Wart ihr alle brav? UNZUCHT am Nikolaustag in Oberhausen
Es ist kalt und es regnet den ganzen Tag in Strömen. Trotzdem steht der erste Fan schon gegen 14 Uhr vor dem Kulttempel in Oberhausen. Die UNZUCHT ist in der Stadt! Der Name, der in konservativen Kreisen Schnappatmung auslöst, bedeutet für die Anhängerschaft vor allem eins: Party! Im Mittelalter las man das Wort vor allem in Gerichtsprotokollen von Hexenprozessen regelmäßig als Anklage – es bedeutete auch damals schon Spaß und Ausschweifung, aber heutzutage ist es sogar legal!
Den Abend eröffnen die Lokalmatadore von WOLFSKULL. Wer bei dem Namen erwartet hatte, eine Black – oder Pagan Metal-Truppe vorzufinden, wurde überrascht. WOLFSKULL machen schnörkellosen Classic Rock und legen eine energetische Performance hin. Besonders Sänger Pete lässt sich immer wieder auf die Knie sinken und demonstriert Hingabe an seine Musik. Unterstützt wurden die Jungs sogar von ihren Kindern, die vom Bühnenrand aus mitfeiern. Das Publikum indes war wie üblich vor allem in der Schwarzen Szene verankert und hätte wohl eine Schippe mehr vertragen können. Von simplem Rock ließ es sich nicht so sehr mitreißen, aber man hatte ja auch ein Upgrade gebucht und bald darauf fegte die unzüchtige Entschädigung für das Warten in der Kälte auf die Bühne.
Bilder: Holger Bär (www.alldark-foto.com/)
Das Set wurde überraschend mit einem der größten Hits der Band, nämlich mit “Deine Zeit läuft ab” eröffnet, also langsames Aufwärmen war nicht drin, volle Power wurde von Anfang an eingefordert und auch mit dem Folgesong “Allein” bewegte man sich noch auf dem Terrain des Debutalbums “Todsünde Acht”. Überhaupt ist das Debut an diesem Abend besonders präsent. UNZUCHT stehen zu ihren Wurzeln und zeigen sich zwar durchaus gereift, sehen aber keinen Grund, ihr Frühwerk so stiefmütterlich zu behandeln, wie manch andere Band. Ein besonderes Highlight erwartet uns in der Mitte des Sets: Die neue Single “Nein!” hatte am gleichen Tag mittags Premiere – mit Musikvideo – gefeiert und wurde nun erstmals live präsentiert. Sollte der Song repräsentativ für das kommende Album “Jenseits der Welt” sein, können wir uns wahrlich freuen!
Unzucht wird oft fälschlicherweise dem Genre Neue Deutsche Härte zugeordnet, da sie in deutsch singen und durchaus auch eine harte Gangart an den Tag legen. Aber, dass es sich hierbei richtigerweise um gefühlvollen Dark Rock handelt, wurde im zweiten Drittel des Abends sehr deutlich. Den Emotionen nämlich wird bei UNZUCHT seit jeher besonders viel Platz eingeräumt, man könnte es schon als ihr Markenzeichen bezeichnen. Songs wie “Schweigen”, “Du fehlst” oder “Seelenblind” zeigen den weichen Kern der Truppe und beschwören bei vielen Zuhörern Erinnerungen an verstorbene Liebsten oder zerbrochene Partnerschaften herauf. Doch nachdem das Tränenmeer der Balladen durchschifft ist, wird wieder in den Turbogang geschaltet und das Publikum zelebriert die brachiale Wucht des “Widerstands”. Sänger Daniel Schulz bleibt seinen Prinzipien treu und versucht es mit einer Stagedivingeinlage und stellt sich auch für einen halben Song ins Publikum – Großartig!
Das Finale steht dann noch einmal im Zeichen der “Todsünde Acht” und bei Songs wie “Schwarzes Blut”, “Engel der Vernichtung” und “Kleine geile Nonne” werden alle Reserven mobilisiert und Textsicherheit bewiesen. Am Ende halten sich dann Glück und Erschöpfung die Waage und man weiß: Man hat einen wundervollen Konzertabend erlebt. Das Konzept der Band lebt vom Wechselspiel zwischen Daniel Schulz und Gitarrist und Songwriter Daniel de Clerq. Während der Sänger eine komplett positive Ausstrahlung hat, praktisch durchgängig übers ganze Gesicht strahlt und umherspringt, streut de Clerq eine gute Portion Düsternis und animalische Wildheit ein. UNZUCHT sind also ein wenig so wie der Cocktail White Russian: Unten der schwere, dunkle Kahlua, oben die süße Sahne. Bassist Andreas und Drummer Toby wären dann der Wodka, der die beiden Gegensätze zusammenhält. In diesem Sinne: Prost! Und wer noch nicht genug bekommen hat: Die freundliche Unzucht spielt am 20.12.19 ihr zweites Abschlusskonzert im Musikzentrum Hannover.
Bilder: Holger Bär (www.alldark-foto.com/)
SETLIST OBERHAUSEN
01. Deine Zeit läuft ab
02. Allein
03. Nela
04. Kind von Traurigkeit
05. Ein Wort fliegt wie ein Stein
06. Unzucht
07. Du fehlst
08. Schweigen
09. Nein!
10. Nachts im Meer
11. Seelenblind
12. Widerstand
13. Der Tod in dir
14. Schwarzes Blut
15. Engel der Vernichtung
Zuagbe:
16. Wir sind das Feuer
17. Nur die Ewigkeit
18. Kleine geile Nonne