ASP – “Weltunter/Horrors” live – Ein schaurigschöner Schmuckmoment für alle “Sammler”

Redaktioneller Hinweis: Unser Redakteur besuchte die Tour in Wuppertal, der Fotograf hingegen in Bremen.

Man muss schon aufpassen beim Tippen. Eine “Histronische Stadthalle” wäre etwas gänzlich anderes als eine historische. Diese wunderschöne Location in Wuppertal-Elberfeld steht gerne im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, somit wären histronische Merkmale durchaus vorhanden, aber das liegt in der Natur der Sache selbst. Die Halle, ausgestattet mit Kronleuchtern und Wandgemälden, ist für eine kulturell bedeutende Band wie ASP genau der richtige Rahmen, um sich zu entfalten und auch durchaus angemessen, um den zwanzigjährigen Geburtstag des Albums “Weltunter” sowie gleichzeitig die Geburt des neuen Werkes “Horrors” zu feiern.

Doch zunächst gab es noch ein weiteres schönes Gemälde im silberfarbenen Rahmen zu bewundern. Das Werk hört auf den Namen “The Beauty of Gemina” und stammt vom zeitgenössischen Künstler Michael Sele. Das Spurenelement Selen ist gut für die Seele, so sagt man. Auf Konzerte dieser außergewöhnlichen Band trifft das ebenfalls zu. Man hat leider nicht so oft die Gelegenheit, THE BEAUTY OF GEMINA live zu erleben. Zum Glück ist Asp ein Feinschmecker und weiß genau, welche außergewöhnliche Vorspeise er seinen Fans servieren sollte. Diese Band spiegelt wieder das typische Phänomen “Mehr als die Summe seiner Teile” wider. Das Problem ist, dass man den emotionalen Aspekt nicht beschreiben kann. Wenn ich sage: da steht ein Typ mit weißen Haaren, spielt Gitarre und rezitiert verkopftes, melancholisches Material, begleitet von Keyboard und Bass, dann reißt das niemanden vom Hocker. Aber die wunderschön filigranen Texte und das repetetive Mantra, das einen in eine Art “rockige Trance” versetzt, muss man selbst live erleben. Großartige Musik, aber auch sperrig und deshalb unterschätzt. In Wuppertal wusste man den raren Leckerbissen jedenfalls zu schätzen. Das aktuelle Album heißt “Skeleton Dreams” und verdient, genau wie die vorherigen Werke, definitiv einen Reinhörer!

