Mehr “E-Mobilität” geht nicht! E-Tropolis-Festival 2022

So zuverlässig wie sich die Blätter im Herbst verfärben und zu Boden fallen, trifft sich in Oberhausen das Who-is-Who der Electro-Szene beim E-Tropolis-Festival. Der ehemals “kleine Bruder vom Amphi” ist längst erwachsen geworden und lockt eine vielfältige Coleur an Zuhörern in die ehrwürdige Turbinenhalle. Auch während der allgemeinen Energiekrise hat diese Veranstaltung nichts an Strahlkraft verloren und setzt eine enorme Menge Energie frei – während richtige Turbinen angeblich ja gerne mal ausfallen oder nicht lieferbar sein sollen. Das E-Tropolis liefert zuversichtlich und investierte vor allen anderen in “E-Mobilität” seiner Besucher! Natürlich gibt es Stimmen, die die immer gleichen Headliner und Line-ups der einschlägigen Festivals bemängeln, aber im Gewitter der Bässe, wenn der Sound körperlich wird und die ekstatischen Zuhörer kraftvoll durchströmt, sodass jede Zelle vibriert, sind diese Stimmen absolut nicht mehr zu hören.
Bei nur zwei Bühnen ist es theoretisch durchaus möglich, jede der 14 auftretenden Bands zu sehen, denn die Überschneidungen sind gering. Aber wir sind ja nicht beim Maschinenfest, sondern wir sind nur Menschen und brauchen zwischendurch auch mal Nährstoffe und Erholung. Die Halle Nummer 3 bietet hierfür reichlich Gelegenheit. Doch wir starteten natürlich frisch und frei um 14 Uhr mit SYNTH ATTACK. Die Meister des Harsh Electro sorgten für einen fulminanten Start auf der Main Stage. “Was zum Wachwerden!”, bemerkte Moderator Jens Domgörgen im Vorfeld. Schläfrig war aber eigentlich niemand und bei “Join Us” fühlte sich gleich jeder eingeladen, zu einer tanzenden Menge zu verschmelzen. Opener hin oder her, die Halle war auch gleich etwa halbvoll, schließlich war das Programm auf der 2nd Stage noch gar nicht gestartet. Dank der dynamischen Lyric-Videos, die SYNTH ATTACK auf der Videoleinwand abspielte, konnten auch angehende Fans die Texte problemlos mitsingen. Tanzgaranten wie “Addicted To The Thrill” und “Circle Of Pain” rüttelten alle Anwesenden kräftig durch. Bei dem letztgenannten Song zog die Bass-Intensität noch einmal deutlich an: Wundervoll! Auch die beiden Tänzerinnen führten durch die intensive Animation zu deutlicher Aktionssteigerung im Publikum. Um nochmal auf Jens’ Anmoderation zurückzukommen: “Insomnia”, das FAITHLESS-Cover sorgte noch einmal für einen Begeisterungs-Peak und auch die aktuelle Single “Electro In My Body” kam sehr gut an. SYNTH ATTACK lieferten ein stimmiges Gesamtbild und erfüllten ihre Aufgabe bravourös, alle Anwesenden in nachhaltige Wallung zu versetzen.

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Als nächstes beehrten uns die “Venga(rd)-Boys”, besser bekannt als VANGUARD. Die Schweden waren für die krankheitsbedingt leider ausgefallenen, beliebten Lokalmatadore RROYCE eingesprungen. Die Dortmunder holen ihren Auftritt aber auf dem E-Tropolis 2023 nach. VANGUARD indes traten mit leuchtenden Bandlogos auf den Shirts auf und präsentierten ihren Göteborger Synthpop. Sänger Patrick wirkte anfangs etwas schüchtern, blieb eine Zeitlang mit seiner Performance hinter den treibenden Beats der Musik zurück, aber im Laufe des Sets nutzte er die große Bühne besser aus und suchte den Kontakt zum Publikum. Präsentiert wurden hauptsächlich Songs aus den Alben “Manifest” und “Spectrum” wie z.B. “Move Out” und “Open Sky”. Die Textzeile “A brighter future lies before me” war für viele der Anwesenden aufgrund der aktuellen Sorgen sicherlich schwierig zu glauben, spendete aber doch ein Quantum Trost bzw. Hoffnung. Wo steht eigentlich geschrieben, dass skandinavische Metal-Bands das Monopol auf mythologische Thematiken haben? Auch elektronische Nordländer können sich dieser Themen bedienen, wie VANGUARD mit “Ragnarök” bewiesen. Mit der Single “Save Me” klang das Set letztendlich aus.

