EDEN WEINT IM GRAB und DEATH CULT 69 begeystern in Hannover

Ein Konzert der Dark Metaler EDEN WEINT IM GRAB ist kein alltägliches Ereignis. Während “nebenan” in der Swiss Life Hall Fans der Neuen Deutschen Härte EISBRECHER lauschen durften, zog es Gruftis und anderes Schwarzvolk eher in die kleine SubKultur in der Nordstadt für ein tiefgründigeres Vergnügen. Die Truppe um “Alexander Paul Blake” hatte jüngst das neue Album “Apokalypse Galore” veröffentlicht und so ein neues Werk verlangt natürlich danach, gleichsam mit Blut, Schweiß und Tränen auf den splittrigen Bühnenbrettern der Republik getränkt und so geadelt zu werden. Die SubKultur von Jens Klostermann ist längst zum Rückzugsraum aller musikalischen Feinschmecker avanciert. Hier gibt es kein à la carte, sondern nur Specials. Hier findet man genau die Druiden, die man sucht und kann zwar keine Killersticks kaufen, aber dafür eine erlesene Auswahl an Getränken. Kaum zu glauben, aber ich war zum ersten Mal in der berühmten Location und bekam auch gleich am Einlass einige Tipps für Fußpflege, äh ich meine fußläufige Verpflegung. Ich fühlte mich sehr willkommen in der SubKultur und verstand nun, warum meine Redaktionskollegen hier regelmäßig ein- und ausgehen.

Den Abend eröffnen durfte ein nicht minder exotisches Nachtschattengewächs namens DEATH CULT 69. Die Band um zwei der WISBORG-Mitglieder, Konstantin Michaely und Luc Lacroix, wurde als “anachronistischer Doom-Metal mit einer sinistren Orgel” angekündigt, was die Messlatte hoch aufhing. Nun könnte man ja jeglichen Doom als anachronistisch bezeichnen, schließlich gibt es in dem Bereich kaum noch Nachwuchs, denn kaum eine Band hat noch Lust, sich auf die langsam stampfenden, meditativen Rhythmen einzulassen, die hier maßgeblich sind. Viele Gitarristen scheinen nur ein Ziel zu kennen: Möglichst viele, möglichst schnelle Solos zu spielen. Für Doom Metal braucht es Geduld und Hingabe. Die ist hier definitiv vorhanden. Konstantin scheint, was die Kreativität angeht, ein Bluter ohne Gerinnungsfaktoren zu sein, der Quell sprudelt einfach immer weiter und füllt die Formen nicht nur bei WISBORG, sondern z.B. auch bei DEATH CULT 69. Die Berliner hatten die Bühne stimmungsvoll mit Kerzen dekoriert und starteten mit ihrem “Rekrutierungssong” “Join The Cult”. “Ich habe sechs Jahre in der Nordstadt gelebt”,solidarisierte sich der Fronter direkt mit der Location. Der zweite Song (“The End Of Days”) hatte dann auch deutlichere Doom-Einfärbung und bestach nicht nur durch Konstantins beschwörender Stimme. Die “sinistre Orgel” war in Wirklichkeit ein Keyboard, trug aber ebenfalls sehr zur Stimmung bei. Dank der intimen Atmosphäre der eingeschworenen Gemeinschaft vor Ort fehlte es allerdings offenkundig an Pfeifen. Das Niveau des üblichen SubKultur-Publikums scheint durchweg hoch zu sein. Intimität erzeugt aber auch viel Wärme, was auch auf der Bühne bemerkt wurde: “Es hat ungefähr 1000 Grad, mein Blut fängt an zu tropfen” bemerkte der Sänger. “Egal, das trägt zur Experience bei. Der nächste Song ist ein bisschen schneller, viel Spaß”. Gemeint war übrigens die blutrote Hautbemalung, die sich ein wenig verflüssigte. Nach dem versprochenen, etwas schnelleren “Ritual Queen” gab es auch noch einen