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Fotos: Birger Treimer

Einen außergewöhnlichen Geburtstag gab es hernach zu feiern. Da viele ASP-Anhänger der Band schon Jahrzehnte folgen, kann man ohne Weiteres davon ausgehen, dass auch etliche anwesend waren, die damals bei der Geburt von “Weltunter” assistieren durften. Das ikonische Album markierte den dritten Teil des “Schwarzer Schmetterling”-Zyklus und enthält den bekanntesten Hit der Band “Ich will brennen”. Bei der Tour wurde das Album in seiner Gesamtheit gespielt, also alle zwölf Titel. Dadurch kam es auch zur Uraufführung von nie gespielten bzw. zum eher raren Genuss selten gespielter Stücke wie “Eleison” oder “Geisterjagd (Träne im Meer)”. Zu ersterem äußerte ASP, dass es Stücke gebe, die eigentlich gar nicht für die Live-Darbietung gedacht seien. Er tat es dennoch und es funktionierte ganz fabelhaft, wenn man so in die entzückten Antlitze einiger Anwesender in den ersten Reihen schaute. ASP-Fans sind “Sammler” von schönen Erinnerungen, sie jagen Geistern hinterher und haschen nach Raritäten, suchen das Besondere im Alltag und daher kann man diese hungrigen Seelen mit solchen Besonderheiten ganz wunderbar füttern. Besonders hervorgehoben wurde nach der Tour auch die emotional aufwühlende Aufführung von “Die Ruhe vor dem Sturm”. Ein Song, der auch seit fast einer Dekade nicht mehr live vernommen werden konnte. Wer regelmäßig zu ASP geht, kennt natürlich die Bitte der Band, das Fotografieren und Filmen mit Handy zu unterlassen. Während das in Wuppertal sehr gut funktionierte, hörte man aus anderen Städten wie Bremen leider das Gegenteil. Für alle Unbelehrbaren sei es noch einmal destilliert, wie Jochen Malmsheimer sagen würde: Asp möchte eine magische Verbindung mit dem Publikum eingehen und viele kleine Handybildschirme sind eine non-permeable Membran, die den Filmenden von dieser magischen Verbindung ausschließt. Ihr errichtet eine Mauer, einen Schutzschild gegen die besonderen Gefühle, die ein ASP-Konzert hervorruft. So sehr das “Panzerhaus” auch im Alltag taugen mag: Senkt euren kleinen, rechteckigen Stimmungskiller, mit dem ihr verwackelte Aufnahmen in scheußlich blauem Licht anfertigt, die ihr euch nie wieder anseht! Auch wenn ihr im neuen Jahrtausend, also unter der Diktatur der Maschinen geboren wurdet, bitte kommt zurück in die Gemeinschaft und einigt euch mit uns anderen Fans auf den kleinsten, gemeinsamen Nenner: Und das ist die Musik, die sich nur live voll und ganz entfaltet, wenn ihr es zulasst. So, genug Pathos für den Augenblick. Schließlich gab es bei dem Song “Hässlich” auch “legale” Möglichkeiten, zu fotografieren und zu filmen. Man kommt euch also bereits entgegen. Zurück zum Konzert: Auch wenn ich schon unzählige ASP-Konzerte besuchen durfte, war “Weltunter/Horrors” etwas Besonderes. Es fühlte sich intimer an, persönlicher. Gerade auch, weil ungewöhnliche Stücke aufs Tapet kamen, die auch eine Herausforderung für die Band darstellten. Mir persönlich gefiel auch “Stille der Nacht (ein Wintermärchen)” besonders gut, auch wenn ich den Song schon live gehört hatte. Asp sang im Übergang zum Refrain wieder den Originaltext und erwähnte die verfolgenden “Wölfe”, statt der “Menschen”.
Und natürlich gab es das neue Material, was man überhaupt noch nie live gehört hatte. “Horrors” zeichnet sich durch eine wunderbare Vielfältigkeit aus. Wir haben recht ruhig fließende Stücke, wie “Ich, der Teufel und du”, mit denen wir uns aufgrund der frühen Auskopplung schon näher beschäftigen konnten. Dann wiederum bekommen wir rauh-kantige Kracher wie “The Shadows Beneath The Roots” wo man seit langem mal wieder einen gutturalen Asp vernehmen kann und die daher eine besondere Wucht entfalten. Und dann wiederum gefährlich heiter anmutende und doch durch und durch zynische Stücke wie “Sandmann GmbH & Compagnie”, zu dem Fronter Asp gleich mal Abendgarderobe nebst Gehstock anlegte. Gerade letzteres ist ein wunderbar hintergründiges Werk, von dem ich anfangs irritiert war (ich bin sicher: dieser Effekt war beabsichtigt) und das erst nach mehrmaligem Hören und Lesen des Textes seine Wirkung entfalten konnte.

Rückblickend lässt sich sagen: Der Besuch in der “Galerie” Wuppertal war ein großer, (sub-)kultureller Erfolg. Zwar wurden mit THE BEAUTY OF GEMINA und ASP nur zwei Gemälde ausgestellt, aber diese waren großflächig und voller interessanter Details, sodass man sich in der Betrachtung durchaus vier Stunden lang verlieren konnte. Ich verließ den Ort der Hoch-Subkultur mit einem gewissen wohligen Schwindel und mit dem Gefühl, wichtige Lebensweisheiten erkannt, aber dann gleich wieder vergessen zu haben. Man war also nicht schlauer als vorher, aber emotional reicher und bereicherter. Und die Sammler konnten einen weiteren funkelnden Moment ihrer inneren Raritätensammlung hinzufügen.

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Fotos: Birger Treimer
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