SUMMER BREEZE – Joy, fun and seasons in the sun – SAMSTAG
Der letzte Festivaltag kommt immer mit einer besonderen Stimmung. Der wenige Schlaf, die Erschöpfung und die Sehnsucht nach einem richtigen Bett, also die körperlichen Signale, mischen sich mit der Weigerung des Kopfes, die wundersame Festivalwelt wieder loslassen zu müssen, ohne das wirklich zu wollen. Das Summer Breeze ist zudem noch für viele das Ende der Festival-Sommer-Saison. Man steht also am letzten Tag mit sehr gemischen Gefühlen auf. Aber sobald die ersten Konzerte starten, lebt man wieder ganz im Moment und saugt die Eindrücke auf.
Kurioser Start in den Tag mit SAMURAI PIZZA CATS! Die Coreler aus Castrop-Rauxel funken auf einer ähnlichen Wellenlänge wie ELECTRIC CALLBOY und teilen sich mit diesen den Gitarristen Daniel Haniß. Auch visuell gab es neben der schnellen und harten Musik einiges auf der Bühne zu sehen, unter anderem einige schräge Masken. Die personifizierte Konfettikanone eröffnete die Main Stage fulminant.
Fotos: Patrick Burkhardt
Traditionell gesitteter ging es bei NESTOR zu, die dem Publikum lupenreinen Hard Rock/Power Metal einschenkten. Genau wie bei SAMURAI PIZZA CATS gibt es erst wenige Tonträger von der Truppe, aber sie schafften es sicherlich, auf dem Breeze etliche neue Fans zu gewinnen. Mit Tobias Gustavsson haben die Schweden einen außergewöhnlich guten Vokalisten an Bord. Seine Frage “Who’s coming to see NESTOR the next time?”, wurde jedenfalls mit einhelligem Jubel beantwortet. Gustavsson ermahnte die Menge allerdings, bis zum nächsten Auftritt die Lyrics von “Firesign” auswendig zu lernen.
Recht exotisch ging es bei RISE OF THE NORTHSTAR zu. Die eigentümliche Mischung aus Hardcore, Rap und japanischen Einflüssen setzte ein Zeichen für die musikalische Vielfalt des Summer Breeze. Wie immer bei nischigen Acts konnte man mühelos einen harten Kern aus Die-Hard-Fans in den ersten Reihen beobachten. Stimmungskanonen sind die Franzosen allemal!
Fotos: Patrick Burkhardt
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Fotos: Patrick Burkhardt
ECLIPSE hatten ein neues Album im Gepäck und spielten einige Songs aus “Megalomanium II” und dem Vorgänger Teil I. Der eingängige Hardrock der Schweden machte da weiter, wo NESTOR aufgehört hatten und grub sich in die Gehörgänge der willigen Traditionalisten.
Fotos: Patrick Burkhardt
Für mich ein Pflichttermin war natürlich ORDEN OGAN. Auch die Power Metal-Institution hat mit “The Order Of Fear” ein neues Album am Start und natürlich wollten viele Fans wissen, wie die neuen Songs live klingen. Ein Allister Vale-Darsteller eröffnete den Auftritt. Das inoffizielle “Maskottchen” begleitet die Band schon seit den Anfangstagen und hat mich immer an Roland, den Revolvermann aus Stephen Kings “Der dunkle Turm”-Reihe erinnert. Schon beim Eröffnungshit “F.E.V.E.R” flogen die ersten Becher durch die Luft, als die Begeisterung sich unter den Fans Bahn brach. Das Mikro von Sänger Seeb Levermann war erst zu leise eingestellt, aber die Fans füllten diese “Lücke” mit lautem Mitsingen. Mit “Conquest” kam der erste neue Song und Levermann sagte: “Freunde, es ist Zeit, eure Köpfe zu schütteln!”. Feuerfontänen begleiteten den Song eindrucksvoll und auch bei dem zweiten “Order”-Track “Moonfire” ließ das Energielevel nicht nach. Auch für Balladen ist natürlich Platz auf einem Festival und so bekamen wir bei “Come With Me To The Other Side” Gelegenheit, unsere Arme zu schwenken. Die komplizierte Mitmach-Regel bei “Inferno” aus vorherigen Shows hatte man offenbar aufgegeben. Eingefleischte Fans behielten das Mitsingen bei der Stelle “Burn it down”, gesungen durch Bassist Steven, trotzdem automatisch bei. Für den Titelsong des aktuellen Albums sollte allerdings kräftig gearbeitet werden. Seeb war mit dem nach Aufforderung laut gebrüllten Wort “FEAR” trotzdem nicht zufrieden und provozierte: “Das war leise wie von meiner Oma im Altersheim mit ihren zwei verstorbenen Freundinnen. Vielleicht kriegen wir noch vier verstorbene Freundinnen dazu, ja?”. Auch der zweite Versuch eines lautstark gesungenen “FEAR” konnte den Sänger aber nicht überzeugen, weshalb er aufgab und die Aufgabe zu einem lauten “BEER” abwandelte, was deutlich besser gelang. “Das war ja klar. Metalheads… ihr tickt alle gleich!”, seufzte Levermann. Nach dem Song stimmten etliche Fans spontan ein “Noch ein Bier” an (bekannt von SABATON-Konzerten, Anm. d. Red.). “Falsche Band, aber danke für den Vergleich!”, schmunzelte der Fronter. Nach dem obligatorischen Publikumsliebling “Gunman” gab es natürlich noch zum Abschluss “The Things We Believe In”, um auch ja alle mit einem Ohrwurm zu entlassen. Das ORDEN OGAN-Konzert war das erste Highlight am letzten Summer Breeze-Tag.
