Wenn schon Apokalypse, dann episch! EPICA & APOCALYPTICA am 28.01.2023 in Hamburg
Immer noch ist die Konzert-Welt dabei, verschobene Touren nachzuholen, und auch die lang ersehnte “Epic Apocalypse”-Tour bildet hier keine Ausnahme. Am 28.01.2023 war es dann aber endlich soweit und der Tross, bestehend aus den Co-Headlinern EPICA und APOCALYPTICA machte gemeinsam mit der Vorband WHEEL in der Hansestadt Hamburg Halt und lud ein in die restlos ausverkaufte Große Freiheit 36. Während es draußen langsam zu schneien begann, öffnete die legendäre Location um kurz nach 18 Uhr ihre Pforten für die auf der Reeperbahn wartenden Metalheads.
Während der Einlass noch in vollem Gange war, betraten bereits um 18:20 Uhr WHEEL die Bühne und begannen vor noch mehr schlecht als recht gefülltem Saal mit „Blood Drinker“ ihr Set. Anders als die beiden Haupt-Acts der Tour bewegt sich die Band mit ihrer Musik nicht im symphonischen Bereich, sondern kann eher dem Prog-Metal zugeordnet werden. Beeinflusst von Bands wie TOOL geben WHEEL wenig auf altbewährte „Standard-Rezepte“ und kreieren lieber ihren ganz eigenen musikalischen Mix. Durchaus erfolgreich, konnte die Band sich in den letzten Jahren doch bereits eine Fangemeinde aufbauen, von der sich auch im Innenraum der Große Freiheit einige Vertreter eingefunden hatten. Leider konnte die Band ihre Stärke während der Show nur begrenzt demonstrieren, denn der Sound ließ zu wünschen übrig. Der Mix wirkte recht unausgewogen und Sänger James Lascelles ging fast gänzlich unter, seinen Gesang erahnte man mehr als dass man ihn hörte. Nichtsdestotrotz spielten sich die vier Herren tapfer weiter durch ihr Set, mal grooviger unterwegs mit „Movement“, dann wieder progressiver mit dem 12-Minuten-Track „Hyperion“. Nach „Vultures“ gab es von James Lascelles schließlich noch eine kurze Ansage sowie das übliche „Anteasern“ der kommenden Acts, bevor mit „Wheel“ dann auch schon der letzte Song des recht kurzen Sets angestimmt wurde.
Fotos: Nola
Kaum hatten WHEEL die Bühne verlassen, ging das Umbau-Gewusel auch schon los und beantwortete uns die Frage, wer an diesem Abend wohl die erste Headliner-Show spielen würde: niemand geringerer als die Symphonic Metaler von EPICA. Diese durften um 19:10 Uhr loslegen und mit „Alpha – Anteludium“ erklang vom Band der Song, welcher nicht nur den Auftakt zum Album „Omega“ bildet, sondern auch hier die Show der Niederländer einleitete. Einer nach dem anderen betraten die Herren der Band die Bühne, während das Intro fließend in den ersten Song überging. Auch Frontfrau Simone Simons ließ nicht lange auf sich warten und betrat unter lautem Applaus die Bühne. Im Duett mit Mark Jansen legte sie dann auch direkt los, und begann mit der Performance von „Abyss Of Time“. Erfreut nahm ich zur Kenntnis, dass sich die Sound-Probleme, welche ich zuvor bei WHEEL noch bemängelt hatte, inzwischen in Wohlgefallen aufgelöst hatten – sowohl Simones Gesang als auch Marks Growls waren gut vernehmbar. Es wurde sogar noch besser, denn inzwischen schien jemand den Lichtschalter gefunden zu haben und die Bühne versank nicht mehr länger im Halbdunkel. Zeit also für einen kurzen Blick auf das Bühnenbild. Aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse in der (nicht ganz so) großen Große Freiheit 36 musste leider ein Großteil des Setups eingepackt bleiben, lediglich für einen