M’era Luna 2024 – There’s a good moon on the rise! SONNTAG
Wie gut, dass das M’era Luna auch am Sonntag noch weitergeht. Auch so kommt einem die Zeit in diesem kleinen, gallischen, schwarzen Dorf schon zu kurz vor. Die Aftershow-Party am Vorabend ging natürlich noch lange, daher war um 11 noch nicht jeder fit genug, sich zu erheben. Apropos “After showen”: Im Nachgang des Festivals hatte es auf Social Media einige Diskussionen über zu freizügige Outfits bei beiden Geschlechtern gegeben. Die einen argumentierten mit der persönlichen Freiheit, die anderen fühlten sich von manchem Anblick persönlich belästigt oder riefen: Kann denn nicht einmal jemand an die Kinder denken? Aus der Outfit-Diskussion wurde dann schnell ein Disput darüber, ob man überhaupt Kinder auf Festivals im Allgemeinen und auf das M’era Luna im Speziellen mitnehmen sollte. Meine Meinung dazu: Das müssen die Eltern selbst entscheiden, sich dann aber auch über die Konsequenzen im Klaren sein. Das WGT ist zum Beispiel ausdrücklich familienfreundlich gestaltet, und da es im öffentlichen Raum stattfindet, gelten auch die Regeln der sogenannten… “guten Sitten”, was Bekleidung angeht. Das M’era Luna hingegen ist ein abgeschlossener, von der Öffentlichkeit abgeschirmter Bereich, in dem man meiner Meinung nach seine persönlichen Kleidungs-Vorlieben ausleben können sollte. Wer so gut wie nackt herumläuft, sollte aber schon darauf achten, zum Beispiel in der Menge nicht zu sehr in den “Tanzbereich” anderer BesucherInnen einzudringen. Just my two cents.
Wie bereits erwähnt, hatte JANREVOLUTION das Publikumsvoting gewonnen und durfte somit die Main Stage eröffnen. Die Franken sind derzeit in aller Munde und präsentierten neben dem Titelsong der aktuellen EP “Herzdenkmal” auch ältere Songs. Nebenan auf der Club Stage tobten sich derweil EXTIZE aus, die auch schon auf dem Wave Gotik Treffen mit dem frankensteinartig zusammengeschusterten Medley-Cover…. äh Ding “Gothy Cool” die Massen amüsiert hatten. Eine Hommage oder Persiflage an/auf die größten Szene-Hits? Man weiß es nicht, aber eine frühe Party war es auf jeden Fall. Der Staffelstab auf der Main ging an die Jungs von ERDLING, deren Eröffnungssong “Blitz und Donner” zum Glück nicht prophetisch war, das Wetter blieb warm und sonnig.
Fotos: Mirco Wenzel
Auch der Nachfolgeact STAHLMANN schlug musikalisch in eine ähnliche Kerbe, während nebenan EDEN WEINT IM GRAB sich auch der dunklen Gitarrenmusik hingab, allerdings deutlich melodischer mit Cello und Violine. Für mich war der Auftritt von Sascha Blach und Kollegen das erste Highlight des Tages. “Wir sind EDEN WEINT IM GRAB aus Berlin. Schön, dass ihr so früh schon so zahlreich aus Zelten und Hotelzimmern gekrochen seid”, bedankte sich der Fronter nach den Eröffnungssongs “Jenseitsflugmaschine” und “Tentakel der Angst”, bevor zum “Tango Mortis” übergeleitet wurde. “Vielen Dank, liebe Tangotänzer”, zeigte sich Blach mit der Performance vor der Bühne zufrieden. Leider war das Set recht kurz gehalten, aber es gibt Hoffnung am Horizont: Am 8. November spielt EwiG eine Full Set-Jubiläumsshow in der Berliner “Wabe”. Alle schwarzen Bienen bitte hinfliegen, es lohnt sich. EDEN WEINT IM GRAB sind ein liebenswerter Exot, der noch immer beharrlich die schwarzen Pflanzen im Todesblumenhain mit der Hand hegt und pflegt, während der Gothic-Versandhandel schon längst PayPal-Zahlung anbietet. Wenn der Leierkastenmann zu spielen beginnt, dann spüren wir den dunklen Hauch der Vergänglichkeit und erschaudern wohlig. Keine andere Band schafft es, diesen Geist so gut zu bewahren wie EDEN WEINT IM GRAB. Mit “Traumtod” endete dieses Kleinod von Konzert leider wieder.
