VNV NATION & TRAITRS auf “Electric Sun”-Tour zu Besuch in Bielefeld

Ostwestfalen, du armer Landstrich!
Was wurde nicht schon alles über dich und deine Bewohner an Quatsch behauptet. Und Bielefeld erst…. Hach, ihr kennt das alles, oder?! Da müssen erst VNV NATION im Zuge ihrer “Electric Sun-Tour 2023” kommen, um all diese Gebäude aus bösen Lügen und Vorurteilen zum Einsturz zu bringen. Dank der Verstärkung durch die TRAITRS haben sie das spielend geschafft. Es war ein fast perfekter Konzertabend! Fast?! Ja, fast! Schuld an diesem kleinen Wort tragen die beiden Jungs aus Toronto, die den Abend eröffneten, aber dazu gleich mehr.

Die Spiele mögen beginnen

Das Wetter der letzten Tage war ja eher so eine Wundertüte. Was man bekommen würde, merkte man erst, wenn man seine Nase vor die Tür streckte. Ausgerechnet an diesem Freitag jedoch kam es zu einem Wetterumschwung: nass, kalt, stürmisch. Sieht so etwa die “Electric Sun” aus?! Die Fahrt nach Bielefeld geriet zu harter Arbeit. Kennt ihr, oder? Kräftiger Regen, Sturmböen und Dunkelheit sind in Kombination der Worst Case auf deutschen Autobahnen. Egal, wir haben es geschafft, etwa fünfzehn Minuten vor dem Öffnen der Tore auf dem Parkplatz vor dem Venue anzukommen. Doch halt, der Platz gehört einem Supermarkt und wir wurden von eben jenem wieder verwiesen. Also noch einmal los, die Platzsuche begann von vorn. Ab diesem Moment begann das Wasser vom Himmel kommend allmählich seinen Aggregatzustand zu ändern… Gefühlte zehn Kilometer weiter fanden wir eine Ecke zum Verstecken unseres Flugteppichs. Es folgte der Fußmarsch der Hölle Richtung Ringlokschuppen, denn der starke Schneefall wurde einem durch einen eisigen Sturm heftigst um die Ohren gehauen. Der Einlass am Veranstaltungsort klappte gottseidank so super schnell und einfach, dass man nicht erst bis auf die Knochen durchnässte und zügig in eine wohltemperierte Halle kam. Garderobe geriet etwas holpriger, aber auch schön schnell, somit viel Zeit zur Erkundung des Lokschuppens und dem Checken des Merchangebotes. Letzteres ist gut sortiert, allerdings ohne Medien von VNV NATION (die TRAITRS boten zwei Vinyl an), die Preise waren sehr human. VNV NATION-Shirts gibt es sogar bis zur Größe von 10- Mann-Zelten, was wir durchaus positiv erwähnenswert finden.

TRAITRS

Ab jetzt folgt das, worauf ihr doch eigentlich wartet: der Konzertbericht. Ja, bitte doch, geht ja schon los.

Beide Acts, also Support- als auch Main Act können als gutes Vorbild für die Deutsche Bahn dienen, denn PÜNKTLICHKEIT wird hier noch großgeschrieben, wie ihr seht. Punkt 20 Uhr stürmten Shawn Tucker und Sean-Patrick Nolan aka TRAITRS die Bühne, um die “Electric Sun” an diesem Abend aufgehen zu lassen. Die Halle war auch tatsächlich schon extrem gut gefüllt, danke an das Volk an dieser Stelle für diese Art der Unterstützung von Support Acts! Ein düsteres Intro ging über in „Oh Ballerina“ und das Duo war selbst bereits absolut auf Betriebstemperatur. Das hatten die Jungs dem Publikum voraus, wenngleich auch dort sofort etliche Hüften zu kreisen begannen. Sean-Patrick hatte hier die Funktion des Clowns: sehr theatralisch turnte er an den Synths und hatte seine Gesichtszüge nicht wirklich unter Kontrolle, tolles Augenfutter, muss man zugeben. Shawn wiederum rannte wie ein Berserker für sein Gitarrensolo über die Bühne, herrlich ungruftig und voller Leben.