kleinen Screen im Hintergrund war Raum, welcher zur atmosphärischen Untermalung der Performance beitrug. EPICA bewiesen jedoch schnell, dass sie sich von solchen Nebensächlichkeiten wie einem reduzierten Bühnenbild nicht aufhalten lassen, und kein großes Brimborium brauchen, um eine überzeugende Show abzuliefern. Die Truppe sprühte geradezu vor Energie und steckte auch das Publikum im Handumdrehen an. Nach einer kurzen teilweise deutschen und teilweise englischen Ansage von Frontfrau Simone, die sich freute, mal wieder im Norden von Deutschland zu Besuch zu sein, ging es dann auch schon direkt weiter mit „The Essence Of Silence“ und „Victims Of Contingency“. Keyboarder Coen Janssen gesellte sich mit einem umgeschnallten Keyboard zu seinen Kollegen im vorderen Teil der Bühne und heizte die Stimmung von dort noch zusätzlich an. Für den nächsten Track „Fools Of Damnation“ gab es dann nochmals eine kleine räumliche Umverteilung und Mark Jansen nahm nun den zentralen Platz von Simone Simons ein, während diese Coen Janssen und Ariën van Weesenbeek einen Besuch auf dem Podest abstattete. Der Song begann mit eher seichten Klängen und vermittelte jemandem, der mit der EPICA-Diskographie nicht ganz so gut vertraut ist, vielleicht den Eindruck, dass wir es hier nun mit der ersten Ballade des Abends zu tun bekommen könnten. Falsch gedacht, denn auch dieser Song entwickelte sich schnell zu einer harten Nummer, an welcher die Saiten-Fraktion im Vordergrund sichtlich ihren Spaß hatte. Mark Jansen und Isaac Delahaye schrubbelten auf ihren Gitarren was das Zeug hielt, während Rob van der Loo am Bass die tiefen Töne beitrug und fleißig das Haupthaar kreisen ließ. Für „The Final Lullaby“ übernahm Simone wieder den Platz im Zentrum der Bühne und legte sich gesangstechnisch gleich doppelt ins Zeug, performte sie doch nicht nur ihre eigenen Passsagen, sondern auch die in der Studio-Version von SHINING-Frontmann Jørgen Munkeby eingesungenen Parts. Nach so viel Gegroove im Saxophon-lastigen Mittelteil des Songs war der Raum inzwischen nun wirklich mehr als gut aufgeheizt. Höchste Zeit also für eine kurze Verschnaufpause. Für die emotionale Ballade „Rivers“ bat Simone um ein Lichtermeer im Publikum und dieses bekam sie auch. Nur getragen von ihrer Stimme und besagten Lichtern aus dem Saal begann die Nummer, auch der Screen blieb vorerst aus. Nach und nach setzte die instrumentale Untermalung ihrer Kollegen ein, diese blieb jedoch bis zum Schluss wundervoll minimalistisch und gab Simone Gelegenheit, mit ihrem Gesang zu glänzen. Damit war’s dann aber auch erstmal wieder genug mit den ruhigen Klängen, schließlich sind EPICA immer noch in erster Linie Symphonic METAL – weiter im Takt also mit „Code Of Life“. Im Anschluss genehmigte sich Simone unter „Noch ein Bier“-Zurufen einen Schluck Wasser („Das ist keine gute Idee, dann fange ich nur an, falsche Lieder zu singen“) und forderte uns auf, sie beim nächsten Stück mit Gesang zu unterstützen. Bei diesem handelte es sich um den absoluten EPICA-Klassiker „Cry For The Moon“ und die gesangliche Unterstützung in Form von „Forever And Ever“-Rufen an den passenden Stellen ließ nicht lange auf sich warten (war ja auch nicht so schwer, gab es doch Hilfestellung in Form von „Karaoke-Text“ auf dem Screen). Der Song gipfelte schlussendlich in ein kleines Drum-Solo, bei welchem Schlagzeuger