AMORPHIS, SÓLSTAFIR und LOST SOCIETY – nordische Allianz schließt Tour ab

Hinweis vorab: Unser Autor besuchte das Konzert in Köln, die Fotos hingegen stammen von der Hannover-Show

(Fenno-)Skandinavischer Metal gilt in Deutschland nicht umsonst als Gütesiegel. Einer der herausragendsten Vertreter der dunklen Musik in Finnland sind zweifellos AMORPHIS, die nun zusammen mit den Isländern SÓLSTAFIR und ihren Landsleuten LOST SOCIETY die “Halo European-Tour” in Hannover abgeschlossen haben.

Der Auftakt gehörte aber stets LOST SOCIETY. Die Thrasher sind von der Ausrichtung her deutlich rauer und dynamischer unterwegs als die anderen beiden Bands, was natürlich gut für ihren Job, war die Menge aufzuwärmen. “We are LOST SOCIETY from Finland. It’s time to get your horns in the air!”, machte Sänger Samy direkt eine deutliche Ansage. So ganz verfing das beim Publikum zu dieser frühen Stunde noch nicht. Genau wie Tomi von AMORPHIS wechselte auch er zwischen Klargesang und gutturalem solchen, wobei er meiner Meinung nach ersteres besser beherrschte. Der Sound war etlichen im Publikum deutlich zu aggressiv, die gewisse “Punk-Attitüde”, die mitschwang, verfing nicht bei jedem. Trotzdem absolvierten die Finnen ein gutes Programm und präsentierten vor allem Songs ihres 2022er Albums “If The Sky Came Down”, u.a. die Single “What Have I Done” und “Awake”. In der ersten Reihe konnte man auch eine Mutter mit einem Kleinkind beobachten, die beide deutlich zu LOST SOCIETY abgingen. Ein Teenie-Mädchen, dass gegen Ende des Sets versuchte, nach vorne durchzudringen, um Samy eine Rose zu überreichen, scheiterte leider.

lost society

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Fotos: Birger Treimer

SÒLSTAFIR (isländisch für ein Büschel Sonnenstrahlen) hatten auf Wacken dieses Jahr hochrangigen Support genossen. Der Präsident von Island Guðni Thorlacius Jóhannesson hatte das Festival besucht und hatte bei der Pressekonferenz nicht nur SÒLSTAFIR und SKALMÖLD als herausragende Beispiele für isländische Musik benannt, sondern hatte auch deren Konzerte besucht. Auf der Tour mussten sie zwar ohne den Beistand von oben auskommen, lieferten aber natürlich souverän ab. Während der ersten zwei Drittel des Konzertes gab es keine Ansagen von der Bühne, man ließ lediglich die Musik sprechen. Aðalbjörn Tryggvason singt fast ausschließlich in seiner Muttersprache in einer hohen Tonlage, die eine Art von verzweifeltem Wahnsinn transportiert. Das führte bei den Anwesenden schon zu deutlich mehr emotionaler Reaktion als bei den Vorgängern. Das Set startet mit “Bláfjall” (der “blaue Berg”) und ging dann in “Akkeri” vom aktuellen Album über. In Köln ging Tryggvason häufig zum Rand der Bühne um mit seinem Tontechniker zu sprechen, scheinbar war er nicht vollständig mit dem Sound zufrieden. Wir vor der Bühne hatten jedenfalls keinen Grund zu Beschwerden. Erst vor dem letzten Song sprach der Fronter plötzlich und stellte seine Bandkollegen vor. Insbesondere Bassist Svavar Austman Traustason erhielt besondere Beachtung und wurde vom Sänger als “Fuckin’ handsome guy” und “Sexiest man of Iceland many times” geadelt. Der Gitarrist Sæþór Maríus Sæþórsson unterdessen hatte praktisch während des gesamten Sets ein Plektrum zwischen den Lippen klemmen, dass er aufgrund des langsamen Rhythmuses der Songs praktisch nie benötigte. Der letzte Song (“Godess Of The Ages”) steigerte dann das Showlevel mal eben um mehrere 100%, als Tryggvason die Bühne verließ, ins Publikum ging und schlussendlich auf den seitlichen Bartresen kletterte, um dort weiterzuspielen. Das Barpersonal wusste nicht, wie ihm geschah, als der Isländer auf dem Tresen entlanglief und dabei weiter spielte, während er mit dem Kopf immer wieder den baumelnden Lampen ausweichen musste. Das war schon eine sehr witzige und anarchistische Showeinlage! Das “Are we still friends?” zum Schluss konnte der überwiegende Teil der Menge mit “Ja” beantworten.