Fotos: Mirco Wenzel
Nachdem ich vorerst zur Genüge der Gitarrenmusik gefrönt hatte, konnte ich für FUTURE LIED TO US gleich stehenbleiben. Es ist wunderbar zu sehen, wie Sänger Damasius Venys auf großen Bühnen aufblüht, über die ganze Länge tanzt und mit seinen Bandkollegen interagiert. Reichlich Energie setzen auch [X]-RX mit Pascal Benisch und Jan Teutloff jedes Mal frei. Diesen Beat hörte man bis auf den Zeltplatz, also konnte man auch gleich hingehen und mit der Menge zusammen brüllen, dass man tatsächlich “kein Herz” habe.
Fotos: Mirco Wenzel
Aber nicht jeder mag “hard bass in your face”, wer für ruhigere Töne zu haben war, konnte vor der Main Stage Sven Friedrichs ZERAPHINE lauschen. Die Rockband des Berliners zusammen mit Norman Selbig wird manchmal zu Unrecht als Side-Project wahrgenommen, dabei gibt es ZERAPHINE schon länger als SOLAR FAKE und hat eine eigene, treue Fanbase, wie der Massenauflauf vor der Main Stage bewies.
Fotos: Mirco Wenzel
Auf der Main Stage gaben sich die verwegenen Mannen von D’ARTAGNAN die Ehre. Die Hitze forderte derweil ihren Tribut unter den Festivalgängern, Rufe nach mehr Schattensitzplätzen wurden nach dem Festival zu Recht laut. Die Schwarze Szene wird nicht jünger und bei 30 Grad kann man einfach nicht stundenlang vor den Bühnen tanzen. Die tapferen Musketiere von D’ARTAGNAN hätten sicherlich meine volle Aufmerksamkeit verdient gehabt, aber so zuckte ich nur im Takt zu “Was wollen wir trinken” mit dem Fuß.
Fotos: Mirco Wenzel
Die Club Stage bietet ja immerhin den Vorteil, teilweise ein Sonnendach als Schutz aufzuweisen, daher konnte ich mir als guter Grufti wenigstens die lebenden Legenden von DAS ICH anhören. Erste Erkenntnis: Nanu, Stefan Ackermann ist nicht orange gefärbt? Und Bruno Kramm ist kein Horrorclown? Stattdessen waren die Bandmitglieder schwarz-weiß geschminkt und ungewöhnlicherweise zu viert. Neben dem dritten,festen Bandmitglied Kevin Groß stand auch CENTHRON-Keyboarder Sven mit auf der Bühne. “Es ist verdammt heiß!”, kam Fronter Ackermann nicht umhin zu bemerken. “Das Lied geht nicht an euch. Also, ihr seid auch heiß, aber die Sonne… Das wird auch nie wieder besser. So ist die Welt”. Das Statement in Sachen Klimawandel ist angekommen. Neben “Lazarus” bekamen die schwitzenden Anwesenden natürlich auch “Everblacks” wie “Engel”, “Gottes Tod” und “Kain und Abel” zu hören. Ich finde es immer wieder schön zu sehen, wie ältere Szeneangehörige bei solchen Gelegenheiten aufblühen. Aber DAS ICH sind nicht nur Helden von damals! “Ich habe vor dem Song extrem Bammel gehabt”, bekannte der Sänger nach dem neuen Stück “Dantes Hölle”. “Wir haben erst vor drei Tagen mit dem Proben angefangen. Aber ihr habts gleich verstanden.
