E-X-E-Festival Vol. 2 Matrix Bochum

Ein “Fehler in der Matrix” hätte das zweite E-X-E-Festival in Bochum dieses Jahr beinahe ausgebremst: Der angedachte Termin im September fiel flach, da die Brandschutzanlage des Szene-Clubs ganz kurz vor dem Event Reparaturbedarf anmeldete. Ein Disaster, das verdammt gutes Krisenmanagement erforderlich machte. Doch das Wunder geschah: Die Bands hatten genauso Verständnis wie die Besucher, fast alle akzeptierten die Höhere Gewalt hinter den Ereignissen und der Shitstorm blieb aus. In Windeseile wurde ein Ersatztermin gefunden und die Veranstalter schafften es phänomenalerweise neun von elf gebuchten Bands auch für den Ausweichtermin zu verpflichten. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für die Flexibilität aller Beteiligten, besonders der betroffenen Künstler.

Dass diese ursprünglichen Schwierigkeiten mit dem Brandschutz letzten Endes dazu führten, dass das musikalische Feuerwerk in den ehrwürdigen Hallen von Langendreer nun umso fulminanter wurde, ist ein wahres Weihnachtsmärchen. Doch genug Kitsch für den Moment! Hier gab es schließlich knallharte Elektro-Power statt “Last Christmas” zu hören:

Die zweite Bühne, die für die harscheren Elektrobands vorgesehen war, wurde von den Leipzigern UNTERSCHICHT in reduzierter Besetzung eröffnet. Die Band hatte mit einigen technischen Schwierigkeiten im Licht- und Soundbereich zu kämpfen, ließ sich aber nicht beirren und zog ihr deutschprachiges hartes Programm durch.
Parallel nahm auch die Hauptbühne der Matrix ihren Betrieb auf: REICHSFEIND erwiesen sich als weniger aggressiv als der Name vermuten lassen könnte (der Name soll ein Zeichen gegen totalitäre Systeme setzen), sondern boten angenehm weiche Klänge.

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Fotos: Cynthia Theisinger

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Fotos: Cynthia Theisinger

ANY SECOND aus Berlin standen als nächster Act auf Bühne zwei auf dem Programm und schafften es im Verlauf ihres Sets mühelos das Publikum zum tanzen zu animieren, das Eis war somit schnell gebrochen.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Wer sein Festival-Ticket vorrangig für ANGELS AND AGONY gekauft hatte, erhielt am Tag vor dem Festival die enttäuschende Nachricht, dass familiäre Probleme die Band zum Fernbleiben verdonnerten – die Aura von Freitag dem 13. konnte also doch noch Wirkung entfalten.
Doch auch hier bewies man wieder Flexibilität, EVO-LUTION sprang kurzfristig ein und untermauerten ihr Klangerlebnis mit einer aufwendigen Bühnendekoration.
Das für viele Besucher erste Highlight des Festivals gab es indes wieder auf Bühne zwei zu bestaunen: SYNTHATTACK entfesselten einen wahren Sound-Tornado und brachten die Boxen und elektrisierten Zuhörer zum Beben und boten mit zwei talentierten Tänzerinnen durchaus auch was fürs Auge.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Pausen gab es auf dem E-X-E keine, wenn man alle Bands sehen wollte. ORANGE SECTOR waren einer der neuen Acts, die durch die Verschiebung des Festivals ins Programm gerutscht waren. Die Old School-EBM-Vetrtreter präsentierten sich wie üblich hart und den traditionellen Klängen verhaftet und trafen damit den Nerv bei dem überwiegend älteren Publikum.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Hatten wir schon erwähnt, dass das Festival an Freitag, dem 13. stattfand? Auch wenn in der Schwarzen Szene der Tag keineswegs mit Unglück in Verbindung gebracht wird: Für die nächste Band des Abends schlug das Schicksal doch noch mit aller Macht zu.
REAPER, das allseits bekannte Projekt von Vasi Vallis sollte einen seiner seltenen Auftritte auf dem E-X-E feiern – doch dazu kam es leider nicht.
Nachdem das Programm ohnehin schon längst nicht mehr im Zeitplan war und mit verschiedenen Problemen wie fehlenden Bühnenmöbeln sowie widerspenstiger Videotechnik gerungen werden musste, konnte letztendlich nur vermeldet werden: Das Reaper-Konzert muss leider ausfallen. Die Fans waren genauso enttäuscht wie die Künstler, dieses Konzert hätte ein weiteres Highlight werden sollen.

