Review: PLOHO – Когда Душа Cпит

PLOHO sind eines der Phänomene unserer Zeit: Musik im Stile längst vergangener Zeiten mit Anleihen an regional beliebten Stilistiken und in der Muttersprache gesungen, werden in Subkulturen weltweit regelrecht gehyped. „Когда Душа Cпит“ wird das neue Album der sibirischen Post Punker heißen, auf Deutsch etwa „Wenn die Seele schläft“.
Schauen wir uns doch erstmal die Künstler und das Phänomen an, bevor wir einen genaueren Blick auf das neueste Werk werfen.

PLOHO Promo
(c) 2021 Artur Mamleev

PLOHO wurden 2013 im sibirischen Nowosibirsk gegründet, was allerding an sich nur bedingt den Hang zur unterkühlten Musik erklärt. PLOHO bedeutet übrigens so viel wie „schlecht“, was keinesfalls ihre Fertigkeiten an Instrumenten, oder das Songwriting beschreibt. Der Name ist nur konsequent, wenn man das drumherum beleuchtet und Vergleiche zu anderen Acts herstellt.
Die 3 Sibirer beschreiben heute eine Welt, die nur die älteren von uns noch aus einer Jugend während der 1970er und 80er im Ostblock und den großen Industrierevieren des Westens noch kennen dürften, denen die deutsche Band CHAOS Z (Vorgänger der immer noch aktiven FLIEHENDE STÜRME) schon Anfang der Achtziger mit „Alles ist grau“ ein denkwürdiges Endzeit- Hardcore Punk- Denkmal setzten.
Sie beschreiben ein Leben in der Tristesse der Provinz, zwischen Plattenbauten, Rauchschwaden der Industrieschlote und gemeinschaftlicher Einsamkeit ohne Ausblick in eine bessere Zukunft.

Was tun in solch einer Umgebung? Brav wie ein Roboter den Nine to Five- Job verrichten, bevor es in der „Arbeiteraufbewahrungsbox“ ans saufen und fortpflanzen geht, weil man sonst nichts machen kann? Oder mit dem Problem kreativ umgehen und es in düsteren und schweren Songs besingen?
Ihr ahnt es, die Mitglieder von PLOHO entschieden sich für Letzteres. Ihr Stil verwebt Post Punk, New und Dark Wave mit schwermütigem russischem Pop der späten Achtziger.
Nach der Gründung vergingen noch einige Jahre mit einigen Self Releases, bevor sie 2019 ein Album auf einem russischen Post Punk Label veröffentlichen konnten.
Bereits 2015 erschien so der Titel „Новостройки (Neubauten)“, der Anfang diesen Jahres als deutschsprachiges Re- Release „Plattenbauten“ noch einmal ein Ausrufezeichen setzte:

2020 heuerten PLOHO auf dem kanadischen Label ARTOFFACT an, wo sie mit unter anderem AYRIA, ACTORS, LEATHERS, BOOTBLACKS, KÆLAN MIKLA, THE FOREIGN RESORT, KANGA und NOISE UNIT eine illustre Auswahl an Szene Acts zu ihren Kollegen zählen können.

So, genug der Basics, kommen wir zum Wesentlichen: „Когда Душа Cпит (Wenn die Seele schläft)“…

