E-Tropolis 2018 – düstere Klänge erfüllen die Tubinenhalle in Oberhausen

Ursprünglich geschrieben für stagr.de

Für uns startet das E-Tropolis 2018 dank der Deutschen Bahn eine Stunde später als erwartet. Aber immerhin rechtzeitig, um den Auftritt von FORCED TO MODE zu verfolgen. Warum FORCED TO MODE als Deutschlands beste DEPECHE MODE-Coverband bezeichnet werden, wird einem sofort klar, wenn man die Augen schließt oder mit 5 Dioptrien ohne Brille den Auftritt verfolgt. Die Stimme von Sänger Christian Schottstädt ist der Dave Gahans zum Verwechseln ähnlich. Das Trio um den charismatischen Frontmann versteht es, das Publikum vom ersten Ton an zum mit Grooven zu animieren. Und so gelingt es der Band es trotz eisiger Außentemperaturen, die Halle und Stimmung um einige Grade aufzuwärmen und dass dem Tanz geneigte Publikum auf Betriebstemperatur zu bringen. In den 40 Minuten Spieldauer, die der Band eingeräumt wurde, spielen sie angefangen mit „Black Celebration“ eine ausgewählte Setlist von DM-Klassikern, wobei „People are People“, „Personal Jesus“ und „Enjoy The Silence“ natürlich nicht fehlen dürfen um sich mit „Never Let Me Down Again“ zu verabschieden.

Im direkten Anschluss entern die weiß gewandeten Musiker von EISFABRIK die Bühne, man möchte beim Anblick des Backdrops, das an ein einen überdimensionierten Pistenplan erinnert meinen, das die Temperaturen in der großen Halle direkt wieder unter den Gefrierpunkt fallen. Die treibenden Beats animieren jedoch vom ersten Takt dazu, sich direkt mit zubewegen. So wirkt der zum dritten Song von der Bühnendecke rieselnde Kunstschnee schon wieder eher an eine willkommene Erfrischung, da das Publikum direkt wieder das Tanzbein schwingt. So bietet die Band Futurepop vom Feinsten dar und man mag hoffen, das sie bei einer der nächsten Auflagen des E-Tropolis verdientermaßen eine längere Spieldauer eingeräumt bekommen, da eine Dreiviertelstunde leider viel zu schnell vorbei ist.

Beim Wechsel in Halle Zwei erlebt man auch direkt einen Wechsel der Musikrichtung. Die One-Man-Show von XOTOX ist nach 20-jährigem Bestehen ein fester Bestandteil der der Industrial-Szene gereift und lässt auch nicht lange fackeln, sondern schmettert sogleich metallische Klänge durch die Turbinenhalle. Ob sich die Produktion in dem einstigen nun zur Eventlokation umfunktionierten Stahl- und Maschinenbau-Kraftwerk wohl ähnlich angehört hat? Zumindest könnte XOTOX dies als Inspiration gedient haben. Die angekündigte „Verschnaufpause“ kommt im Gegensatz zu den zuvor dargebotenen Tracks im Mid-Tempo einher. Die in den ersten Reihen versammelten Tänzer fehlen sich dadurch trotzdem nicht veranlasst Stehblues zu tanzen, sondern passen ihre Choreographie entsprechend dem Tempo an. Aber so entlässt XOTOX das Publikum nicht und entfacht zum Ende des Sets noch einmal für 3 Tracks das Schmiedefeuer um mit stahlharten Behämmern auf das Publikum ein zuschmettern.