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Nun wurde auch die 2nd Stage feierlich eröffnet, für viele dürfte die erste Band MILDREDA allerdings noch unbekannt gewesen sein. Das Duo bot eine druckvolle Performance und untermalte seine Show mit düsteren Schwarz-Weiß-Bildern auf der Leinwand, z.B. Puppen, Gliedmaßen, und kahlen Landschaften sowie religiösen Motiven wie Kreuzen und Heiligenbildern. Sänger Jan brüllte meist ins Mikro, unterstützt von den klagenden Synthies. Die entstehende Stimmung war verzweifelt und schmerzhaft, was dem Schwarzvolk sicherlich nicht unwillkommen war.

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Wer es etwas dynamischer mochte, konnte beizeiten wieder zur Main Stage wechseln, wo die Niederländer von GRENDEL alteingesessene wie neue Fans in ihre Welt zogen. Nach einigen Songs aus dem 2017er Opus “Age Of The Disposable Body” kam auch der Hit “Timewave: Zero” aus dem Jahr 2012 zur Aufführung, den sicherlich die meisten mitsingen können. Nach der soundtechnisch doch eher durchwachsenen Show auf dem Wave Gotik Treffen bewiesen GRENDEL hier wieder, dass sie zurecht zur Speerspitze des Aggrotech gehören. Der Sänger forderte immer wieder die aktive Mitarbeit des Publikums ein und tigerte ruhelos über die Bühne. Aber wer kann bei Songs wie “Fall LIke Rome” auch bitteschön stillstehen bleiben? Wer in stillen Stunden gerne Klavierballaden hört, um seine verwundete Seele zu streicheln oder sich noch von den Nadelstichen von MILDREDA erholen musste, konnte hier jedenfalls nicht auf Rücksicht hoffen. Hier wurde getanzt. Punkt!

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Apropos Tanzen! Das Ganze geht doch auch mit weniger subtilen Texten und mehr “Auf-die-Fresse-Attitüde”, richtig? Hier wusste jeder, was ‘Attitüde’ heißt und die Zeremonienmeister des feuchtfröhlichen Spektakels auf der 2nd Stage hießen natürlich CENTHRON. Diese Band ist schon ein Phänomen und selbstverständlich mag sie nicht jeder. Doch jemand muss die vulgäre Nische schließlich besetzen, wenn AGONOIZE verhindert sind. Elmar Schmidt und seine Truppe legten mit “Einheit C” los und dann folgte ein weiterer Beweis für die These, dass nordische Mythologie nicht nur im Bärenfell gut aussieht, sondern auch im Cybergewand: “Fylgja”. Die gleichnamigen Schutzgeister begleiten Menschen von Geburt an und zeigen sich erst zum Zeitpunkt des Todes. Wem das zu deep war, der konnte sich natürlich auf Klassiker wie “Dreckstück” verlassen. Bei “Allvater” wurde von Schmidt höchstselbst die CENTHRON-Fahne geschwenkt. Kritiker mit recht feinem Gehör attestierten bereits bei diesem Konzert eine nachlassende Soundqualität auf der 2nd Stage, ich für meinen Teil kann das nicht bestätigen. “Pornoqueen”, “Cunt” und “666” klangen hart wie immer und forderten die Multitasking-Qualitäten der Zuhörer ein: Tanzen und Mitsingen gleichzeitig. Auch ohne eine Tourette-Erkrankung muss sich hier niemand schämen, ungeniert Schimpfworte zu brüllen oder sprachlichen Obszönitäten zu frönen.

