REVIEW: “Tired Of Chasing Ghosts” von SEA OF SIN
So eine Review sollte ja sein, wie guter Sex – nicht gleich in die Vollen gehen, sondern erst einmal ein schönes Vorspiel veranstalten.
Da sind wir quasi thematisch schon ganz tief drin im SEA OF SIN, ha ha.
Sorry dafür, aber ja, bevor wir gezielt auf das am 21. und(!) 27. April erscheinende Werk „Tired Of Chasing Ghosts“ eingehen, beschäftigen wir uns erstmal mit den Basics, soviel Zeit muss sein.
(Ich bekomme hier jeden Buchstaben nicht bezahlt, weshalb ich davon so viel wie möglich unterbringen muss; Anmerkung des Autors).
Tauchgang im SEA OF SIN
Begonnen hat die Bandgeschichte Anfang der Neunziger. Die Herren Dirk Brohm, Frank Zwickler, Klaus Schill und Markus Jankovic gründeten die Band COVENT GARDEN.
Die ersten Erfolge zeichneten sich ab, der Durchbruch mit Unterstützung eines Labels ging aber sprichwörtlich „in die Binsen“, da der Bandname bereits vergeben war. Das Album „For Reasons Of Conscience“ wurde 1993 dann doch noch irgendwie auf den Weg gebracht. Der Trouble und das, was man gemeinhin als Alltag bezeichnet, führten dann zur Auflösung der Band.
Übrig blieben Frank und Klaus, die das Projekt dann unter dem Namen SEA OF SIN weitertrieben.
1995 konnte das Duo vorgenanntes Album, ergänzt mit neueren Songs, unter dem neuen Bandnamen auf dem kleinen Label Subtronic Records releasen.
Wer von euch Lesern sich die Mühe macht, unseren Ausführungen hier intensiv zu folgen und parallel mal hier schaut, wird darüber stolpern, das auf der neuen Version des Werkes immer noch ganz groß das Logo von COVENT GARDEN prangt. Das Duo beruft sich also ganz bewusst auf die eigene Geschichte als vierköpfige Band. Diese Verwurzelung liegt der Band noch heute anheim und sorgt für eine Art familiäres Wohlgefühl.
Leider ging das Label 1997 pleite und sorgte dafür, dass die mit Unterstützung von Heiko Maile (CAMOUFLAGE) produzierte EP „Illuminate“ der vorerst letzte reguläre Output der Band werden sollte. Zum Millennium erschien dann auf dem New Yorker Label Synthrophy Records eine Compilation mit Belegen für die Kreativität der Band, allerdings war das Kapitel SEA OF SIN damit erstmal ad Acta gelegt.
Frank und Klaus gingen getrennte Wege jenseits der Musik, trafen sich aber hin und wieder, um unter Pseudonymen Remixe für andere Künstler zu fertigen.
Klaus widmete sich ab 2015 wieder intensiver der (un)heimlichen Liebe namens Musik und begann dem Projekt in seinem zwischenzeitlich neu eingerichteten Homestudio wieder Leben einzuhauchen.
Es blieb zwar anfangs bei Remixen, aber das Duo verspürte wieder dieses Zucken in den Fingern und das Kribbeln in der Magengegend. Kurz: sie waren sofort wieder auf Droge, das SEA OF SIN- Genom wurde getriggert und zeigte Auswirkungen bei unseren beiden Probanden.
Zuerst unterzogen sie einige Songs der Bandgeschichte einer Erfrischungskur, nähten also neue Kleider aus den alten Stoffen. Nachprüfbar ist das auf dem Album „Future Pulse“, welches 2018 in Eigenleistung veröffentlicht wurde.
Die folgende Phase beim Label 7MUSIC kann man getrost als Erfahrung abhaken.
Und nun?
Kein Problem, denn hoch melodischen Aternative- Synth Pop liefern die beiden immer noch ab, wie wir gleich gemeinsam bei der Review von “Tired Of Chasing Ghosts” feststellen werden.
Allen Songs wohnt eine gewisse Melancholie inne, die bisweilen aber auch locker poppig verpackt wird.
Thematisch geht es oft um Zwischenmenschliches, aber es gibt auch Gesellschaftskritik zuweilen.
Immer jedoch in große Melodiebögen gefasst, quasi die Botschaft über das baldige Ableben mit einem gewinnenden Lächeln vorgetragen.
Dies unterscheidet die Band von vielen anderen Protagonisten in der Szene. Frei nach „Form follows Function“ wird oft das Soundkleid dem Inhalt angepasst. Anders bei SEA OF SIN, wo auch deepere Lyrics von sanften und poppigen Tönen begleitet werden.
Tired Of Chasing Ghosts
So, nach sagenhaften 575 Wörtern Vorspiel stürzen wir uns nun in das wilde Gewühl und schmeißen das neue Album in die Anlage.
Eröffnet wird das Werk mit dem 2022er „Synchronize“. Das brauchen wir euch wohl kaum noch vorstellen. Wobei, wir tun es dennoch und zwar hier:
Im Prinzip ist die erste Hälfte des Albums eine Sammlung der letzten Single Releases, was eine detaillierte Sezession der Songs jetzt und hier obsolet macht. Ihr wisst letztlich bereits, was ihr hier bekommt, wenn ihr euch mit den letzten VÖs des Duos beschäftigt habt.