Zurück in der großen Halle fällt sofort auf, dass sie sich merklich gefüllt hat. Nun sollten auch die letzten Gäste des Festivals eingetroffen sein. Schließlich ist die Veranstaltung seit Anfang Februar mit erwarteten 4500 Besuchern aus nah und fern ausverkauft. Das Duo CHROM präsentiert sich im elektronisch-melodischen Soundgewand und wird vom Publikum herzlich empfangen. Die Band versteht es, durch ihre Songauswahl zu überzeugen. Zu den treibenden Mid-Tempo-Nummern sieht man im Publikum niemanden, der stillsteht und auch bei den gemäßigten sphärischen Tracks erblickt man reihum träumende Gesichter. Jedoch ist bei anberaumten 45 Minuten Spieldauer auch Zeit, um einen Querschnitt der bisherigen Veröffentlichungen zu präsentieren. Es stellt sich nur gelegentlich die Frage, ob das In-Ear-Monitoring des Sängers funktioniert, da die Stimmsicherheit von Sänger Christian Marquis merklich abnimmt, sobald er vor die Monitorboxen tritt. Dies tut der Stimmung jedoch keinen Abbruch und die Band wird nach dem letzten Song mit großem Applaus von der Bühne entlassen.

Das AESTHETIC PERFECTION mit einer großen Fanbase aufwarten, macht sich nicht nur in der längeren Spieldauer von einer Stunde bemerkbar. Kaum dass der erste Ton erklingt, beginnt das Publikum zu jubeln. So entert Frontmann Daniel Graves adrett gekleidet mit Hut und Glitzerblazer die Bühne und erinnert ein klein wenig an Boy George. Nur in hübscher und jünger. Zu Beginn wird direkt deren Clubhit „Antibody“ dargeboten und bringt die ersten Reihen direkt zum Springen. Die agile Fronter fühlt sich offensichtlich pudelwohl im Rampenlicht und posiert souverän für die anwesenden Fotografen und das Publikum. Er weiß sich gekonnt in Szene zu setzen und hat die Fans mühelos im Griff, was am frenetischen Jubel unschwer zu hören ist. Während er die Bühne als persönlichen Laufsteg nutzt, bleibt auch Keyboarder Elliot Berlin nicht reglos und benutzt seine Instrumente mitunter als Klettergerüst. Ihre Rolle als Vorturner nimmt das Duo routiniert wahr und überzeugt das Publikum auf ganzer Linie. So entwickelt sich der Auftritt zum Massen-Work-out, schnelle Tracks oder auch Mid-tempo-Songs wie „Big Bad Wolf“ werden vom Publikum gefeiert. Zu „Spit it out“ werden die Energiereserven des Publikums noch einmal gefordert, der treibende Beat tut jedoch sein übriges, dass die Menge begeistert mitgeht.

NACHTMAHR spielen im Anschluss und scheinen recht gut zu sein. Nur sind sie leider nicht so nahrhaft und so fällt deren Auftritt der Beseitigung unseres akuten Hungers zum Opfer. Das kulinarische Angebot geht über die obligatorische Pommes in Pappschale hinaus und ist für ein Indoor-Festival recht vielfältig. An mehreren Anlaufstellen in der Lokation wird eifrig der Hunger der Konzertgäste gestillt. Von klassisch Currywurst-Pommes über Suppen zu Kaffee und Kuchen, für jeden ist etwas dabei. Auch Veganer kommen nicht zu kurz und müssen nicht auf nur ein Standardgericht zurückgreifen.

Nachdem der Hunger gestillt ist, geht es weiter in die kleine Halle zu FROZEN PLASMA, die als die beste und tollste und bestausehendste Band des Abends vom Moderator angekündigt wird. Wie er jedoch zugibt, soll er für diese Ansage auch 50 € als Taschengeld bekommen haben. Es ist anzunehmen, dass sich das Publikum weniger wegen der optischen als aufgrund der akustischen Reize zum Auftritt der Band in der Halle versammelt hat. So eröffnen FROZEN PLASMA mit „Age After Age“ ihre Show und führen mit den anschließenden Songs wie ein roter Faden durch ein angenehm melodischen Klangteppich. Bevor jedoch Monotonie aufkommt, stimmen sie mit „Warmongers“ einen ihrer Tanzhits an und auch auf den oberen Rängen der Halle kommt nun Bewegung in die Zuhörer. Auch „Generation Of The Lost“ wird begeistert vom Publikum gefiert. Im Anschluss wird es mit „Crossroads“ wieder ein wenig träumerischer bevor zu „Crazy“ die Gliedmaßen des Publikums wieder in Ekstase versetzt werden. Ihre Coverversion von „Living in Video“ wird ebenso frenetisch abgefeiert. Aber zu glauben, das FROZEN PLASMA den Publikum eine kurze Verschnaufpause gönnen würden, ist Irrtum. Zu „Tanz Die Revolution“ werden die Energiereserven weiter mobilisiert und direkt zu „Murderous Trap“ gefordert. Mit diesem Song endet ein toller Auftritt und den Fans wird nun die Verschnaufpause vergönnt, die genutzt wird, um die Halle zu wechseln, da dort schon der Co-Headliner in den Startlöchern steht.