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Nebenan beserkte derweil das dänische Urgestein LEÆTHER STRIP drauf los. Claus Larsen verfolgte vorher bereits die Konzerte der Kollegen vom Balkon über der Main Stage, jetzt war er selbst gefordert. Wie schon in Leipzig am Vortag des Out of Line Weekenders stand er allein auf der Bühne, mal hinter dem Synthie-Pult, mal mit dem Mikrofon vorne am Bühnenrand. Larsen war gut drauf, headbangte zur Bassline, hüpfte über die Bühne und flirtete spaßhaft mit dem Publikum. Die Leinwand spuckte begleitend Bilder wie aus der Körperwelten-Ausstellung aus, während Larsen auch musikalisch sein Innerstes nach Außen kehrte. Das dreißig Jahre alte “Strap Me Down” wurde begeistert mitgesungen, die Chemie stimmte. Das äußerte sich auch in wilden Moshpits in der Saalmitte und wer eine Aversion gegen Bierduschen hatte, musste bisweilen bemerkenswert agil sein, um auszuweichen. Als sich jemand im vorderen Drittel über die hopfige Nasszuwendung beschwerte, bekam er von seinem Begleiter nur die Antwort: “Ich habe es dir doch gesagt: EBM, ist kein Kindergeburtstag”. Wobei sich Larsen durchaus im metaphorischen “Topfschlagen” versuchte und die Menge mit einem ständigen Soundgewitter bestrahlte. “Let me see your hands, come on!”, duldete er keine Ermüdungserscheinungen. Bei “Japanese Bodies” waren einige der Poger bereits ermüdet, während alle anderen dem sichtlich beglückten Larsen zujubelten.

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Auf der 2nd Stage nahm das Schicksal derweil seinen Lauf. Leidtragende waren ausgerechnet die eher exotischen THE JOKE JAY, die leider mit massiven technischen Problemen zu kämpfen hatten und erst zwanzig Minuten nach dem angesetzten Konzertstart beginnen konnten. Die sehr ambitionierte Soundtechnik der Band mit zig Kabeln am Keyboard überforderte offenbar die örtlichen Verhältnisse. “Wir müssen uns ein wenig sputen”, vermeldete Joke von der Bühne. “Awake” und “Moonage Daydream” brachte man noch halbwegs unter widrigen Umständen zur Aufführung, aber es zeichnete sich bereits ab, dass der Zeitdruck, Stress und Frustration sich mehr und mehr Bahn brachen. “Hilton, merkst du was? Wir gehören hier nicht hin”, klang es schließlich von der Bühne. “Wir sehen uns bei Rock am Ring”. Der Song “Most Of The Tears” bewies aber auch, was diese Band auf dem Kasten hat, denn hier hatte sich der Sound endlich eingependelt. Leider war die Zeit da schon ziemlich rum und der letzte Song wurde nach zehn Sekunden wegen des Time-outs abgebrochen. Sehr schade, dass der Auftritt so schiefgelaufen ist. Schließlich sind Bands wie THE JOKE JAY eine sehr erfrischende und willkommene Abwechslung im Line-up.

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Rüber zu FADERHEAD, dem berühmtesten Iro der Schwarzen Szene. Der Hamburger hatte wie üblich seine formidable Soundstation aufgebaut, die jeden 1. Reihe-DJ neidisch machen würde und präsentierte sich dem aufgeputschten Publikum auch mit durchweg guter Laune. “Acid Witch” gab gleich den Highspeed-Fahrplan für diesen Gig vor und die Energie ließ nicht nach. Die Turbine musste schließlich angetrieben werden und für das Schwergewicht benötigte man schon das hochpotente E-Fuel aus dem Hause FADERHEAD. Zunächst wurde auch kräftig reingefeuert und ohne Pause erst “Generation Black” und dann “Know Your Darkness” und “The Other Side Of Doom” abgefeiert. Als der Fronter schließlich ironisch “eine weitere Ballade” ankündigte, wussten alteingesessene Jünger schon, was kommt. “No Gods, No Flags, No Bullshit” ist eine der besten Mitsing-Nummern der Hansestädter, dazu gab es natürlich auch das passende Video präsentiert, das leider schmerzhaft aktuell ist. Mit “All Black Everything” wurde auch die sehr… optimistische, aktuelle Single von “Year Of The Serpent” gespielt. Dann gab es auch noch den “ersten Halloween-Song” von FADERHEAD zu hören, das sehr eingängige “Halloween Spooky Queens”. Der Song ist in einer 2022er-Version interessanterweise kostenlos über Soundcloud downloadbar auf spooky.faderhead.com.
Der Überhit “Tanz, Zwo, Drei, Vier” durfte selbstredend ganz am Ende auch nicht fehlen.