neuen, bisher nicht veröffentlichten Song zu hören. “Hell On Earth” entpuppte sich für mich als Highlight des Sets. “Wir gehen nächste Woche ins Studio und nehmen den auf!”, versprach Konstantin. “Und vielleicht gibt es nächstes Jahr ein Album”, schloss er kryptisch. Nun, das können wir sicherlich nur begrüßen. DEATH CULT 69 sind erfrischend anders und Anachronismen werden hier gerne verziehen. Mit dem ARTHUR BROWN-Cover “Fire” verabschiedete sich die Berliner Formation. Den “Zugabe”-Rufen wurde mit der besten aller Begründungen eine Absage erteilt: “Wir wollen EDEN WEINT IM GRAB sehen!”. Stimmungsmäßig holte die Musik bereits etliche gut ab, wie man an tranceartig headbangenden Köpfen in den ersten Reihen beobachten konnte. Der erste Gang des Abends machte schon einmal Lust auf mehr. Es wurde nun Zeit für den Headliner.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Der ließ sich nach Ende des Support-Sets auch nicht lange bitten und betrat zum aufpeitschenden Klang einer Sirene die Bühne. Gleich zu Beginn bekamen wir einen der neuen Songs zu hören und zwar “Hure Babylon”. Man kann diese Band durchaus als “nischig” bezeichnen, solange man das positiv meint. Denn hier steckt wirklich viel Herzblut und Liebe zum Detail in jedem Album. Morbidität alleine macht noch kein Konzept, das haben mittlerweile zu viele versucht. Damit wirklich ein gewisser Grusel-Faktor geschaffen wird, darf das Ganze nicht zu offensichtlich, nicht zu augenfällig sein. Man darf nicht gleich mit dem Kerzenleuchter erschlagen werden, um es so auszudrücken. Hier ist mehr Subtilität, mehr Mystik, mehr Geheimnis gefragt. EDEN WEINT IM GRAB gelingt es seit Jahren, eine Geyster-Suppe anzurühren, wo man nur die Hälfte der Zutaten kennt und die trotzdem vortrefflich mundet. Und das Ganze funktioniert sogar abseits der düsteren Wohnhöhle- auf der Bühne! Mit “An die Nacht” bekamen wir als nächstes eine Hymne kredenzt, die zwar schon 15 Jahre auf dem Buckel hat, aber vortrefflich gealtert ist. Hier konnten selbst die ZuhörerInnen mitsingen, die sich sträflicherweise noch nicht mit dem aktuellen Album “Apokalypse Galore” beschäftigt hatten. “Schönen guten Abend, Hannover”, begrüßte Blake die gute gefüllte SubKultur. Wir sind EDEN WEINT IM GRAB, ihr dürft “EwiG” zu uns sagen”. Und gleich war man auf Augenhöhe und bekam gewissermaßen das “Du” angeboten. Nett. “Wer sieht uns heute zum ersten Mal?”, prüfte er gleich die Zusammensetzung des Publikums und stellte danach die wichtigere Frage: “Kommt ihr denn auch wieder?”. Vielleicht war es für diese Frage noch ein bisschen früh. Sperrig-nischiges Material wie EwiG braucht schließlich immer ein wenig Zeit, um zu reifen. Dass es innerhalb der Band auch demokratisch zugeht, erfuhr man alsdann durch den Hinweis, dass man den Song “Unter dem Eis” auf Wunsch von Gitarrist Yvar Rabenfeder ins Set aufgenommen hatte. Noch mehr Demokratie gab es danach scheinbar bei der Abfrage ans Publikum, welchen Song man denn zu hören gedenke. Die “Jenseitsflugmaschine” war allerdings noch nicht auf dem Rollfeld und wurde auf später verschoben. Zuerst bekamen wir den “Giftmischer” auf die Ohren, nicht ohne den Disclaimer vorab, dass man zu dem Song eigentlich keine Ansage machen sollte, weil es