REVIEW: VAN CANTO – “To The Power Of Eight”
Nach langer Zeit mal wieder ein Album zu rezensieren, noch dazu von einer Band, die man sehr gerne mag wie VAN CANTO, ist ein schönes Gefühl. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an „To The Power Of Eight“, das am 4. Juni erscheint.
Während die beiden für mich interessantesten Songs schon einmal über die Anlage laufen, werfe ich einen Blick in den Promo-Text von Napalm Records. Nichts Spannendes, das übliche Gerede, Philip Dennis Schunke alias „Sly“ ist als dritter Leadsänger auf dem Album zu hören. Stop! Ich lese nochmal: Sly ist wieder dabei. Ich bin angefixt, noch bevor „Run to the Hills“, (Cover Iron Maiden) das erste Mal durchgelaufen ist. Das Gefühl ist so, wie zuletzt auf dem Summer Breeze 2019, als Van Canto einen besonderen Gast ankündigten und Sly auf die Bühne kam. Zugegeben, ich war dankbar, dass nicht viele Crowdsurfer da waren, um die ich mich als Grabenschlampe hätte kümmern müssen. So konnte ich den Moment vollständig genießen. In der Zwischenzeit habe ich auf „Raise Your Horns“ (Cover Amon Amarth) geklickt und mir einen Whiskey eingegossen.
Das Intro, gleichnamig wie der Albumtitel, ist ein klassischer erster Track auf einem Album. Ehrlich gesagt: melodisch, aber etwas belanglos. Statt knapp zwei Minuten hätte es auch eine Minute getan.
Das ist aber nicht wild, denn „Dead By The Night“, aus eigener Feder, geht direkt in die vollen. Der Song macht Spaß!
Auch die nächsten drei Songs, „Faith Focus Finish“, „Falling Down“ und „Heads Up High“ stammen aus eigener Feder und erfüllen meine Erwartungen. Mangels Instrumenten muss ja auf das zurückgegriffen werden, was da ist, wodurch echte Experimente schwierig umzusetzen sind. Sind wir einmal ehrlich: Bei „Experimenten“ mit der Stimme ist der Weg zu Autotune nicht weit. Wir sollten dankbar sein, dass um diese Softwarepest ein Bogen gemacht wird.
Song Nummer sechs ist endlich „Raise Your Horns“ und damit eine der wohl größten Herausforderungen als Coversong. Auf der einen Seite steht ein epischer Song, der durch die unverwechselbare Stimme von Johan Hegg kaum würdig zu covern ist. Auf der anderen Seite VAN CANTO, die schon in der Vergangenheit BLACK SABBATHs „Paranoid“ oder „Kings of Metal“ (Manowar) sehr erfolgreich gecovert haben. Ich bleibe jedoch hin- und hergerissen: VAN CANTO mit einer eigenen Interpretation mit eigenem Charme und Flair, die Gänsehaut erzeugt. Am Ende fehlt jedoch eine elementare Zutat: die Bassgitarre. “Raise Your Horns” bleibt in Summe etwas drucklos und ist trotzdem gut. Ich zweifel jedoch daran, dass der Song live überzeugen wird.
Es folgt „Turn Back Time“. Die Zeit muss man gar nicht zurückdrehen wollen, ein einfacher Klick auf „Repeat“ reicht doch. Der Song ist bei mir definitiv vorgemerkt für meine Playlists.
Der zweite Song, dem eine besondere Erwartungshaltung galt, ist „Run To The Hills“ von Iron Maiden. Nach dem „Fear Of The Dark“-Cover vom Hero-Album lag die Messlatte durchaus hoch. Hier wurde Meisterliches geleistet. Das Experiment, Inga den primären Gesangspart singen zu lassen, ist absolut geglückt. Hier stimmt einfach alles. Wieder drücke ich die „Repeat“-Taste.
„Hardrock Padlock“ ist einer dieser Songs, der wohl erst beim sechsten oder siebten Mal Hören ins Ohr gehen wird. Irgendwie typisch VAN CANTO, aber irgendwie bleibt der Song auch nicht richtig hängen.
„Thunderstruck“ von AC/DC ist schon im Originalen nicht ganz so mein Fall. VAN CANTO hat es jedoch komplett getroffen. Der Song ist so gut umgesetzt, dass er auch nicht mein Fall ist, was in diesem Fall als Kompliment zu werten ist. Ich schätze, live gespielt wird dieser Song absolut mitreißend sein.
Vorletzter Song auf der Platte ist „From The End“, der mit „Hardrock Padlock“ einhergeht. Ohne die Unterbrechung durch „Thunderstruck“ wären die beiden Songs unbemerkt ineinander übergegangen. So ist die Reihenfolge auf der gesamten Platte gut gewählt, da die eigenen Songs gut mit den bekannten Rock- und Metalklassikern verwoben sind.
Das Album schließt mit „I Want It All“ (Queen) und zeigt noch einmal, wo VAN CANTO bei Coversongs seine Stärken hat: die alten Rock-Klassiker. Diese werden mit gekonnter Regelmäßigkeit ausgezeichnet umgesetzt. Es würde mich nicht wundern, wenn wir in Zukunft auch eigene Interpretationen von DIO, einen weiteren Song von ALICA COOPER oder Songs von WARLOCK zu hören bekämen.
Fazit: Für den Moment ist „To The Power Of Eight“ ein hervorragendes Werk, das mir als Fan aus den ersten Jahren (das signierte „Rakka-Takka Motherfucker“ – T-Shirt ist ein behüteter Schatz in meinem Kleiderschrank) wieder Gänsehautmomente verschaffen konnte. Welche Songs die Algorithmen von Spotify mir in Zukunft am häufigsten anbieten, wird die Zeit zeigen. Die CD ins Regal zu stellen, um sie an einem gemütlichen Abend bei einem Glas Whiskey komplett zu hören, ist aber durchaus eine Option.
Bewertung: 8 von 10
TRACKLIST
1. To The Power Of Eight
2. Dead By The Night
3. Faith Focus Finish
4. Falling Down
5. Heads Up High
6. Raise Your Horns
7. Turn Back Time
8. Run To The Hills
9. Hardrock Padlock
10. Thunderstruck
11. From The End
12. I Want It All