Sólstafir

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Fotos: Birger Treimer

Headliner-Time! AMORPHIS enterten die Bühne um 21:30 Uhr und begannen in Köln mit dem “Halo”-Kracher “Northwards”, in Hannover hingegen mit “On The Dark Waters”, während die Bühne in ein Blitzlichtgewitter aus Rot und Blau getaucht wurde. “It’s gonna be fantastic, right?”, freute sich Fronter Tomi auf den Auftritt. Relativ schnell traten wir die Reise in das fast dreißig Jahre entfernte “Tales From The Thousand Lakes” mit dem Intro “Thousand Lakes” und “Into Hiding” an. Die besondere AMORPHIS-Magie verbreitete sich schnell im Kölner Carlswerk Victoria. Die Band schafft es immer wieder, harten Metal mit folkigen Vibes und der richtigen Prise symphonischer Melancholie zu verweben, ohne dass das Endprodukt dieser Fusion zu heterogen wirkt. Viele Bands beschränken sich darauf, eine ganz bestimmte Saite in den Zuhörenden zum Schwingen zu bringen und spezialisieren sich geradezu auf eine bestimmte Stimmung. AMORPHIS hingegen sind Meister aller Klassen und beherrschen die gesamte Klaviatur aus Emotionen meisterhaft. Die besondere Natur-Mystik des “1000 Lakes”-Album jedenfalls ist zeitlos und auch beute noch wirkmächtig. “Dankeschön my friends, for this sold out-show”, zeigte sich der Fronter sichtlich bewegt. “That makes us speechless. Maybe another one from the “Skyforger”-Album?”. Der rhetorischen Frage folgte der Doppelpack aus “Silver Bride” und “Sky is Mine”. Vor kurzem war die Vinyl “Queen Of Time (Live in Tavastia 2021)” erschienen, worauf auf der Bühne nochmal explizit hingewiesen wurde. “We made it in the dark Corona years”. Auch aus diesem Album gab es direkt ein Doppelpack, nämlich “Wrong Direction” und “Amongst Stars” auf die Ohren. Köln wurde gegen Ende des Sets noch einmal besonders geadelt, als der Sänger sagte: “I don’t know how many times we’ve played in your country. But that is one of the best!”. Danach wurden noch die einzelnen Bandmitglieder vorgestellt. Natürlich ist das im Grunde nicht nötig, da die Charaktere den Fans natürlich bestens bekannt sind. Trotzdem finde ich es immer wieder eine schöne Geste, wenn ein Frontmann, der naturgemäß bei Shows sehr im Vordergrund steht, deutlich macht, dass ein Konzert immer eine Teamleistung ist. Tomi Joutsen ist einer der vollkommen unpretentiösen Sänger, was in der Szene keineswegs selbstverständlich ist. Aber dadurch nimmt man eine Band mehr als Einheit wahr. Das Set neigte sich indes dem Ende zu. Es wurde noch einmal zum Mitsingen aufgefordert, als zum Schluss der Hit “House Of Sleep” angestimmt wurde. Aber die Menge entließ die Finnen noch nicht in die Nacht , sondern forderte in beiden Städten deutlich vernehmbar nach einem Nachschlag und wurde natürlich erhört. “The Bee” gehört verdientermaßen zu den größten Hits der Gruppe. Der ikonische Beat und vor allem der hintergründige Text machen diesen Song zu einem Meisterwerk. Schöner kann man ein Konzert kaum abschließen. Mir bleibt nur, mich auch noch für eine “Nebensache” zu bedanken: Obwohl es Stroboskope in der Lichtshow gab, wurde diese “Biowaffe” nur maßvoll und akzentuiert eingesetzt. AMORPHIS benötigt keine Effekthascherei und ihre Musik sorgt auf ganz natürliche Weise für eine tolle Stimmung im Saal. Schön, dass der Lichtmann hier seinen Job versteht, die Musik sinnvoll zu unterstreichen, statt sie zu überlagern. Das war ein toller Ausflug in skandinavische Klangwelten. Kiitos!

Amorphis

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Fotos: Birger Treimer
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