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Während FADERHEAD abebbte, konnte man aus Halle 2 immer noch lautes Gewummer vernehmen, da der Herbst dort kurzerhand übersprungen worden und gleich zur WINTERKÄLTE übergeleitet worden war. Die Pioniere des Rhythm n’ Noise boten Abwechslung für die Anhänger jenes Substils und der stimmlose, brachiale Sound schien wie geschaffen für die alten Industriegemäuer, er fügte sich symbiotisch in die Kulisse ein.

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Harte Brüche sind auf solch vielfältigen Festivals wie dem E-Tropolis an der Tagesordnung. Von der Stahlsense nebenan zum Stilett auf der Main Stage. SOLAR FAKE aus Berlin gaben sich einmal mehr die Ehre, nach vielen gefeierten E-Tropolis-Auftritten zuvor. Seit 2013 ist die Band zuverlässig alle zwei Jahre am Start. Als die Subventionen für die Solarindustrie in Deutschland fahrlässigerweise heruntergefahren wurden und viele Unternehmen der Branche in die Insolvenz gehen mussten, hielt sich SOLAR FAKE zum Glück tapfer auf den Beinen und heute sind die Jungs stärker denn je. Das Set begann kämpferisch mit “Sick Of You” und mit André zunächst am Bass. Der wahnsinnige Tastenprügler kann auch Saite! Den Abend über wechselte er immer wieder zwischen beiden Instrumenten hin und her, passioniert berserkend wie immer. “Schön wieder da zu sein”, rief sein Kollege Sven von der Bühne in die jubelnde Menge und kündigte mit “This Pretty Life” sogleich die erste Single vom aktuellen Album an. Danach folgte eine Reihe von altbekannten Hits, die wie üblich das volle Mitsingpotenzial der Fans abriefen, bis das fulminante Finale mit dem EDITORS-Kracher “Papilion” (Sven wies auf das neue Album der Kollegen hin) und natürlich “Observer” (Sprunggelenkbelastungstest) abbrannte.

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AGENT SIDE GRINDER hatten leider auf der 2nd Stage mit ähnlichen Sound-Problemen und der allgemeinen Verspätung zu kämpfen wie THE JOKE JAY und reihten sich somit in die Reihe der Frustrierten ein. Die Schweden bedankten sich trotzdem nach dem Konzert auf Facebook und ernteten viel tröstenden Zuspruch von der Fanbase.