Das Album beginnt äußerst düster mit „Занавес (Vorhang)“, bringt mit „Если бы ты была морем (Wenn Du das Meer wärest)“ etwas mehr auflockernde elektronische Elemente mit ein und wird bereits etwas angenehmer konsumierbar, ohne seine kühle Tiefe aufzugeben.
Ihr merkt an dieser Stelle bereits, dass es dem Verfasser schwerfällt, den Titeln mit immer neuen Phrasen beizukommen. Aber ehrlich, brauchen wir das? Wohl kaum. Man kann bereits an dieser Stelle spoilern, dass dieses Album eher nichts für fröhliche Familienfeste ist und maximal dem ganz jungen Nachwuchs als erste Engtanzbegleitung taugt, wenn dieser der gesungenen Sprache nicht mächtig ist.
„Магнитофон (Tonbandgerät)“ öffnet den Stil immer weiter Richtung Post Punk, um bei „не говори никогда (Sag niemals Nie)“ schon fast in höchster „Grufti Ekstase“ aufzugehen. Wer diesen Song hört, während er am Kleiderschrank nach dem passenden Outfit für den Abend sucht, wird zwangsläufig zum „fröhlichen Schwarz“ greifen. Hier lohnt sich ein Vergleich mit den Urgesteinen der Szene: PLOHO sind so etwas wie der traurige kleine Bruder von THE CURE. „Фантомные чувства (Phantomgefühle)“ hat ein Intro zum Dahinschmelzen und reißt den Popo der Hörer*innen definitiv hoch und „Замыкание цепи (Kurzschluss)“ hält diesen Level spielend. Wieder deutlich dystopischer wird es bei „Иди и смотри (Geh und sieh)“, wenngleich der Refrain so etwas wie Aufbruchstimmung vermittelt, kling es alles andere als optimistisch.
Der Partyhit dieses Albums ist ganz sicher „Не будем прощаться (Lass uns nicht „Auf Wiedersehen“ sagen)“, denn hier tritt eine faszinierende Fröhlichkeit in den Vordergrund, zu der man sich sofort auf der Tanzfläche eines Szene Clubs sieht. Aufgrund seiner Fähigkeit, ein Gefühl des Ausbruchs aus der Tristesse zu vermitteln, qualifiziert sich dieser Track zum Favoriten des Albums, wovon ihr euch hier überzeugen könnt:

Den würdigen Abschluss bildet „Ветер (Wind)“, der einen wieder auf den Boden der traurigen Realität holt, ohne jedoch den Hörer direkt im Tränenmeer untergehen zu lassen.

Fazit

Vermutlich werden nur die wenigsten unserer Leser die Texte dieser Band verstehen, und doch schaffen es PLOHO, der Hörerschaft einen Eindruck ihres recht trostlosen Lebensgefühls zu vermitteln. An dieser Stelle empfiehlt sich eine Triggerwarnung für alle depressiven Musikjunkies. Die intensive Wirkung der musikalischen Stimmung kann durchaus den ein oder anderen kräftig runterziehen. Wir möchten Euch dieses Werk aus der jungen russischen „Doomer“ Szene dennoch wärmstens ans schwarze Herz nageln. Dieses Release ist ein Segen für jeden Liebhaber ursprünglicher Gothic Musik, ohne irgendwie altbacken daher zu kommen. Und gerade in Zeiten wie der aktuellen hat ein solch dystopisches Machwerk seine absolute Berechtigung!
Trotz der durchgängig sehr düsteren Grundstimmung schafft es die Band, einen wunderbaren Spannungsbogen zu erzeugen und einen traurigen, aber nicht hoffnungslosen Eindruck zu hinterlassen, großartig! Ein Meisterwerk dieser Stilrichtung.
Anspieltipp: „Не будем прощаться“

Bewertung: 9/10

Die Fakten:

Act:                  PLOHO
Release:          Когда Душа Cпит
Release Date: 04.11.2022
Label:              ARTOFFACT Records
Medien:          digital, CD und Vinyl
Quellen:         Bandcamp (Band Site und Label Shop), im Musikhandel und natürlich auf den großen Streamingplattformen

Tracklist:

  1. Занавес
  2. Если бы ты была морем
  3. Магнитофон
  4. Никогда не говори никогда
  5. Фантомные чувства
  6. Замыкание цепи
  7. Иди и смотри
  8. Не будем прощаться
  9. Ветер

Mehr Infos und Kontakt zu Band erhaltet ihr auf Facebook, https://www.instagram.com/plohoband/Instagram, oder über die ARTOFFACT Label Site.

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