anhänger der Schwarzen Szene nur sein kann, sieht man mich, wie ich einem vollem Konzertabend entgegenfahre. Jetzt sieht man einen verlausten Hippie mit grünen Dreads (ok, das verlaust habe ich mir ausgedacht, behaupte ich mal so). Mit sanfter aber bestimmter Stimme hört man irgendjemanden reden: “Jahrelang war er in der Szene. Nun bricht ein Insider sein Schweigen und kehrt zurück an die Orte seiner Vergangenheit. Was wird er erleben? Wie denkt er heute darüber? Wir werden es erfahren”.

Ich habe mich extra passend gekleidet. Schwarzes T-Shirt, also wie immer, aber eine schwarze Jeans, statt der bunten Flatterhose. Fast wollte ich sogar die Springerstiefel entstauben, um mich richtig zu tarnen – naja ich blieb bei Turnschuhen. Hoffentlich enttarnt mich niemand. Wie ist es, nach so langer Zeit der „Gurfti Szene“ einen Besuch abzustatten? Wie sind die inzwischen so? Und warum haben die wie ich am ersten Weihnachtsfeiertag nichts Besseres zu tun, als in der wunderschönen Chemnitzer Stadthalle ihren freien Tag zu verbringen?

Also rein ins Auto und durch den weihnachtlichen Schnee. Natürlich nur ein Witz, Schnee, liebe Kinder, kennt ihr nicht. Braucht ihr auch nicht kennenlernen, gibt’s in der Zukunft eh nicht mehr. Also kurz um… Regen. Überall Regen. Vielleicht passt es ja auch besser zur Stimmung? Ich wage den Versuch!

Schwer zu finden ist die Halle nicht. Parkplätze kein Problem, notfalls auch im großen Parkhaus direkt neben der Stadthalle. Leider, leider, leiiiider habe ich OST+FRONT bis auf wenige Sekunden verpasst. Sie spielten in der großen Halle. Ein Kumpel, den ich zufällig treffe, frage ich, ob er mit zu MASSIVE EGO kommt. “Gleich spielt doch TANZWUT?!” Aber ja, denn es gab zudem noch die kleine Bühne, die er noch gar nicht entdeckt hatte. Vorbei am großen Saal, einen langen Gang lang, da versteckte sie sich. Klein, flach und unspektakulär musste man sie wirklich erst einmal suchen. So unspektakulär wie die Bühne, war auch der Aufbau von MASSIVE EGO. Die 3 Briten hatten bis auf sich selbst und ihren Instrumenten auch nahezu keine Deko auf der Bühne. Irgendwo zwischen EBM und FuturePop brachten sie die Leute zum Stampfen. Später gedenken sie noch ihrer guten Freundin Marie Fredriksson, der leider vor kurzem verstorbenen Sängerin von ROXETTE.

Wer Spaß wollte, der konnte ihn dann wieder in der großen Halle haben. Klar, ihr habt diese echt schlechte Überleitung verstanden. TANZWUT kaperten die Bühne und präsentierten ihr neues Album Seemannsgarn. Die Mittelalter-Barden sollen sogar noch den größten Bühnenaufbau gehabt haben. Sogar einen Schiffsbug haben sie dabei.

Einen super Tipp hatte Sänger Teufel. “Wir wollen jetzt gerne ein Foto mit euch machen. Wir wissen.. Datenschutz und so, also wer nicht zu sehen sein möchte, hat nun die Möglichkeit sein Beinkleid bis zu den Knien herunterzulassen, einen Kopfstand zu machen und sich damit zu zensieren”. Ein wirklich sehr guter Tipp, wenn gleich ich glaube, dass ein Handstand eine bessere Bildwirkungen hätte.

TANZWUT

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Fotos: Florian Schulz

Zurück in der kleinen Halle war ich überrascht, wie groß diese kleine Bühne doch wirken kann. Außer 3 Mexikanerin stand nur ein Schlagzeug auf der Bühne. OK, sorry, ich muss es einfach erwähnen, weil ich einfach schmunzeln musste – Ein kleiner Tritt stand auch noch direkt vorm Mikrofon. Natürlich spielen grade RABIA SORDA. Auf wen würde sonst auch die Beschreibung passen? Aber würden nicht Ho-Ho-Hocico besser passen? Ach, ich scherze wieder. An dieser Stelle würde mich ein Schrittzähler von Sänger Erk interessieren, als er über die Bühne hin und her flitzt. Leider gab es hier und dort einige Sound Probleme. Irgendwie gab es ständig Störgeräusche. Leider kann ich nicht sagen, ob es später besser wurde, denn ich wollte einmal zur nächsten Band schauen.

