Schlosshofromantik statt Bergpanorama: SONO, ROTERSAND, NEUROTICFISH, ABSURD MINDS und MORPHOSE luden zum Bergfest auf Schloss Ballenstedt

Mit hohen Erwartungen ging es für mich dieses Jahr zum Bergfest-Festival. Mittlerweile zwar wieder im Harz, fand das Bergfest 2023 aber noch nicht wie gewohnt in Thale statt, sondern auf Schloss Ballenstedt, Schlosshofromantik statt Bergpanorama. Nachdem man letztes Jahr noch mit nur drei Acts (CYTO, DE/VISION, FORCED TO MODE) auskommen musste, auch alles ohne Frage geniale Bands, wurden uns dieses Jahr gleich fünf präsentiert.

Der Tag auf Schloss Ballenstedt begann heiß und sonnig, der Innenhof ein übertemperierter Richtplatz auf dem man nur die ärgsten Delinquenten anbinden würde, um sie zu martern. Zahlreiche Augen bemühten sich abzuschätzen, wie der Schatten im Tagesverlauf wandern würde, damit keiner vor der Bühne klischeegerecht zu Asche zerbröseln musste. “Kunst fordert Opfer”, wie eine Bekannte zu sagen pflegte und so verließen sie zahlreich den behütenden Schatten, als es an MORPHOSE war, die Feierlichkeiten zu eröffnen, denn was die interessierten Zuschauer jetzt an die Bühne lockte, das war Kunst.

Von vielen erwartet, war der erste Act des Tages das Musikprojekt MORPHOSE von Multitalent Christoph Schauer. Zusammen mit Arc Morten, Marius Lürig und Max Filges webte er auf der Bühne den musikalischen Klangteppich, in den sich die Gastsänger des heutigen Tages einflechten durften. Außer Sven Friedrich (SOLAR FAKE) gaben sich auch Lennart A. Salomon (SONO) und Mr. NEUROTICFISH Sascha Klein am Mikrofon die Ehre, Viktorija Kukule war leider gesundheitlich verhindert. Ich war von dem leider nur fünfzigminütigen Set schwer begeistert, denn jeder der Beteiligten zeigte, dass er mit Herzblut bei der Sache war, auch wenn die Textsicherheit manchmal nicht 100% gegeben schien. Das restliche Publikum feierte diesen Auftritt ebenfalls von Anfang bis Ende und mehr als begeisterter Applaus belohnte die Combo schließlich für ihre Mühen.

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Fotos: Mirco Wenzel

Mit jeder Minute wanderte auch der Schatten weiter, den die umliegenden Gebäude warfen und so war es auch schon ein wenig angenehmer, als im Anschluss die Jungs von ABSURD MINDS die Bühne enterten. Die Musik wechselte in elektronischere Gefilde und auch wenn es schon eine Weile her ist, dass die letzte Scheibe herauskam, so hatten Stefan, Timo, Tilo und Nick für das Bergfest eine solide Setlist gebastelt. Die vier live zu sehen hat einen gewissen Seltenheitswert und so war es für manch einen im Publikum auch nach über 25 Jahren Bandgeschichte das erste Mal. Nick, kommunikativ wie immer, quasselte sich durch die Pausen zwischen den Songs und die vier legten eine energiegeladene Performance hin, die zwar neue Impulse vermissen ließ, aber das Level nach MORPHOSE durchaus oben hielt. Bei Songs wie “Descent”, “One World”, “Dependence”, oder “Brainwash” war manch ein Anwesender textsicher genug mitzusingen, und den ein oder anderen mögen die Texte auch durchaus zum Nachdenken angeregt haben. Alles in allem war es eine gelungene Show und die richtige Basis, um mit elektronischen Klängen weitermachen zu können.

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Fotos: Mirco Wenzel

Diese lieferten dann auch die beiden nächsten Klangkünstler Sascha Klein und Henning Verlage, besser bekannt als NEUROTICFISH. Das Publikum, bereits hochmotiviert, ließ sich von der ersten Sekunde auf den Auftritt der beiden ein und feierte jeden Song mit, ganz gleich ob ruhigerer oder lauterer Natur. Die Setlist der beiden hatte es aber auch in sich und gab einem wenig Chancen mal einen Gang runterzuschalten.