Wenn man musikalisch eher aus Rock-lastigem Background kommt, fällt bei Project Pitchfork einen sofort auf, bevor die Band überhaupt die Bühne betritt. Dort steht ein Schlagzeug – und nicht nur eines, sondern deren drei! Wo die meisten Bands des Genres die Rhythmussektion ausschließlich digital erzeugt, steht hier noch gute Handarbeit im Vordergrund um den Takt anzugeben. Peter Spilles gesangliche Leistung ist erfreulicherweise heute auf voller Höhe und die Menge genießt die harten Beats.

Mit VNV NATION entert der diesjährige Headliner die Bühne. Über diese Band müssen eigentlich nicht mehr viele Wort verloren werde, zählen sie doch seit Jahren zu den Top-Acts der Dark-Electro-Szene. Entsprechend laut fällt auch die Begrüßung durch das Publikum aus. Anfangs scheint es zwar, als hätte sich das Publikum bei den vorangegangenen Bands zu stark verausgabt und die Bewegungsfreude hat am Ende eines langen Abends doch etwas nachgelassen. Lediglich im hinteren Teil der Halle befinden sich die nimmermüden Duracell-Tanzhäschen, um ihr Performance-Workout weiterzuführen. Zu „Tomorrow Never Comes“ kommt endlich wieder Bewegung in die Masse und zu „Honour“ befeuert Sänger Ronan das Publikum, nochmals Gas zu geben. Jedoch macht sich auch beim E-Tropolis der schwindende Szenennachwuchs, wie auch in anderen Subkulturen jenseits des Mainstreams bemerkbar. Der Durchschnittsbesucher befindet sich in seinen Dreißigern und hat nicht mehr so viele Hummeln im Hintern wie noch vor zehn oder fünfzehn Jahren. Monsanto und Glyphosat dafür die Schuld zu geben, wäre jedoch etwas zu weit hergeholt. Dem lautstarken Applaus für jeden Song ist jedoch zu entnehmen, dass das Publikum ihrem Headliner des Abends durchaus Tribut zollt. So geben VNV Nation einen ausgewogenen Querschnitt ihrer Schaffensphase zum Besten. Natürlich fehlen ihre Hits wie „Illusion“ genauso wenig wie das energiegeladene „Space & Time“, bei dem sich Sänger Ronan auf ein Gesangsduell mit dem Publikum liefert. Zum anschießenden „Nova“ erstrahlt die Halle danke der zahlreich gezückten Handtaschenlampen, wie ein Lichtermeer. Auffällig an diesem Abend ist, dass VNV Nation heute viele Songs spielen, die sie schon seit längerem nicht mehr live dargeboten haben. Sänger Ronan hat sichtlich Spaß, des Öfteren werden seine Texte durch herzliche Lacher unterbrochen, gerade als er zum abschließenden „Perpetual“ gefallen an der Kopfbedeckung des Graben-Secus findet. Diese wird ihm schelmisch des Öfteren vom Kopf gezogen, um dem Secu freundlich hinter den Ohren zu kraulen und sie die Mütze schließlich selbst aufzuziehen. Ob dies in seiner Heimat Irland ein Brauch zum heutigen St-Particks Day ist, sei dahingestellt, zur Belustigung des Publikums hat es offensichtlich beigetragen. Der sympathische Frontmann bedankt sich noch abschließend beim Publikum und mit diesen freundlichen Worten findet das E-Troplis 2018 sein Ende.

Auf eine Neuauflage am 16.03.2019 in der Turbinenhalle in Oberhausen. Wir freuen uns schon darauf!

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