RABIA SORDA

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Fotos: Florian Schulz

Aber warum flitze ich so umher? Es spielen zwei, also gesamt vier Bands absolut zeitgleich. Sogar die Pausen sind gleich. Dort scheint jemand nicht mitgedacht zu haben. Auf jeden Fall braucht man viele Nerven, wenn man zwischen den Konzerten mal kurz wo hin möchte. Wenn zudem die Leute auch noch mitten in der Tür stehen oder komplette Treppen zu stellen, macht das absolut kein Spaß. Das Timetable hätte es auf jeden Fall zugelassen, dass Bands im Wechsel spielen.

Nun ja, dennoch habe ich es verpasst UNZUCHT zu fotografieren.

Es folgt 20 Minuten… Nichts… Habe ich die komische Running Order erwähnt?

SOLITARY EXPERIMENTS

Irgendwas ist allerdings auf der kleinen Bühne nicht ganz in Ordnung. Mit wunderschönem ostdeutschen Akzent versuchen SOLITARY EXPERIMENTS dem auf die Spur zu gehen. Auch wenn scheinbar niemand weiß, was es war, geht es dann solide los. Zwar leider mit etwa 10 Minuten Verzug, aber das geht noch. Da ich so tue, als ob ich alles live schreibe, kann ich spoilern – das bleibt leider nicht so. Da müsst ihr wohl weiter lesen. Trotz allem waren die 5 Jungs mega motiviert. Die komplette Halle war am Hüpfen, mitsingen und strahlen. Eine mega sympathische Band.

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Fotos: Florian Schulz

DIARY OF DREAMS

Schaurig düster romantisch geht es direkt auf der Hauptbühne weiter. 30 Jahre Bandgeschichte in Person von Adrian Hates. Gefühle pur von DIARY OF DREAMS. Inzwischen ist die Halle brechend voll und alle singen mit. Ja OK, sowas kennt der olle Hippie von seinen Festivals nicht. Da bekomm ich nach all den Jahren immer noch Gänsehaut.

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Fotos: Florian Schulz

SITD

Die anfänglichen Problemchen der kleinen Bühne nehmen jetzt leider kaum überhörbare Maße an. So mussten SITD eh schon etwas später anfangen und dann noch nach dem ersten Lied eine Zwangspause einlegen. Irgendwas störte extrem, bei jedem Bassschlag kratze es markerschütternd. Glücklicherweise kam bei dem Soundmann keinerlei schlechte Stimmung aus. Nach etwas hin und her war zumindest schon einmal etwas zu hören. Beim Soundcheck gab es dann etliche Lacher. Gesucht wurden Kabelkanäle und sogar Phantome: “Das klingt hier hinten wie ein Handy, mische Mal ein paar Eier rein! Ja! Ja, jetzt hat der Sound auch Eier!”.

Und so konnte es dann nach einer knappen halben Stunde endlich losgehen. Leider fand ich den Auftritt, auf den ich mich nach all den Jahren sehr gefreut habe, doch arg langweilig. Musikalisch solide, auf jeden Fall sehr tanzbar, aber sonst ist nur Sänger Carsten nur von links nach rechts gelaufen. Die Keys\Backline waren statisch. Leider gingen die Pannen weiter. Nach einem Intro brach plötzlich ein Lied ab und es ging mit einem anderen Song weiter. Inzwischen nahmen es alle mit Humor.