Fotos: Mirco Wenzel
Während es auf der Main Stage düster-glamourös mit den Schweden von DEATHSTARS wurde, konnte man nebenan eine bemerkenswerte Show von WELLE:ERDBALL besuchen. Honey und seine Truppe hatten eine “Anti-Kriegs-Show” vorbereitet und dafür Schaufensterpuppen mit Gewehr-Attrappen ausgestattet. Die Kreativität des Senders kennt mal wieder keine Grenzen und natürlich nimmt Honey kein Blatt vor den Mund und demonstriert grundsätzlich eine klare Haltung, egal ob zu Krieg, Tierschutz oder anderen, gesellschaftspolitischen Themen. Und auch musikalisch war der Auftritt natürlich ein Fest.
Fotos: Mirco Wenzel
Fotos: Mirco Wenzel
Beim Auftritt von SCHANDMAUL gab es Zuwachs auf der Bühne. Die Nachricht von der Krebs-Erkrankung des Sängers Thomas Lindner im Vorjahr hatte für viel Besorgnis und Anteilnahme in der Fanbase gesorgt. Lindner, der immerhin mit Gitarre an dem Auftritt teilnehmen konnte, ließ sich am Mikrofon von RUSSKAJA-Fronter Georgij Mazakaria vertreten. Natürlich war das für viele Fans eine Umstellung, an die man sich erst einmal gewöhnen musste. Wir können aber alle dankbar sein, dass Georgij eingsprungen ist und den Auftritt überhaupt ermöglicht hat. Thomas ergriff zwischen “Hexeneinmaleins” und “Die Tafelrunde” das Wort und sagte: “Es ist schön, euch zu sehen. Vor einem Jahr hätte ich nicht gedacht, dass wir uns jemals wiedersehen. Ich hatte kein schönes Jahr, wurde aufgeschnitten… Aber ich bin sehr dankbar für die großartige Unterstützung von Georgij”. Ein emotionaler Moment für alle SCHANDMAUL-Fans vor Ort, die beim großen Finale aus “Walpurgisnacht” und “Dein Anblick” besonders inbrünstig und langanhaltend mitsangen.
Fotos: Mirco Wenzel
COMBICHRIST oder LORD OF THE LOST? Das war für manch einen keine leichte Entscheidung. Aber Festivals bringen es so mit sich, dass man schwere Entscheidungen treffen muss. LORD OF THE LOST haben seit dem ESC noch einmal deutlich an Popularität gewonnen. Wir sind uns sicher, dass sie in Kürze reif genug sind, das M’era Luna zu headlinen. Die neue Show mit Pyrotechnik macht auch einiges her, wie man zugeben muss. Je tiefer die gnadenlose Sonne sank, desto mehr erwachten die Lebensgeister des Publikums, was vor allem COMBICHRIST zu Gute kam. Während bEi LOTL noch auf Decken gesessen wurde, kann man sich bei COMBICHRIST so etwas nicht erlauben. Selbst eingefleischte, langjährige BegleiterInnen wie unsere Chefredakteurin zeigten sich beeindruckt von der brachialen Wucht, die Andy LaPlegua und Co. auf der Bühne bei Songs wie “Without Emotions” und “This Is My Rifle” entfesselten. Aber nicht nur vor der Bühne spürte man diese Energie. “This is my extended family!”, adelte der Fronter das Publikum und strafte “Without Emotions” Lügen. “No one in my life is so loyal! You see the fuckin’ smile on my face? You make me so fuckin’ happy!”. Grandioses Bekenntnis, das wir so zurückgeben können.
Fotos: Mirco Wenzel
Fotos: Mirco Wenzel
Vor der Club Stage konnte das geneigte Electro-Publikum gleich stehenbleiben, denn [:SITD:] machten gleich weiter mit dem Abriss! Immer ein Tanzgarant, diese Jungs!