Egal, weiter geht es…
„High And Low“ folgt auf Platz zwei und ist, ganz subjektiv aus Sicht des Autors, ein Anspieltipp!
Auf den Rängen tummeln sich dann noch „Shine A Light“ und „Don’t Let Go“, bevor mit „Empty Places“ ein bisher unveröffentlichtes Stück aus den Boxen dringt.
Es dient exemplarisch als Beispiel für oben geschriebene Zeilen. Der Text ist durchaus deeper und der Track ist durchaus latent melancholisch. Aus musikalischer Sicht aber ist der Song durchaus angenehm poppig, mit einem leicht vertrackten Arrangement. Er läuft nicht gerade durch, sondern beinhaltet melodische Stolpersteine, die ihn super interessant machen. Eine Hook mit Delay, sozusagen. Klarer Anspieltipp!
Ab jetzt wird es etwas spannender, wenngleich ihr auch hier das meiste bereits kennen dürftet, wenn ihr dem Act folgt.
Die Titel 6 bis 11 sind Remixes der vorgenannten Stücke.
Den Anfang macht hier „Synchronize“ im THE KVB Remix. Tolles Ergebnis, welches da nach der Bearbeitung herausgekommen ist. Aus dem Synthpop wurde hier etwas Waviges, mit einer ordentlichen Portion Post Punk, absolute Empfehlung der Redaktion!
Dann durften auch ZOOT WOMAN an den Song, die ihn deutlich reduzierter und eectrolastiger zurückgaben. Auch dies eine spannende Interpretation, leider zu kurz.
Nun zu „High And Low“ in der Bearbeitung von ASHBURY HEIGHTS. Diese fällt für AH-Verhältnisse recht deep und langsam aus, macht aber absolut Spaß. Ein paar additive Vocal-Schnipsel und Dream House-Versatzstücke geben dem Song einen ganz frischen Kniff, ohne die Melancholie zu killen.
Witzigerweise klingt der Einstieg in den THE NEW DIVISION Remix von „Shine A Light“ mehr nach ASHBURY HEIGHTS, als es deren vorgenannte Bearbeitung tut. Ihr seht, spannende Geschichte, die einiges durcheinanderwirft. Nichtsdestotrotz wirkt dieser ungebremste Uptempo-Kracher richtig toll. Da tanzen wir gerne mit einer Träne im Augenwinkel „the night away“.
Wir nähern uns dem Ende und bekommen noch zwei Bearbeitungen von „Don’t Let Go“ mit auf den Weg.
Ganz frisch dürfte für euch der ZYNIC– Remix wirken, ist er doch die letzte Veröffentlichung vor dem hier besprochenen Album gewesen. Hier treffen Spezialisten aufeinander, denn auch PETER SIEMANDEL aka ZYNIC ist ein Meister großer Melodien, selbst bei schwierigsten Inhalten. Er hat gekonnt ein paar additional Synths platziert, mit denen die leider nur kurze Spieldauer des Songs viel länger erscheint. Den Abschluss macht der bisher unveröffentlichte Remix von ROTOSKOP. Dieser fällt dadurch besonders auf, dass er den Fokus auf die Melancholie legt. Der Track kommt deutlich gebremster, schwerer und geradezu düster daher. Damit widerspricht er dem oben grob beschriebenen Muster der Band, was ihn aber gerade dadurch eben sehr interessant macht und einen echten Gewinn auf dieser Scheibe darstellt.
Woow, geschafft! Also fast, denn natürlich bekommt ihr noch eine abschließende Beurteilung und wichtige Infos mit auf den Weg…
Fazit
Obwohl es eher eine Compilation, denn ein konzeptionelles Album geworden ist, fügt sich hier ein Teil in das andere und ergibt eine geschlossene Einheit.
Manch einer mag bedauern, dass es keine Ecken und Kanten gibt, an denen man sich so sehr reiben könnte, wie es das Netz seit einigen Tagen bezüglich des aktuellen DEPECHE MODE– Releases (lest unsere Review hier) tut.
Aber von glatt zu sprechen würde diesem Werk auch nicht gerecht werden.
Wir hätten uns mehr neue Songs in einem geschlossenen Konzept gewünscht, sind mit dem gelieferten Produkt aber dennoch hoch zufrieden.
Insbesondere die Remixe erweitern den Wirkungskreis deutlich, Cross- Promotion absolut gelungen!
8/10
Daten & Fakten
Act | SEA OF SIN |
Release | Tired Of Chasing Ghosts |
Release Date | 21.04.2023 exklusiv bei Poponaut.de auf CD, ab dem 27.04.2023 dann überall digital |
Media | siehe obige Angaben |
Am 29.04.2023 wird es in Hamburg eine exklusive Release-Party mit eingebundenem Konzert geben, bei der jeder Gast ein Exemplar der CD erhalten wird.
Tracklist
- Synchronize (Single Edit)
- High and Low (Single Edit)
- Shine a Light (Single Edit)
- Don’t Let Go (Single Edit)
- Empty Places (Single Edit)
- Synchronize (The KVB Remix)
- Synchronize (Zoot Woman Remix)
- High and Low (Ashbury Heights Remix)
- Shine a Light (The New Division Remix)
- Don’t Let Go (Zynic Remix)
- Don’t Let Go (Rotoskop Remix)
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