WIZO – „Tour wird wieder gut“ in der Faust, Hannover

Wie immer und kein bisschen unerwartet ist auch diese Tour der Punkrocker von WIZO wieder eine laute, ausgelassene und vor allem politische Party. Unerwartet ist dagegen die relativ niedrige Zahl der Songs vom neuen Album, die sie auf dieser Tour performen. Deren Name ist die folgerichtige Antwort auf das 2023 erschienene Album „Nichts wird wieder gut.

Jede Redakteurin und jeder Redakteur hat wohl immer einige Bands, die uns ganz besonders am Herzen liegen. Weil sie uns durch schwere Zeiten begleitet haben, uns aus der Seele sprechen, uns Mut machen auf unseren Wegen oder eben einfach, weil wir uns mit ihrer Musik und deren Aussage identifizieren können. In meinem Fall sind das ganz eindeutig die Jungs von WIZO. Sie begleiten mich, meine Hochs und Tiefs, meine wechselnden Lebensabschnitte, meine Freude, meine Tränen und meine politische Entwicklung, seit ich 12 Jahre alt bin. Von daher ist es für mich wie für viele andere Fans eine selbstverständliche Notwendigkeit, an diesem zugegeben recht kalten Dienstagabend nach Linden in die ausverkaufte „Faust“ zu pilgern, in Erinnerungen zu schwelgen und neue zu kreieren. Die Musiker aus Sindelfingen haben nur für den Auftritt in Hannover den SLIME-Sänger TEX BRASKET als Support und Vorband gewinnen können.

Der startete auch einigermaßen pünktlich, ganz allein mit seiner Gitarre und großem WIZO-Banner hinter sich. Seine tiefgründigen Texte sind definitiv nicht als Partymusik zu bezeichnen, sprechen aber vielen der Anwesenden aus der Seele und zeugen von viel, teils schmerzhafter Lebenserfahrung. Mit dieser können sich offenkundig einige hier identifizieren und feiern TEX in der viel zu kurzen halben Stunde seines Auftritts gebührend.

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Als schließlich WIZO die Bühne betraten, geschah das unter tosendem Applaus. Der letzte Auftritt im Sommer auf den Faustwiesen schien viel zu lange her, der Meinung waren offensichtlich alle. Die alten Klassiker „Der lustige Taschendieb“ und „Königin“ brachten die Fans schnell ins Schwitzen und Pogen, und erst nach dem ersten Lied vom neuen Album „Schöner wär’s“ fand Sänger und Band-Gründer Axel Zeit für ein paar Sätze ans Publikum. Seine Stimme war da schon spürbar angeschlagen, was auf der Beinahe-Halbzeit der Tour wohl kaum verwunderlich ist.

Zum Glück hat das Punk-Urgestein Fans, auf die es sich nicht nur verlassen kann, sondern die zudem auch noch textsicher sind. Das zeigten sie sehr eindrucksvoll bei den nächsten Songs „Raum der Zeit“, „Das goldene Stück“ und „Ich war, ich bin und ich werde sein“, die mittlerweile von keinem WIZO-Konzert mehr wegzudenken sind.
Völlig eskalierte die Lage im Pogokreis dann absehbar und kalkuliert bei „Seegurke“, wonach sich Fans und Band erstmal eine kurze Verschnaufpause gönnten.

Sänger Axel schien allerdings nicht nur stimmlich angeschlagen, sondern auch in seiner Stimmung. Schon bei den Texten vom neuen Album fällt auf, dass die frühere Leichtigkeit abhandengekommen zu sein scheint und einer Altersmelancholie gewichen ist. Immerhin, fast 30 Jahre hat die Band nun auf dem Buckel und 30 Jahre Punk sind anstrengend. 30 Jahre Anarchie, Alkohol, Kampf gegen das System und anstrengende Konzerte scheinen langsam ihren Tribut zu fordern. Bassist Ralf schien allerdings davon völlig unbeeindruckt, und hüpfte wie ein junges Eichhörnchen über die Bühne.