Fotos: Mirco Wenzel
Aber so gern ich diese Institution normalerweise auch feiere, meine Metal-Seele hatte keine Wahl: EPICA begleiten mich schon fast mein ganzes Leben, sodass ich unbedingt nach vorne musste. Die aufwändigen Bühnenaufbauten beinhalteten unter anderem zwei hoch aufgerichtete Schlangen aus Metall, verzweigte Gitter aus dem selben Material und drehbar gelagerte Scheiben. EPICA waren bei den früheren Ausgaben des M’era Luna häufiger zu Gast gewesen, aber der “Symphonic-Slot” war in den letzten Jahren üblicherweise von WITHIN TEMPTATION besetzt gewesen. Doch nun kehrten Simone Simons und ihre vortreffliche Truppe nach sage und schreibe 16 Jahren nach Hildesheim zurück. Wie üblich startete man mit “Abyss Of Time”, bevor sich die Niederländerin auf Deutsch an die Fans wandte: “M’era Luna, Epica is back!”, rief sie der jubelnden Menge entgegen. “Guten Abend, wie geht’s euch? Wir freuen uns, endlich wieder hier zu sein. Ich glaube, das letzte Mal ist schon viel zu lange her! Aber heute machen wir einfach neue Erinnerungen. Metalheads, wir sind eine große Familie und heute feiern wir das Leben. Seid ihr dabei?”. Natürlich wäre ihr die Menge überall hin gefolgt, zunächst jedoch in das brodelnde “Essence Of Silence”. “Ganz schön viele Leute hier”, merkte Simons nach “Unchain Utopia” an. “Große Familie! Und was haben wir gemeinsam? Wir lieben Musik und Bier und schöne Outfits. Ihr seht alle wunderschön aus, Kompliment! Manchmal kommen jedoch die Monster raus. Die sind nicht so schön, aber wir lieben sie trotzdem! Alle Hände in die Luft!”. Die “Monster” wurden hernach in “The Skeleton Key” besungen. Zwischendurch kündigte die Sängerin ein neues EPICA-Album für 2025 an und erntete erneut lauten Jubel. Überhaupt nahm das M’era Luna-Publikum den Metal-Act wohlwollend auf und bewies wieder einmal die große Schnittmenge zwischen den Unterarten der Schwarzen Szene. Wer die Setlisten von 2008 und 2024 vergleicht, wird nur zwei Überschneidungen finden. Eine natürlich in Form des legendären Mitsing-Songs “Cry For The Moon”. Sich darin zu einem großen Chor zusammenzufinden, ist ein liebgewonnenes Ritual aller EPICA-Fans. Beim vorletzten Song “Beyond The Matrix” musste natürlich wieder kräftig gesprungen werden. Und der Abschlusssong… heute wie vor 16 Jahren natürlich “Consign To Oblivion”. Und egal ob man sich auf einem Metal-Festival oder auf dem M’era Luna befindet, Mark Jansen forderte auch diesmal eine Wall of Death ein und bekam sie plus anschließendem Moshpit!
Fotos: Mirco Wenzel
DIE KRUPPS hatten sich vor kurzem unter unklaren Umständen von Nils Finkeisen getrennt und dafür Dylan Chrisford Smith in die Band geholt. Der hatte mit der Band bereits einige Shows in Skandinavien absolviert und konnte nun auch dem deutschen Publikum als festes Bandmitglied präsentiert werden. Auch auf der Main Stage hatte das mittlerweile mondbeschienene M’era Luna noch einen fetten Pfeil im Köcher: Natürlich den All-time-Headliner VNV NATION. Diese Band ist immer gut als emotionale Schleife auf einem Festival. Wenn die Hits “Illusion” inklusive Lichtermeer im Publikum, “Nova” und “Gratitude” erklingen, kann man noch einmal alles geben und zu Ronan Harris’ sanfter Stimme das Festival revue passieren lassen. Aber auch die Band ist gerne auf dem M’era Luna: “Immer das beste Publikum hier! Es ist eine Ehre, hier spielen zu dürfen”, bekannte der Fronter nach überschwänglichen Dankesbekundungen. “Passt auf euch auf!”, gab er dem Publikum noch mit auf den Weg, bevor er uns mit “All Our Sins” in die laue Sommernacht entließ.
Fotos: Mirco Wenzel
Das war es also: Das dunke Familientreffen auf dem Flugplatz Drispenstedt 2024. Danke an FKP Scorpio, dass wir kommen durften und danke an die gesamte M’era Luna-Crew, die uns diese schönen Stunden und den Seelenurlaub ermöglicht hat. Der Vorverkauf für 2025 läuft bereits sehr gut, also sichert euch möglichst bald euer Ticket!