In etwa 35 Minuten packte die 2015 als Nebenprojekt der THE FUTURELESS gegründete kanadische Band einen schönen Querschnitt über ihr bisheriges Schaffen aus. Und die Crowd konnte damit offenbar tatsächlich etwas anfangen, denn am Ende des Sets tanzte fast der ganze Saal. Noch leicht schüchtern und ressourcenschonend, aber eben in Bewegung. Nach „Mouth Poisons“, dem zweiten Song des Abends, begrüßte Shawn das Publikum und scherzte über das mitgebrachte kanadische Wetter. Sie waren also Schuld an diesen Kapriolen, welche da außerhalb des beheizten Schuppens tobten. Egal, zurück zum Wesentlichen. Die TRAITRS lieferten eine frische Version des Post Punk, garniert mit wavigen bis hin zu Cold Wave-typischen Basslines. Stimmlich so ein bisserl Robert Smith in jung, was für dieses Genre ja durchaus als typisch bezeichnet werden kann. Die Soundtechnik des Ringlokschuppens zeigte hier allerdings auch seine erste kleine Schwäche: Shawns Stimme und Sean-Patricks Synths teilten sich oft den gleichen Frequenzraum. Zusammen mit dem vielen Hall auf den Vocals wurden selbige oft schwer erkennbar. Sei es drum, es hat Spaß gemacht und war letztlich viel zu kurz.

So, bis hierhin habt ihr bereits 666 teuflische Worte gelesen und noch immer nicht den Höhepunkt erreicht. Tolle Taktik des Hinauszögerns, oder? Bevor die Klimax erreicht wird, hier noch schnell die Setlist:

  1. Oh Ballerina
  2. Mouth Poisons
  3. Still From Her Sores
  4. Magdalene
  5. The Lovely Wounded
  6. The Suffering of Spiders
  7. Thin Flesh
  8. Bird’s Love

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Fotos: Mirco Wenzel

Die Lichtspiel- Saison 2023 ist eröffnet

Ronan hat für die Electric Sun-Tour ein ungewöhnliches Konzept gewählt: als Opener dient ausgerechnet die erst vor kurzem veröffentlichte Single „Before The Rain“. Die Meinungen über dieses Stück gehen ja ein bisserl auseinander, aber man kommt nicht umhin, es als typischen VNV NATION-Song zu bezeichnen. Und somit gelang der Band das Kunststück, das Feiervolk sofort mit den ersten Tönen auf Linie zu bringen. Es wurde umgehend ausgiebig getanzt und gefeiert. Chapeau, Ronan, das haben wir so schon lange nicht mehr gesehen.
Unser Mastermind hatte offensichtlich sehr gute Laune und das übertrug sich auch ohne große Aktionen und Ansprachen direkt auf die Crowd. Die Songs wurden alle angekündigt, aber sonst gab es noch keine weiteren Interaktionen. Zudem stand bereits jetzt wirklich nahezu niemand mehr still. Erst jetzt folgte die offizielle Begrüßung und der Hinweis, dass die aktuellen Wetterwechsel auch an unserer Future Pop-Ikone nicht spurlos vorbeigingen. Der in schlichtem schwarz gekleidete Wahl-Hamburger fasste es kurz zusammen: „Stimme da, Nase nicht“. Und ja, er schien etwas kurzatmiger als üblich, stand den Abend aber gut durch.
Überhaupt war er zwar guter Laune, aber nicht so überdreht wie manch anderes Mal. Ab und an setzte er mit dem Gesang aus, um Herzchengesten in die Masse zu senden oder die Hände zum Dank zu falten, aber kein bis zur Unkenntlichkeit Zerbröseln von Liedern. Was nun wiederum nicht heißt, dass es emotionslos zugegangen wäre. Ihr kennt Ronan, das wäre kaum möglich. Er war beispielweise tief beeindruckt von der Textsicherheit eines erst Vierzehnjährigen, der „Further“ inbrünstig mitträllerte. Zum Dank kletterte er nach Abschluss der Show sogar über Boxentürme, um die Setlist des Abends mit den Worten „Ich gebe die Setlist an den Nachwuchs. Ich bin wie Bernd das Brot: zu kurze Arme“, zu überreichen. Gemeint war eine junge Gruppe Nachwuchs- Fans vor dem rechten Boxenturm. Ihr seht, emotional wurde es also immer wieder.
Den Abschluss des regulären Sets bildete der Neuling „Prophet“, der zusammen mit dem „Invictus“ die Erwartungshaltung auf das Album ins Unermessliche gesteigert hatte. Diese beiden Nummern wissen zu begeistern und werden auf Garantie die nächsten Jahre fester Bestandteil von VNV NATION-Konzerten sein. Üblicherweise stehen die Leute ja meist da wie die Ölgötzen und checken neue Songs vorsichtig ab. Nicht so in Bielefeld, denn da wurde die Energie des Songs sofort in ausgelassenes Tanzen transformiert. Bis hierhin begleitete uns zudem eine ausgesprochen bunte Lightshow mit tollen Effekten und einer sehr aktiven Videowand im Rücken der Band. Das war nicht nur beeindruckend, sondern steht dem Sound der Band verdammt gut zu Gesicht, und sorgte sicherlich auch mit für die gute Stimmung im Saal.
Apropos gute Stimmung: mindestens die erste Hälfte sang problemlos alles mit und übernahm sauber Ronans geforderte Einsätze, was ihn wiederum sehr beeindruckte. Lautstark wurde nach Abschluss des Sets geklatscht, gejohlt und nach Zugaben gerufen.