Fotos: Patrick Burkhardt
Wer den Tag über genug mehr oder weniger alte Männer gesehen hatte, konnte bei BURNING WITCHES die geballte Frauenpower erleben. Laura Guldemond und ihre Mitstreiterinnen entzündeten die Luft mit ihrem energetischen Metal. Mit dem aktuellen Album “The Dark Tower” haben wir hier die nächste King-Anlehnung. Die Wucht, mit der die Band zu Werke geht, hat aber wenig mit der Mystik der Romanreihe gemein. Hier gab es eher Nackenbrecher-Potenzial!
Fotos: Patrick Burkhardt
Vom “Order Of Fear” zu “The Fear Of Fear”. Die KanadierInnen von SPIRITBOX sind in nur wenigen Jahren kometenhaft aufgestiegen und zogen dementsprechend viele Fans vor die Hauptbühne. Die von der Angst vor der Angst handelnde jüngste EP wurde fast komplett gespielt, daneben bot die Band natürlich auch Songs vom Debutalbum “Eternal Blue”. Die sehr interessante Mischung aus Prog und Core schlug auf dem Breeze ein wie eine Bombe. Überhaupt ist das Line-up in diesem Jahr auffallend Core-lastig gewesen. Aber SPIRITBOX lassen sich keineswegs leicht in diese Schublade einordnen, zu sehr wechseln die Stilrichtungen in den mitreißenden Songs mit düsteren Texten.
Fotos: Patrick Burkhardt
So langsam spürte man auf dem Gelände, wie die Sonne an Kraft verlor. Der letzte Atem des Sommers, also der “Summer Breathe” seufzte durch die Reihen der erwartungsfreudigen Fans, denn es war langsam Headliner-Zeit. Den Anfang machten die altgedienten Recken und Reckinnen von SUBWAY TO SALLY. Mit “Henkersbraut” startete das Set mit einem All-time-Favourite vieler Fans, bevor mit “Was ihr wollt” auf neueres Material zurückgegriffen wurde. Das aktuelle Album “Himmelfahrt” stand klar im Mittelpunkt des Sets. “Dankeschön, Freunde. Lasst die Hände gleich oben! Herrlich. Unser Menschenmeer!”, kommentierte Sänger Eric Fish den Anblick von der Bühne. Das “Menschenmeer” war die passende Kulisse für einen nautischen Song von SUBWAY TO SALLY. Wer erinnert sich noch an das 2007er-Album “Bastard”? Abgesehen von dem allgegenwärtigen “Tanz auf dem Vulkan” fristen die Tracks dieser Platte in den aktuellen Setlists eher ein Schattendasein. Enthalten war aber der Song “Auf Kiel”, mit dem die Band 2008 den “Bundesvision Song Contest” gewonnen und einen beachtlichen Charterfolg erzielt hatte. “Leinen los”, das aktuelle Seemannslied erklang nun in Dinkelsbühl, hunderte von Kilometern vom Meer entfernt. Auch danach ließen die nautischen Motive den Frontmann noch nicht so ganz los: “Was für eine Freude, wieder hier zu sein! Das fühlt sich sehr gut an! Sind denn alle da? Alle 100.000? Die Reise kann losgehen, auf einem Schiff, das den stolzen Namen trägt: Subway to… ” – “SALLY” lautete die laute Antwort aus dem Publikum. Schon recht früh im Set bekamen wir den Klassiker “Eisblumen” serviert, eingeleitet mit Fishs Worten: “Ihr habt euch an diesem denkwürdigen, heißen Tag eine Abkühlung verdient. Allerdings wird es eine innere Abkühlung sein. Hört zu und singt mit!”