Einen absoluten Höhepunkt erlebte das Konzert bei „Ganz klar gegen Nazis“. Spätestens bei den Demonstrationen der letzten Wochen wurde deutlich, wo die Hannoveraner politisch stehen und zwar sehr eindeutig und unverrückbar im antifaschistischen und sozialen Spektrum. Sänger Axel ist erfreut, dass die Gesellschaft endlich aufwacht und sich wehrt. „Darauf haben wir viele Jahre lang gewartet, aber wir dürfen jetzt nicht nachlassen“, findet er. Die Fans in der „Faust“ sind definitiv seiner Meinung und singen nicht nur das komplette Lied textsicher mit, sondern skandieren im Anschluss daran auch noch aus vollen Kehlen „Ganz Hannover hasst die AfD“.
Deutlich gedrückter und nachdenklicher warem die folgenden Stücke „Grauer Brei“ und „Thomas“. Die Band hat schon früh angefangen, die Auswirkungen von Depressionen in ihren
Songs anzusprechen und bittet alle, hier wach- und aufmerksam zu sein. Mittlerweile ist das Thema zum Glück nicht mehr tabuisiert und Betroffene können schneller Hilfe in Anspruch nehmen, dennoch und gerade deswegen brauchen sie allerdings auch Menschen an ihrer Seite, die sie auf diesem schweren Weg begleiten.

Systemkritischer wird es mit dem Klassiker „Kopfschuss“, der den GSG9-Einsatz 1993 in Bad Kleinen behandelt und den mehr als zweifelhaften Todesfall des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams.

Um nicht in geschichtlicher Wut und Nachdenklichkeit zu versinken, sind die darauf folgenden Songs deutlich leichter und fröhlicher und spätestens mit „Hey Pipi Langstrumpf“ ist jede Trübsal und Nachdenklichkeit vergessen – schließlich waren wir hier, um Punk und Anarchie zu feiern und das taten wir auch gemeinsam bei „Kriminell und Asozial“, „Nama“ und „Kein Gerede“. Es ist sehr wohltuend, mit allen gemeinsam „Eine Revolution für den Frieden und die Freiheit, eine Revolution für die Anarchie“ zu singen, und sich für einen kurzen Moment der Illusion hinzugeben, sie könnte Wirklichkeit werden…

Mit „Quadrat im Kreis“ wollten die Musiker uns weismachen, das Konzert sei zu Ende, dabei wussten alle längst, dass wir noch auf Zugaben hoffen durften. Die kamen auch, nicht nur in Form zweier Songs, sondern auch vieler tatsächlicher Gaben wie Shirts, Drumsticks und Plecs, die unter den Anwesenden verteilt wurden. Zufrieden, glücklich und mit einem Hauch Revolution im Herzen konnten alle langsam den Heimweg antreten.

Für mich war der Abend nicht nur ein erneutes Highlight mit einer meiner Lieblingsbands, sondern auch ein kurzer Gedanke daran, wie schön wir es eigentlich alle miteinander haben könnten, wenn Faschismus, Krieg und Ungerechtigkeit nur abgeschafft würden, und wir alle in Frieden und Freiheit leben könnten. Stunden wie diese helfen dabei, dieses Ziel vielleicht irgendwann zu erreichen!

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Setlist:

1. Der lustige Tagedieb
2. Königin
3. Schöner wär’s
4. Raum der Zeit
5. Das goldene Stück
6. Ich war, ich bin und ich werde sein
7. Seegurke
8. Gute Freunde
9. Ganz klar gegen Nazis
10. Grauer Brei
11. Hey Thomas
12. Kopfschuss
13. W8ing 4 U
14. Der Käfer
15. Hey Pipi Langstrumpf
16. Kopf ab, Schwanz ab, Has
17. Kriminell & Asozial
18. Nana
19. Kein Gerede
20. Quadrat im Kreis

Encore:
21. Adagio
22. Die letzte Sau

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