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Fotos: Florian Schulz

PETER HEPPNER

Den heutigen Abend habe ich schließlich als Experiment und Resozialisierungsprogramm gesehen, also geht es weiter. Sogar noch weiter in die Vergangenheit, als anfangs gedacht. Als ich noch klein war, gab es im Fernsehen dieses eine Lied, wo ich damals schon nicht wusste, ob ich es mag oder nicht. Es war düster, erschreckend und irgendwie einfach anders, als das, was man aus dem Fernsehen kannte. Das bekannteste Lied von PETER HEPPNER, zusammen mit JOACHIM WITT – die Flut. Google hat mir verraten, dass es 1998 war, wahnsinn . Genau so stehe ich dem immer noch gegenüber. Die Musik von HEPPNER ist langsam. Die Texte sehr melancholisch, ehrlich – voller Gefühle. Ganz ehrlich, absolut nicht meins. Die volle Halle zeigt mir aber, dass es eben absolut mein persönlicher Geschmack ist. Überall stehen Menschen, die mit geschlossenen Augen mitsingen, denen man die Emotionen beim Mitflüstern komplett ansieht. Auch allen Musikern sieht man an, dass sie mit ganzem Herzen hinter der Musik stehen (krass, BLUTENGEL gibt es immer noch? Muss halt auch „Ausnahmekünstler“ geben).

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Fotos: Florian Schulz

Mir ist es fast schon peinlich, dass ich zu SOLAR FAKE absolut nichts sagen kann. Sie spielen auf der kleinen Bühne, wo zuvor SITD so große Probleme hatten. Durch die halbe Stunde Zeitverzug dachte ich, dass sich der Zeitplan nach hinten verschiebt. Aber irgendwie müssen die Männer um Sven Friedrich doch zeitig angefangen haben. Als ich es mitbekommen habe, ist es leider unmöglich auch nur irgendwie in den Raum zu kommen. Hatte ich erwähnt, dass irgendwie an allen Engstellen die meisten Menschen standen? Hören konnte ich leider nichts und durch einen kleinen Schlitz konnte den Sven immerhin für etwa 0,2 Sekunden sehen.

AND ONE

Aber nun das worauf viele nur gewartet haben. Um es kurzzumachen: AND ONE. Ich weiß, viel muss man nicht sagen, entweder man liebt sie – oder man hasst sie. Ich finde diesen kleinen Drecksack auf der Bühne immer noch einen Entertainer erster Klasse. Steve Naghavi ist einfach so ein selbstironisches Arschloch, dass man ihn doch nur lieben kann. „Wir sind uns nicht zu fein – auch mal arrogant zu sein“ (*Tanz der Arroganz) sangen sie nicht umsonst.

Wer von außen immer sagt, dass Gruftis so ein in sich geschlossener Haufen sind, der nicht fröhlich sein kann und nicht lachen will, der muss einmal zu einem AND ONE Konzert gehen. Dort geht es einfach ab. Vom Feuerzeug, so wildem Gelache, wildem Rumgeknutsche, bis ekstatischen Gespringe – AND ONE holen alles aus ihren Fans heraus.

Auch bin ich mir nicht sicher, was die ständigen Anspielungen auf einen baldigen Rücktritt bedeuten sollten. Ist es wirklich bald so weit? Wird es bald wieder so weit gewesen sein, war dann aber doch wieder nicht? Oder nehmen sie es einfach als Selbstironie?

Achja, schlechte Nachrichten kamen von Joke: „Den Weihnachtsmann gibt es nicht“. Kurz zerbricht meine Welt.

Jedenfalls, wenn ihr nicht zu den Wenigen gehört, die And One einfach nicht leiden können, geht auf ein Konzert von denen, bevor sie aufhören, irgendwann, oder so.

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Fotos: Florian Schulz

Also vorbei isses, was habe ich also erlebt? Die Menschen sind, wie sie sind. Ob wir schwarz oder weiß sind, ob wir schwarze Klamotten tragen – oder weiße, jeder Mensch soll so sein, wie er sein möchte. Außer Nazis, die sind halt kacke. Wir haben alle unsere Vorurteile, klar es werden immer mal wieder welche bestätigt. Aber viel häufiger werden sie widerlegt. Ob es nun Grundfeste Vorurteile sind oder von anderen Menschengruppen aufgeschwatzten Mist. Lernt die Leute kennen und bildet euch eure eigene Meinung. Klar, auch danach kann man Menschen immer noch Kacke finden – aber nicht Grundlos und vor allem nicht durch völlig falsche Meinungsmache.

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