Doch wie heißt es so schön: Aufstehen, Krone richten, weiter gehts! Auf der Hauptbühne war es schon Zeit für den Co-Headliner des Abends: IN STRICT CONFIDENCE hatten ein Vintage-Set angekündigt und spielte folgerichtig nur Songs aus der Zeit 1996 – 2004. Es war schön zu sehen, wie viele Leute im Publikum sich noch bestens an diese Zeit erinnerten und viele der alten Klangkunstwerke konsequent mitsangen. Das Konzert hatte eine wunderschöne Atmosphäre, die Entführung ins “Zauberschloss” gelang, da offenbar alle durchweg am Stockholm-Syndrom litten.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Auch auf der second stage neigte sich das Programm allmählich dem Ende zu. Als vorletzter Gig wurde KIEW ins Rennen geschickt. Die Band um Andreas Thedens ist bekannt für die Thematisierung von Geisteskrankheiten und den zugehörigen Therapieformen und fand beim Matrix-Publikum zahlreiche willige Probanden. Rhythm n’ Noise ist sicherlich nicht für jeden Elektro-Fan geeignet, doch die musikalische Vielfalt des Festivals sorgte dafür, dass diese Sparte genauso bedient wurde wie der Hunger der Future Pop-Fans nach ausgefeilten Texten.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Auch der Headliner der zweiten Bühne XOTOX schlug in die gleiche Kerbe, ist für massive Soundteppiche statt für lyrische Ergüsse bekannt, und trieb das Noise-Delirium der Fans zum Höhepunkt. Die Band ist gerade auf “Beautiful Nightmares”-Tour und Andreas Davids feierte mit dem Publikum sogar in seinen Geburtstag rein. Herzlichen Glückwunsch!

Vor der Hauptbühne drängte sich das Publikum mittlerweile dicht an dicht und erwartete das finale Konzert des Abends. Nachdem es ja keinen Reaper-Auftritt gegeben hatte, fieberte jetzt alles darauf hin, Vasi Vallis mit seiner Hauptbahnd FROZEN PLASMA in Aktion zu erleben und so entschädigt zu werden. Die Götter meinten es jedenfalls gut mit Strahlemann Felix und seinem talentierten Kompagnon an den Tasten, da es während des Auftritts keine weiteren Schwierigkeiten technischer Natur gab. Das verhalf dem entzückten Publikum zu einem ungestörten Tanzvergnügen und der Funke sprang schon beim ersten Song “Lift The Veil” direkt über.
Und obwohl das Set des Headliners nur zehn Songs umfasste, schaffte Frozen Plasma es, ein Buffet voller Sahnstücke für die tanzwütige Menge zu servieren, in dem alle Facetten ihren Platz fanden. Und egal ob legendäre Klassiker wie “Irony” oder “Murderous Trap” oder Perlen neueren Datums wie “Safe.Dead.Harm” – die Handschrift von Songwriter Vallis ist ein untrügbares Erfolgsrezept und schafft einen harmonischen Grundton, sodass alle Songs der beachtlich langen Bandgeschichte ohne Kanten und Brüche ineinanderfließen. Wer die energetische Performance auf und vor der Bühne während des neuen Hits “Gefühlsmaschine” beobachtete, bekam den Eindruck, der Song könnte seinen hypnotisierend stampfenden Rhythmus auch noch eine Stunde lang aufrechterhalten, doch dazu kam es natürlicherweise nicht.
Traditionell mit “Living on Video” mit dazugehörigem Mitschnitt alter Konsolenspiele auf der Leinwand ging schließlich das E-X-E-Festival-Bühnenprogramm 2019 zuende.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Danach wurde als Aftershowparty einmal mehr die ehrwürdige “Empire of Darkness”-Party gefeiert. Besonders vor dem Hintergrund der just erfolgten Hiobsbotschaft, dass die Matrix zu 2020 den Partybetrieb einstellen wolle, feierte die Menge mit Wehmut im Herzen und noch erfüllt von den Klängen des Festivals bis in die Morgenstunden. Es ist aber ohnehin geplant, das Format EOD trotzdem noch in der Matrix weiterzuführen, die bereits geplanten Termine im Januar und das große Jubiläum am 14.02.20 finden ebenso definitiv statt!
Torben Schmidt von Infacted Recordings fungierte dieses Mal als Gast-DJ. Ihm gebührt der Dank dafür, dass seine Spürnase für grandiose Electro-Bands dafür sorgt, dass unsere “Plattenteller” niemals leer werden.

Fazit: Das bärenstarke E-X-E-Festival ließ sich von keinem Rückschlag und keinem Stein auf seinem Weg aufhalten und bescherte uns eine Tanznacht der besonderen Art. Der überall präsente Mike Kanetzky und die Techniker sorgten dafür, dass es bei kleineren Pannen blieb und so wurde der Abend ein voller Erfolg. Wer sich umhörte, bekam viel positives Feedback, auch ausländische Besucher wie zum Beispiel eigens aus Israel angereiste Fans brachten ihre Freude über die Atmosphäre und die fulminanten Konzerte zum Ausdruck. Das zeigt eindrucksvoll, dass wir trotz der Schließung von Klubs und des gefühlten Evensterbens in der Schwarzen Szene durchaus noch gut versorgt sind, gerade auch im Vergleich zu anderen Ländern. Das Publikum ist sich somit einig: Wir fordern eine unbedingte Fortführung der Veranstaltung im nächsten Jahr. Abschließen bleibt nur zu sagen: Die reparierte Brandschutzanlage änderte nichts daran, dass alle Matrix-Besucher Feuer und Flamme für das Event waren.

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