Ariën van Weesenbeek noch einmal im Spotlight sein Können unter Beweis stellen durfte. Dann ging es auch schon direkt weiter mit „Beyond The Matrix“, einem Song, welcher den Anwesenden noch einmal alles abverlangte, hieß es doch nun, im Takt mitzuhüpfen was das Zeug hielt. Nach so viel sportlicher Betätigung tropfte der Schweiß inzwischen nun beinahe schon von der Decke, was auch Simone nicht entging: „Hamburg, ihr seid heiß! Wir haben glaube ich auf dieser ganzen Tour noch nie so sehr geschwitzt, die Jungs sind klitschnass und ich auch.“Für den letzten Song des Sets, „Consign To Oblivion“, war Schwächeln aber natürlich keine Option und so leistete der Innenraum der Große Freiheit dem Aufruf nach einer „Epic Wall Of Death“ selbstverständlich Folge. Auch als in der Mitte des Songs eine Art Anleitung a la „How To: Cicle Pit“ auf dem Bildschirm erschien, ließ sich die Menge nicht lumpen und moshte und kreiselte mindestens ebenso enthusiastisch, wie die Band auf der Bühne noch ein letztes Mal alles gab. Viel zu früh fand das schweißtreibende Set von EPICA nach knappen 70 Minuten dann ein Ende, und wir konnten noch einmal kurz durchatmen, während EPICAs Set ab- und das von APOCALYPTICA aufgebaut wurde.
Fotos: Nola
Übrig vom Bühnenbild der Vorgänger blieb lediglich der Screen im Hintergrund, ansonsten bestand das Setup nun nur noch aus einem Schlagzeug und einigen zusätzlich aufgestellten Lichtern. Um 20:50 Uhr schließlich war es soweit und wir machten uns bereit für den Empfang von APOCALYPTICA, welche keine Zeit verschwendeten und mit „Ashes Of The Modern World“ direkt in ihr Set starteten. Ein durchaus atmosphärischer Auftakt, welcher im Beginn von melancholisch anmutendem Cello-Spiel getragen wurde, und dann im Verlauf des Songs an Intensität und Härte zunahm. Fließend folgte der Übergang zu „Grace“, einem Stück, in welchem sich das temporeiche Spiel von Schlagzeuger Mikko Sirén und die drei Celli wundervoll ergänzten. Paavo Lötjönen, welcher mit seinem Cello quasi den Bass spielt, war voller Energie. Mal blödelte er mit dem Publikum herum oder animierte es zum Klatschen, dann wieder tobte er über die Bühne und schnitt Grimassen. Auch Eicca Toppinen und Perttu Kivilaakso waren voller Power und bearbeiteten ihre Celli ohne Gnade. Die „typischen“ Metal-Instrumente schien keiner im Raum zu vermissen, und wozu auch bei solch virtuosem Cello-Spiel? Die Finnen sind bekanntermaßen Meister ihrer Kunst und auch das nächste Lied „En Route To Mayhem“ ließ hieran keine Zweifel aufkommen. Dass sie die leisen Töne aber mindestens ebenso gut beherrschen wie die lauten, wurde bei „Rise“ klar, als sich die Cello-Fraktion auf extra herangetragenen Hockern niederließ und zu dieser balladesken Nummer ansetzte. Die Bühnen-Show auf ein Minimum reduziert, ließen die Finnen die Musik für sich selbst sprechen. Insbesondere in einem eher kleinen und intimen Setting wie in der Große Freiheit 36 ging dieses Konzept voll und ganz auf. Als Vorbereitung auf den nächsten Teil der Show richtete Band-Vater Eicca Toppinen das Wort ans Publikum: „Are you ready to sing with us?