. Das musste er natürlich keinem zweimal sagen. Für die passende Untermalung sorgten zwei “Schnee”-Schaumkanonen an den Seiten der Bühne, die einen wilden Flockenreigen in die Luft bliesen. Zu “Ihr kriegt uns nie” erbat sich Fish drei Circle Pits und bekam sie natürlich auch. Die eingespielten Rituale, zum Beispiel bei “Sieben” zu zählen und natürlich ordentlich Bewegung beim bereits erwähnten Vulkantanz gelangen tadellos. SUBWAY TO SALLY und die Metal-Fanbase, da passt einfach kein Blatt dazwischen. Schön, wenn eine altgediente Truppe immer noch solch eine bemerkenswerte Energie auf und vor der Bühne entfachen kann. Der Zugabenblock bot nochmal einiges an Hits wie den “Veitstanz” und natürlich “Julia und die Räuber”, ohne das kein SUBWAY-Fan je ins Bett gehen würde. “Verneigung der allergrößten Art, es war einfach nur großartig!”, adelte Eric Fis am Ende noch das Publikum.
Fotos: Patrick Burkhardt
Da ich noch schnell duschen wollte, war ich bereits während der Zugaben langsam Richtung VIP-Camp zurückgegangen und konnte auf dem Feld hinter der Absperrung Bewegung ausmachen. Dort standen doch tatsächlich einige Locals mit Fahrrädern und schauten verwundert durch die Dunkelheit auf die kakophonierende Main Stage. Einer hatte sich sogar einen Stuhl mitgebracht. Schön, dass unser Festival auch in der Region Freunde findet, aber nächstes Mal einfach ein Ticket lösen und sich ins Getümmel stürzen, liebe AnwohnerInnen! Frisch gewaschen konnte ich dann natürlich noch den absoluten Headliner HEAVEN SHALL BURN erleben. Nach einem wahrhaft epischen Intro regenete es rotes Konfetti auf die Felder des Infield und mit Pauken und Trompeten, Feuerfontänen und Funkenregen betraten die Core-Giganten die Bretter, die die Welt bedeuten. Wie man es von ihm gewohnt ist, ergriff Sänger Marcus Bischoff nach dem Opener “Conterweight” ausschweifend das Wort: “Wow. Herzlich willkommen, Summer Breeze! Ich bin schon jetzt überwältigt von eurer Anzahl. Ihr seid die wahren Helden! Vier Tage Sonne! Es war megaheiß. Vor zwei Jahren war Schlamm, jetzt aber nicht. Es gibt also keine Ausreden alá “ich kann mich nicht bewegen”, okay? Wir werden Songs spielen, die wir dann lange nicht mehr spielen werden! Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass wir vielleicht eine neue Platte rausbringen”. Es galt also, einigen HSB-Klassikern bis auf Weiteres Lebewohl zu sagen. Das war jedenfalls ein großartiger Motivator, jeden einzelnen Ton zu zelebrieren. Nach “Übermacht” gab es neue Instruktionen, die die von SUBWAY TO SALLY noch übertrafen: “Wir kommen nun zu einem Song, der schon viele Jahre auf dem Buckel hat. Vielleicht fliegt er bald aus der Setlist?! Wie viele Ringe hat Olympia? 5? So viele Circle Pits will ich sehen! Macht diese fünf Ringe für uns! Wir wollen das nämlich unseren Freunden von GOJIRA schicken. Ihr spielt bei Olympia? Olympia spielt bei UNS!”. Die groß angelegte Choreo zu “Behind A WAll Of Silence” gelang vortrefflich. Und wieder geschah Ungeheuerliches: Das Rebellen-Brutnest hinter dem Cocktail-Stand formte einen sechsten, illegalen Pit ohne Genehmigung. Hatten sie das nicht schon einmal getan? Verdammte Anarchisten! Bischoff hatte aber noch mehr Engagement auf der Wunschliste: “Wir wollten dieses Jahr eigentlich gar nicht spielen. Aber dann kam das Angebot. Summer Breeze und Reload spielen wir! Ihr wisst auch warum! Die ARCHITECTS gestern hatten eine super Show, das wurde mir gesteckt. Aber es kann doch nicht sein, dass ARCHITECTS mehr Crowdsurfer haben als HEAVEN SHALL BURN! Und egal wo wir spielen: Die Security-Chefs sagen meist: ‘Bitte nicht so viel, meine Jungs könnten Kratzer abkriegen!’