da einiges falsch zu verstehen gäbe. Aber wer weiß, dass der Hintergrund des Songs die reale Figur des William Palmer ist, kommt nicht umhin zu konstatieren, dass EDEN WEINT IM GRAB hier nur in die Rolle des Chronisten schlüpfen. Genauso verhält es sich natürlich mit dem “Meysterdetektiv”, dessen Vorlage aus der Feder von Edgar Allan Poe stammt. Ein gewisses “Vergiftungspotenzial” hat der erstere Song aber durchaus, jedenfalls bleibt er eine Weile im Kopf und man ertappt sich noch Tage danach dabei, wie man den Refrain vor sich hinsummt. Beim “Meysterdetektiv” ist vor allem das Cello-Stakkato absolut hypnotisierend. Überhaupt muss man dieser Stelle mal Meyster Melicus’ außerordentliche Cello-Virtuosität hervorheben, die der Musik von EDEN WEINT IM GRAB ein weiteres, unschätzbares Element sowie zusätzlichen Wiedererkennungswert verleiht. Dass er an dem Abend um ein Haar gar nicht auf der Bühne gestanden bzw. gesessen hätte und ebenso einige andere Bandmitglieder nicht, erfuhren wir später vom Frontmann. “Es war eine Tour mit vielen Aufs und Abs. Auch heute gab es übrigens wieder ein “Ab”. Wisst ihr, wem ihr es zu verdanken habt, dass wir hier vollzählig auf der Bühne stehen? Dem ADAC!”. Eine Panne des Anreise-Wagens hatte dazu geführt, dass der Großteil der Band irgendwo im Nirgendwo steckengeblieben wäre, wenn die gelben Engel den Vorboten der Finsternis nicht doch noch Flügel verliehen hätten. Wir bedanken uns herzlich beim ADAC und ihm wurde auch der nachfolgende Song “Der Exitus der Schlangen” gewidmet. So wurde aus dem “Ab” doch noch ein “Up!”.
Als Entscheidungshilfe für die bisherigen “Apokalypse Galore”-Verweigerer gab es dann auch noch weiteres Futter in Form der Single “Tentakel der Angst”. Dazu sei besonders das offizielle Video, liebevoll animiert und angerichtet von SATANINCHEN, ans Herz gelegt.

Aber auch für die langjährigen Hardcore-Fans gab es einige Perlen zu entdecken, besonders genannt sei “Den Herbstlaubreigen tanzt der Tod” vom Debutalbum mit dem schönen Titel “Traumtrophäen toter Trauertänzer”, aber auch der mehr oder weniger heimliche Lieblingssong vieler EwiG-Fans, der gar nicht auf der Setlist stand, aber wie der unerwartete Rabe überraschend aus der Düstertorte flog: “Aurelia”. Mit “Stefan” wurde einer der “ewigen Bergmänner” im EwiG-Stollen auch namentlich begrüßt. Eine schöne Geste, die zeigt, wie wichtig der Band ihre treuen Fans sind. Beim neuen Song “Die Trauerspiele des Clowns” kamen dann sogar Requisiten zum Einsatz, denn die Instrumentalisten bestückten sich mit rot blinkenden Clownsnasen, was in der schummrigen SubKultur einen schönen Effekt abgab. Nach dem absolut ikonischen “Tango Mortis” mit seinem unverwechselbaren Intro, das einige Paare im Publikum sogar zu Tango-Tanzschritten animierte, begaben wir uns im Einklang mit dem drohenden Verbrennerverbot in das Reich der nachhaltig angetriebenen Verkehrsmittel. EDEN WEINT IM GRAB hatten hier schon lange vor der Nachhaltigkeitsbewegung die Leuchtnase vorn und präsentierten auch an diesem Abend wieder den Antieb mittels “Kraft der Implosion” in Form der “Jenseitsflugmaschine”, gleich gefolgt von der lautlos gleitenden und auch gänzlich emissionsfreien “Geystergaleere”. Wer vom Rudern trockene Kehlen