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Die Main Stage blieb glücklicherweise verschont, hier konnte weiterhin amtlich abgeliefert werden. COMBICHRIST hatten mit dem Versprechen, ein Oldschool-Set zu präsentieren, für eine volle Halle gesorgt. Ich gehöre zu den Fans, die die Aggrotech-Vergangenheit von Andy LaPleguas Truppe weitaus mehr verehren als die jüngsten metallischen Ergüsse. Es gibt einfach keine andere Band, die eine dermaßen brutale Soundwand aufbauen, sowie mit Lyrics und Bühnenpräsenz der Akteure dermaßen überzeugen kann. Wenn dann noch der Sound gut eingestellt und abgemischt ist, wird man praktisch von COMBICHRIST in der Luft zerfetzt – und genießt es auch noch. Dies war so ein Abend. Es ging direkt auf 120% los, mit den Klassikern “What The Fuck Is Wrong With You?”, “Without Emotions” und “Blut Royale”. Lediglich begleitet von Elliot Berlin, arbeitete sich Andy ruhelos durch die formidablen Frühwerke “”Everybody Hates You” und “What The Fuck Is Wrong With You, People?”, während die Menge alle Hemmungen fallen ließ. Die ersten Alben waren einfach Meisterwerke des harshen Electro, mit dem Schlüssel dazu, vor allem in der vielfach gesteigerten Intensität der Live-Performance, jene düsteren Orte in den Seelen der Menschen aufzuschließen, in denen archaische, dunkle Gefühle normalerweise sicher weggeschlossen sind. COMBICHRIST sprengen die massiven Türen und Ketten entzwei und befreien die Ghule, die dort lauern. Am Ende ist man, wie man so schön sagt “a mess” und springt nur noch auf und ab, brüllt frenetisch und reckt manisch die Faust. Der sichtlich zufriedene Fronter grinste immer mal wieder diabolisch und bekannte zwischendurch: “Feels good to do this old shit”. Nach Brechern wie “Get Your Body Beat” und “Fuck That Shit” bedankte er sich noch einmal für den Support und rief auch weiterhin dazu auf, Künstler zu unterstützen, denn: “Live music is fucking everything. Fuck politics!”. Gegen Ende folgte dann sogar ein selten gespieltes Kleinod vom Debütalbum: “God Wrapped In Plastic”. COMBICHRIST waren schlicht DAS E-Tropolis-Highlight in diesem Jahr!

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Die Probleme an der 2nd Stage hatten sich natürlich herumgesprochen, sodass weit weniger Leute rüberpendelten. Aber der Stage-Headliner AESTHETIC PERFECTION konnte sich natürlich trotzdem auf seine äußerst breite Fanbase verlassen. Nach dem optisch äußerst extravaganten Auftritt auf dem Amphi-Festival waren die Fans natürlich nicht nur auf den Sound gespannt, sondern auch auf die Outfits. Der Schnäuzer von Frontmann Daniel ist (endlich) Geschichte, weiße Schminke im Gesicht gab es aber trotzdem noch, dazu ein schwarzer Lack-Regenhut und ein schwarzes Shirt mit goldenen Totenköpfen. Der Hawaii-Hemd-Look vom Amphi ist also vergangen. Seine beiden Mitstreiter kamen schlicht in schwarzen Outfits und mit den glitzernden Masken, die auf dieser Tour Usus waren, daher. Leider gab es auch beim Set von AESTHETIC PERFECTION anfangs noch Soundprobleme, aber das sollte sich im Laufe des Gigs glücklicherweise bessern. Nach “Gods & Gold” wurde “SEX” performt. Für “Antibody” wurde die Messlatte an Publikums-Mitarbeit nochmal hochgehängt. Daniel Graves duldet keine Trägheit, er liebt seine Musik und er ist bekannt dafür, mit dem Publikum zu interagieren und auch von diesem Resonanz einzufordern. Für den erwähnten Hit wollte er ein springendes Auditorium und zwar “…as high as you can”. Er will es und so ist es Brauch, was er will, bekam er auch! AESTHETIC PERFECTION-Fans wissen schon lange: Blood spills not far from the wound. Und so, war es kein Wunder, dass “Spilling Wound” gespielt wurde, ein Coversong, ursprünglich von NECESSARY RESPONSE. Das Publikum respondete adäquat, erleichtert, dass die Soundprobleme sich allmählich gelegt hatten, sodass man das Konzert wieder zu 100% genießen konnte. Als alter AP-Fan, der mit “All Beauty Destroyed” “sozialisiert” worden war, freute ich mich besonders über dessen Titelsong im Set. Der wunderbar harte Titel zeigt eben auch eine Facette von der Band, der abseits der “Partyhits” anzusiedeln ist. Hier allerdings wurde der Titel in der ruhigen Version am Piano gespielt. Am Ende wurde es dann herrlich emotional. Da die Europa-Auftritte damit praktisch abgeschlossen waren und die Band kurz vor der Nordamerika-Tour stand, wurden endlich die beiden mysteriösen Musiker enthüllt, die Mastermind Graves während der letzten Monate begleitet hatten: Paul Winter an der Gitarre und Mike Schopf an den Drums sind auf dieser Tour zu Freunden geworden und haben uns begeistert. Danke an die beiden tollen Musiker für ihre Hingabe und Spielfreude, die sie uns immer wieder haben zuteil werden lassen. Die beiden Jungs wirkten sichtlich bewegt, als sie endlich die Masken ablegen und sich der begeisterten Menge zeigen durften. Auf der Nordamerika-Tour werden Joe Letz und Constance Antoinette ihre Plätze einnehmen. Mit offenem Visier performte AESTHETIC PERFECTION noch den Abschlusssong “Love Like Lies”.