. Aber die Secus hier freuen sich drauf!. Da hatte er natürlich Recht, die Grabenschlampen sind unübertroffen, und haben im Gegensatz zu vielen anderen Sicherheitsdiensten wirklich Spaß an ihrem Job. Crowdsurfer sind auf dem Summer Breeze nicht der Feind, sondern Partner auf der Mission, eine gute Stimmung mit viel Spaß zu erzeugen. Wie bei ARCHITECTS am Vortag kam der Graben bei “Godiva” und “Hunters Will Be Hunted” aber deutlich an seine Kapazitätsgrenzen. Beinahe im Sekundentakt prasselten die CrowdsurferInnen auf die tapferen Recken in rot hinunter. Nach “Thoughts And Prayers” wurde es nochmal sehr deutlich, was die Ansagen anging. “Was wir euch mitgeben wollen: es gibt so viele Leute in dieser Welt, in unserem Land, in dem Bundesland, aus dem wir kommen, Thüringen, die Angst und eine scheiß Stimmung in der Gesellschaft verbreiten wollen. Was wir heute hier machen, ist hochpolitisch! Magst du NICKELBACK, MAYHEM, Bayern München oder Carl Zeiss Jena? Egal! Wenn jemand euch am Montag wieder Angst machen will, steht ihr bitte mit euer Haltung dagegen! Gute Laune haben ist schon hochpolitisch, egal, ob ihr das wollt oder nicht. Hier zusammen feiern ist politisch!. Der Fronter sprach leider zu schnell, man kam mit dem Mitschreiben nicht hinterher. Aber die Botschaft war vollkommen klar: Wir lassen uns als demokratische Gesellschaft nicht einschüchtern und uns unser buntes und diverses Summer Breeze nicht kaputtmachen. “Alles, was jetzt kommt ist FSK 18. Kinder müssen den Platz jetzt schnell verlassen, denn ich zieh mich jetzt aus”, drohte Bischoff zum Schluss hin und entledigte sich tatsächlich seines roten Hemdes. Das Set endete mit “Tirpitz” und dem BLIND GUARDIAN-Cover “Valhalla” fulminant. HEAVEN SHALL BURN schafften es, das Infield nach der gesunkenen Sonne wieder zu erleuchten und zum Kochen zu bringen. Sollten wir je wirklich eine Energiekrise in Deutschland bekommen, sollte man Bands wie diese an Turbinen anschließen! Brachialer, ehrlicher Sound von ehrlichen Leuten, die Haltung zeigen. Davon brauchen wir heutzutage viel mehr!
Fotos: Patrick Burkhardt
Auf der T-Stage hatten MYRKUR aus Dänemark bereits mit ihrer Show begonnen. Wer von HSB kam, konnte danach noch einen Gutteil der vortrefflichen Amalie Bruun und ihrer Show bewundern, auch wenn etliche BesucherInnen schon am Ende ihrer Kräfte schienen. Die unbarhmerzige Sonne hatte tagsüber viel Kraft verdampfen lassen. Das aktuelle Album “Spine” konnte man zum Beispiel beinahe in Gänze live erleben und sich so ein gutes Bild von Bruun machen. Und auch danach war für Unermüdliche noch mancher Pfeil im nächtlichen Köcher. KORPIKLAANI und INSOMNIUM aus Finnland schnürten einen nordischen Doppelpack auf der Main Stage. Egal ob man schnelle Humppa-Rhythmen bevorzugte oder Melodic Death Metal, hier kamen Nachtfalter nochmal voll auf ihre Kosten. Ich persönlich schlummerte da allerdings schon, während mein unkaputtbarer Fotograf Patrick einfach alles mitnahm. Hut ab, mein Freund!
Fotos: Patrick Burkhardt
Fotos: Patrick Burkhardt
Fotos: Patrick Burkhardt
Das also war das Summer Breeze 2024! Meine kleine Kritik an Bändchenschlange und Core-Lastigkeit habe ich bereits vorgebracht. Ansonsten war es eine rundum gelungene Sache und wir bedanken uns ganz herzlich für die Gastfreundschaft und die großartige Unterhaltung. So geht Festival! Bis zum nächsten Jahr auf dem Summer Breeze Open Air!