bekommen hatte, konnte das nun noch schnell beheben und auch Blake fragte besorgt “Habt ihr genug zu trinken? Für den nächsten Song könnt ihr’s brauchen”. Die Rede war natürlich von der berühmten “Toten-Taverne”. Thematisch passend sei an der Stelle erwähnt, dass ich am Tresen der SubKultur ständig meine Auswahl präzisieren musste. Auf mein lakonisches “Gin Tonic, bitte” folgte unerwarteterweise ein: “Welcher Gin?” gefolgt von einer Aufzählung. Und auch “Rum+Cola” war nicht eindeutig genug, auch hier sollte ich eine Sorte wählen. Unerhöhrt viel Auswahl für eine kleine Taverne. Chapeau! Doch als ich noch gedankenverloren hinten am Tresen meine Rumauswahl überdachte und beinahe den an mich gerichteten Service-Hinweis des Sängers (“Danke an Cynthia, die Fotografin. Marvin schreibt heute den Text. Soll ich irgendeine Ansage wiederholen?”) verpasste, näherte sich auch schon der Endspurt des Sets, was keiner der Anwesenden so recht wahrhaben wollte. “Vielleicht wollt ihr den Protagonisten des nächsten Songs ein wenig unterstützen, er hat nämlich ein ganz schweres Schicksal”, kündigte Blake einen der bekanntesten Songs der Band “Die Moritat des Leierkastenmanns” an. Den Song konnten noch einmal alle mitsingen, bis passenderweise “Letztes Morgenrot” das Haupt-Set abschloss. Die Band begab sich allerdings gar nicht erst in den Backstage-Bereich, denn die Stimmung war bisher so gut gewesen, dass eine Zugabe geradezu obligatorisch war. Diese erfolgte in Form von “Traumtod” und “Bon Voyage”, bevor der Sänger sich herzlich bei den Hannoveranern bedankte: “Vielen Dank für diesen wirklich schönen Abend. Ihr wart das lauteste Publikum auf dieser Tour. Danke an die SubKultur, an Jens und das Team und auch an Vivien am Merch, dass du uns immer wieder so selbstlos begleitest. Danke auch an meine tolle Band. Ein letzter Song noch?”. Die rhetorische Frage wurde natürlich lautstark beantwortet und jemand wünschte sich vernehmlich “Mein geysterhaftes Grammophon”. Wir können an dieser Stelle auch endlich die Frage bejahen, die euch allen bereits im Kopf herumgeystert: Es ist richtig, dass EDEN WEINT IM GRAB eine Auffangstation für aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum geflohene Ypsilons anbieten. Für ein englisches “Y” gab es in Deutschland lange nur die Möglichkeit, auf irgendwelchen verwitterten Holzschildern diverser Mittelaltermärkte Aufnahme zu finden, doch irgendwann waren dort alle Plätze vergeben und so schufen EwiG, die ein Herz für ausrangierte Fast-Vokale haben, eine neue Bleibe in ihren Songtiteln. Nichtsdestrotrotz gab es an dem Abend keyn Grammophon zu hören, sondern stattdessen das nicht minder beliebte “Krieg im Wunderland” als letztes Ausrufezeychen. Das Publikum war von der ausgiebigen Darbietung jedenfalls absolut begeystert und konnte danach nahtlos in die Aftershow-Party übergehen. Auch die Bandmitglieder zeigten sich volksnah und mischten sich in die Menge, bzw. standen für eine gepflegte Unterhaltung am Merch zur Verfügung. Ein angemessen apokalyptischer und galant galorner Abend klang feucht-fröhlich und superb-subkulturell aus.

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Fotos: Cynthia Theisinger
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