Und klar, natürlich gab es die. Ronan hielt eine Ansprache und bedankte sich bei allen Menschen, die Alben, Tickets und Co. kaufen und so aktiv auf Konzerten feiern, mit den Worten „Your energy gives us energy“.
Dann ging die “Electric Sun” unter und es wurde dunkel, als „Illusion“ begann. Das Licht erwachte erst mit der Steigerung des Liedes, die Videowand blieb jedoch hier, genau wie auch bei „Solitary“ und „Darkangel“, aus.
Noch einmal Pause und dann gab es eine zweite Encore.

Diese begann mit „Nova“, bei der die Videowand wunderschöne Bilder zauberte. Im Anschluss wurde mit „Beloved“ noch einmal ein ganz besonderer und stilprägender Klassiker gespielt, bevor mit „All Our Sins“ dann das endgültige Ende des Konzertabends eingeläutet wurde. Die Halle leerte sich nur langsam, denn Ronan sprach und interagierte mit den Fans noch gute weitere zehn Minuten, bevor auch er langsam von der Bühne verschwand. Ein guter Teil der Meute blieb zur anschließenden Disko gleich vor Ort, der Rest machte sich auf, die Schneehaufen vor der Tür nach den eigenen Autos abzusuchen.

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Fotos: Mirco Wenzel

Fazit:
Bis auf ein paar kleine Mängel im Sound, die wir bereits bei den TRAITRS fanden, und die das Drum Set von VNV NATION bisweilen als Fehltöne erscheinen ließen, war das ein wirklich gelungener Abend. Das Licht- und Video-Konzept der Tour ist auf jeden Fall eine Augenweide und hebt die Musik der Band auf ganz neue Level. Sie unterstreicht das Motto der “Electric Sun-Tour 2023” fett und passend. Die Location ist angenehm, gut organisiert, super belüftet und einladend. Die Stimmung der Besucher und ihr Verhalten untereinander war von einer wunderschönen Langweiligkeit. Ja, das ist tatsächlich positiv gemeint. Der Saal war wirklich gut gefüllt und dennoch gab es kein Drängeln, Rempeln, irgendwas – einfach eine homogene Feiermasse. So wünscht man sich das eigentlich immer. Etwas schade ist, dass das Recycling-Konzept des Ringlokschuppens nicht so recht aufging. Die Mehrweg-Becher wurden leider zu einem großen Teil auf der Tanzfläche zertrampelt, aber das bekommen wir sicher in Zukunft auch noch besser hin, da sind wir uns sicher.

In einer ersten Version dieses Artikels haben sich ein paar kleine Fehler eingeschlichen, die dank der guten Fan- Community schnell korrigiert werden konnten. Einen herzlichen Dank an diese besondere Community, denn auch ihr habt sehr zu diesem besonderen Abend beigetragen.

Für die ganz Genauen gibt’s hier natürlich auch eine Setlist:

  1. Before the Rain
  2. Sentinel
  3. Primary
  4. The Farthest Star
  5. When Is the Future?
  6. Retaliate
  7. Epicentre
  8. Chrome
  9. Control
  10. Further
  11. Homeward
  12. Invictus
  13. Immersed
  14. Resolution
  15. Prophet

Encore 1:

  1. Illusion
  2. Solitary
  3. Darkangel

Encore 2:

  1. Nova
  2. Beloved
  3. All Our Sins

Das Album „Electric Sun“ wird am 14. April erscheinen und kann überall im Musikhandel vorbestellt werden. Mehr Infos dazu auf Facebook, der Homepage von VNV NATION und demnächst auch hier. Die TRAITRS wiederum werden zusätzlich zum Tour-Support für VNV NATION auch ein paar Headline-Konzerte in Deutschland zum Besten geben. Infos dazu findet ihr hier und hier.

Noch viel mehr Infos, Reviews, SPOTLIGHTs und bildgewaltige Konzertberichte findet ihr auf unserer Webpräsenz und natürlich auf Facebook und Instagram, sowie Youtube.

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