“. Ganz alleine mussten wir dann aber doch nicht singen, denn APOCALYPTICA holten sich Unterstützung in Form von Franky Perez auf die Bühne. Gemeinsam performten sie zunächst „I’m Not Jesus“ (auf der Album-Version wurde dieser Track von Corey Taylor eingesungen), dann „Shadowmaker“ vom gleichnamigen Album, an dem Perez als Sänger mitgewirkt hatte. Dass Franky Perez mehr kann als nur singen demonstrierte dieser, als er kurzerhand das Schlagzeug von Mikko Sirén kaperte und diesen kurzzeitig arbeitslos machte. Schließlich gab er die Trommeln wieder frei und „Shadowmaker“ ging zur Begeisterung des Publikums über in eine kurze Cover-Version des RAGE AGAINST THE MACHINE-Klassikers „Killing In The Name Of…“, bevor dann mit „I Don’t Care“ zum letzten gemeinsamen Song des Abends angesetzt wurde, und Franky Perez die Bühne im Anschluss wieder verließ. Stattdessen gab es für die Hocker eine Rückkehr auf die Bühne und Eicca, Perttu und Paavo ließen sich nieder, um einen Klassiker aus ihrer eigenen Diskographie zum Besten zu geben, auf den viele sicher schon gewartet hatten. Zeit für “Metallica By Four, ähm, sorry, in diesem Fall ja Three Cellos”. Während APOCALYPTICA die Musik beisteuerte, sang das Publikum insbesondere während des Refrains laut mit (in den Strophen bröckelte die Textsicherheit dann doch etwas). Weiter ging es im Anschluss direkt mit dem nächsten Cover und die Herren knöpften sich den im Original von SEPULTURA stammenden Track „Inquisition Symphony“ vor. Es wurde voller Inbrunst auf den Seiten gefidelt und geheadbangt, auf sowie vor der Bühne. Für die nächste Ansage übernahm Perttu Kivilaakso das Mikro und stellte seine Band-Kollegen sowie sich selbst vor. Merkwürdigerweise klang die Vorstellung jedoch mehr nach einer Bestellung bei einer gewissen Fast-Food-Kette: „Ich bin ein Hamburger! …with double bacon and cheese.“ Na dann mal guten Appetit. Der Heißhunger auf Burger musste sich nun aber zunächst noch ein wenig gedulden, denn zunächst galt es, den Hunger nach einem weiteren Metallica-Cover mit „Seek & Destroy“ zu stillen. Zudem schlich sich in Form von ACDC-Hit „Thunderstruck“ ein weiteres Mini-Cover in die Darbietung. Für den finalen Song des Abends übernahm schließlich wieder Eicca Toppinen das Mikro und philosophierte ein wenig über die Ursprünge der Band – in erster Linie seien sie nämlich vor allem „Classical Bastards“, warum also nicht zur Abwechslung einen klassischen Song auf die Setliste setzen? „After all, this is a classical instrument, or so I’ve been told”, merkte er aufs Cello gestikulierend an. Da es sich hierbei natürlich um eine völlig zutreffende Einordnung des Saiten-Instrumentes handelte, gab es als krönenden Abschluss die APOCALYPTICA-Version von „Hall Of The Mountain King“ auf die Ohren, bevor schließlich auch die Finnen nach einem 70-minütigen Set uns wieder verlassen mussten, nicht aber, ohne uns das Versprechen zu geben, eines Tages wieder in die Hansestadt zurückzukehren.
Einziger Wehmutstropfen an diesem ansonsten durchaus gelungenen Konzert-Abend: die geradezu kriminelle Setlist-Kürzung, welcher die Bands zum Opfer fielen. Gerne hätten wir noch mehr gesehen und gehört, aber das für 22 Uhr angesetzte Ende der Veranstaltung machte dem leider einen Strich durch die Rechnung. Schade! Nichtsdestotrotz war das, was wir in den letzten Stunden erleben durften, musikalisch ganz großes Kino in der Große Freiheit 36. Die Kombination aus EPICA und APOCALYPTICA hat hervorragend funktioniert, während die Vorband WHEEL (auch trotz Sound-Problemen) eine interessante Ergänzung zu den beiden Haupt-Acts darstellte. Immer wieder gerne!