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Headliner-Time in der Turbinenhalle! Auf der Mainstage wurden gleich zwei Schlagzeuge aufgebaut. Ein sicheres Zeichen, dass die Szene-Schwergewichte PROJECT PITCHFORK herannahten. Genauso berüchtigt für harte Bässe wie COMBICHRIST, aber schon wesentlich länger auf den Bühnen unterwegs. Peter Spilles und seine Mannen bringen seit jeher jeden Saal zum Überkochen. Und sind dabei absolut bodenständig geblieben. Der kurze Ausflug zu einem Major-Label änderte nichts daran, dass man hier einen Headliner “zum Anfassen” bekommt – ganz ohne Allüren. “Pitch-Black” läutete das große Finale ein. Viele würden einwenden, ein solch langer Song eigne sich nicht für ein Live-Set und schon gar nicht als Opener. Zum Glück sind PITCHFORK solche Dinge herzlich egal. Allerdings musste direkt mal das Mikrofon getauscht werden. Einem Peter Spilles hält natürlich nicht jedes x-beliebige Wald-und Wiesen-Mikro stand! Die Streuung der Setbestandteile über die einzelnen Alben war bemerkenswert. Ganze 12 Alben/EPs kamen in dem 90-minütigen Set zu ihrem Recht, wir bekamen also eine Werkschau von beachtlicher Tiefe und Breite präsentiert – natürlich mit dem gewohnten Presslufthammer-Druck der pitchfork’schen, berüchtigten Live-Performance direkt aus der Basshölle. Ob alte, politisch eingefärbte Schätzchen wie “K.N.K.A”, große Dancefloor-Hits wie “Timekiller” (ein paar von euch haben automatisch die langgezogenen Backing Vocals des And One-Covers mitgesungen, Schande über euch!) und “Beholder” oder ruhige, nachdenkliche Stücke wie “Acid Ocean” und “Rain” – einen schöneren Abschluss als dieses Konzert hätte es für das E-tropolis 2022 nicht geben können. “Danke! IHR seid die Szene”, rief der sympathische Fronter mehrmals. Bemekenswert ist es stets, wie PROJECT PITCHFORK langjährige Szenegänger mit Frischlingen zusammenführen können. Scheinbar bildet die Liebe zu dieser Band ein Scharnier zwischen den Generationen. Bei der zweiten Zugabe “Onyx” hüpfte Peter beim Refrain über die Bühne und sang hingebungsvoll stakkatös ins Mikro. Man merkt, dass PROJECT PITCHFORK auch nach all den Jahrzehnten immer noch Bock haben. Nach “Souls” vom 1992er-Akbum “Entities” war aber dann leider endgültig Schluss und da nach den ästhetischen Perfektionisten auch auf der 2nd Stage bereits der Vorhang gefallen war, gab es jetzt nur noch die Aftershowparty.

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Diese war natürlich, wie es sich für Veranstaltungen der Amphi Festival GmbH gehört, ebenfalls hochkarätig und wurde neben DJ BJØRN (SYSTEM NOIRE) auch von DJ LO-RENZ von der SubKultur Hannover bespielt. So konnte bei Bedarf und Kraft noch bis ca. 4 Uhr morgens weitergefeiert werden, bevor die Tore der Etropolis sich endgültig schlossen. Natürlich mit der Verheißung, sich im nächsten Jahr wieder zu öffnen… Und wer wird uns im nächsten Jahr bespaßen? Ihr wollt dabei sein? Erste Infos bekommt ihr HIER

Fotos: Nadine Kloppert, Cynthia Theisinger und Mirco Wenzel

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