“I feel a pressure; a certain kind of need
I feel aggression every time I bleed
I am not like you and you are not like me
You figured out what’s good, but what is bad for me?”

Sascha, bereits durch seinen Auftritt mit MORPHOSE auf Betriebstemperatur, zeigte uns, dass er neben einem gewinnenden Lächeln auch noch immer eine Menge Gefühl im Gepäck hatte und sang sich stimmungsvoll durch die Show. Seine Freude war ansteckend und so kam das Ende des Auftritts gefühlt zu früh, aber sie mussten für einen nicht minder sehnlich erwarteten Act die Bühne räumen.

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Fotos: Mirco Wenzel

Nach Sascha und Henning war es nämlich an ROTERSAND das Publikum weiter begeistert vor sich herzutreiben und so standen nach kurzer Umbaupause zwei “runzelige alte Männer” auf der Bühne: Krischan Wesenberg und Rascal Hueppe. Bei den beiden weiß man immer, woran man ist: Stimmung vom ersten Ton an. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nicht schon den ganzen Abend auf die beiden gefreut hätte. Meine Erinnerungen vom Plage Noire noch frisch im Hinterkopf, legten die beiden auch umgehend los und egal ob Songs wie “Grey”, “Forgotten Daydreams”, “Silence”, “First Time” oder “Waiting To Be Born”, Rascal schaffte es in gewohnter Manier, mit seiner Art und Ausstrahlung die ganze Bühne einzunehmen, während der “Mann der tausend Projekte” Wesenberg an den Reglern im Hintergrund für die passende Begleitung sorgte.

“What the heck are we doing?
With our lifes
Keeping our souls in dungeons
Until we’re barely alive”

Zumindest an diesem Abend wussten alle, was sie mit ihrem Leben anstellten: Sie genossen die Musik und saugten die losgelöste Stimmung gemeinsam mit Freunden oder allein in vollen Zügen auf, um die nächsten Tage davon zehren zu können. Die Show der beiden endete so abrupt, dass viele mit einem “Da müssen doch jetzt noch drei bis fünf Songs kommen”-Gesicht dastanden. Auch ich hatte nicht mit einer so harten Bremsung gerechnet und war etwas verdattert, als die beiden sich von der Bühne verabschiedeten.

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Fotos: Mirco Wenzel

“Jetzt kommen SONO, das neue Album ist super, ich bin gespannt, wie das live klingt!” An SONO war es dann aber, den Abend gebührend zu beenden. Lennart am Mikro, wie schon zu Beginn des Bergfestes bei MORPHOSE , wurde in gewohnter Manier von Florian Sikorski und Martin Weiland unterstützt und mit einer mitreißenden Show holten sie noch das letzte aus ihrem Publikum heraus. Songs von ihrem neuen Album “In The Haze” hatten sie ebenso im Gepäck, wie “Keep Control”, “Cupid”, “Flames Get Higher”, oder “Supersonic”. Die Anwesenden vor der Bühne feierten die Show der drei frenetisch und während mancher am Bierwagen noch über Szenebezüge diskutierte, man Merch shoppte oder einfach erschöpft am Rande saß, so konnte man nicht leugnen, dass dieser Tag ein voller Erfolg gewesen war.

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Fotos: Mirco Wenzel

Für den Gnadenhof Sargstedt kamen durch das Bergfest 1400€ an Spenden zusammen, aus Berlin nochmal 400, eine schöne Summe, diente das ganze doch auch einer guten Sache. Die Versorgung mit Speis und Trank funktionierte auch einwandfrei und kein Schwarzträger musste als Aschehäufchen vom Hof gefegt werden. Welch positives Fazit. Nachdem beim Bierwagen die letzten Lichter verloschen waren, ging es auch irgendwann zurück ins Hotel, erschöpft und glücklich.

Das Bergfest 2024 wirft bereits seine Schatten voraus und man darf gespannt sein, was das nächste Jahr bringen wird.

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