European Dark Dance Treffen – Super nasses Mannheim – Freitag
Das Dark Dance Treffen kennt man noch vom Flugplatz Lahr im Schwarzwald. Aber es muss nicht immer so abgelegen sein. Die aktuelle Ausgabe namens “European Dark Dance Treffen” fand unter der Federführung von Helter Skelter Events (Super Schwarzes Mannheim) eben dort statt: In der Quadratestadt. Ein mehrtägiges Electro-Event in einer großen Location, mit reichlich Abwechslung in der kalendarischen Lücke zwischen Nocturnal Culture Night und Dark Storm-Festival: Die Vorfreude im Redaktionsteam war dementsprechend groß. Bei der Anreise löste sich erst einmal unser lange gehegtes Missverständnis auf: Bei “MS Connexion Complex” handelt es sich keineswegs um ein Schiff, sondern um ein altes Industriegebäude, vergleichbar mit der Matrix in Bochum oder – von der Verwinkelung her – auch mit der Moritzbastei in Leipzig. Michael Degro und sein Team empfingen uns herzlich und mit einem Rundgang durch die heiligen Hallen. Schon am Vortag hatte es die amtliche Eröffnungsparty vor Ort gegeben, das Dunkelvolk wurde in diesen leider auch dunklen Zeiten also regelrecht verwöhnt. Schon alleine die Location zu betreten, die Vorbereitungen zu sehen etc. tat gut – wieder die Atmosphäre einer Szene-Veranstaltung zu schnuppern war, wie bei Heißhunger einen großen dampfenden Teller vorgesetzt zu bekommen, auch wenn das Besteck noch fehlte. Um kurz Bezug zu dem Titel herzustellen: Es sollte während des ganzen Events draußen ordentlich regnen, was natürlich keineswegs die Laune drinnen trübte, sondern den MSCC zur Trutzburg der Gemütlichkeit werden ließ.
Für den Freitag war aber gleich das Improvisationstalent der Veranstalter und Künstler gefragt, denn Equatronic fielen kurzerhand krankheitsbedingt aus, was das Programm etwas zusammenschmelzen ließ und dazu führte, dass sich die Türen erst zwanzig Minuten später als geplant öffneten. Dem Eröffnungsact THE UNKNOWN aus dem Saarland bescherte der Ausfall plus entsprechende Absprachen mit dem Folgeact CULT OF SOTEIRA allerdings eine längere Spielzeit. Es ging schon gut los, hier auf der Mainstage, während die noch mainigere Mainstage in der Kolbenhalle am Freitag noch fest in der Hand des Metals war – denn hier gastierten KNORKATOR mit ihrer “Sieg der Vernunft”-Tour. Auf der “Mainstage” hingegen regierte das Mysterium. Begleitet wurde die 2014 gegründete Band von maskierten Tänzerinnen, die immer wieder die Kostüme wechselten und die samtschwarze Musik mit geschickten Showelementen begleiteten. Lavina Lane, deren hypnotisierende, kraftvolle Stimme und Auftreten an Sonja Kraushofer erinnert und Jan Schäfers Gitarrenspiel schufen ein stimmungsvolles, düsteres Gesamtbild. Dass hier etwas Interessantes geboten wurde, sprach sich im Kaninchenbau des Zwielichts offenbar schnell herum, denn der Floor füllte sich im Laufe des Sets immer mehr. Sängerin Lavina gönnte sich keine Pause, schließlich ging es für sie direkt im Anschluss mit CULT OF SOTEIRA weiter. Die Formation feierte in Mannheim eine Live-Premiere. Auch hier setzte sich das Thema Mystik und düstere Rituale fort, die Mitglieder hatten wohl eigenständig beschlossen, die “Maskenpflicht” zu verlängern und performten hinter schwarzen, teils gehörnten Maskierungen. Auch die Bühne war entsprechend dekoriert und wies unter anderem einen Totenschädel am Mikrofon auf. Und wie klingt er, der Cult? Interessant! Die recht doomigen Saiteninstrumente schaffen einen weichen Soundteppich, über dem Lavina Lanes durchringende Stimme schwebt, die übrigens auch bis in gutturale Gefilde hineinreicht. Die noch recht junge Formation hat mit “Let Me Sway” auch ein Musikvideo draußen, falls jemand einen Anspieltipp braucht, bevor er sich dem Kult unterwirft. Die beiden Opener haben einen hervorragenden Job gemacht und ihre Visitenkarte wirkmächtig in den Ring geworfen. Schade, dass EQUATRONIC nicht auftreten konnte – gute Besserung an der Stelle. Auf dem dritten Live-Floor mit dem schönen Namen “Maschinenraum” konnte man auch bereits das Tanzbein schwingen, hier legten STEAMBEAT, SANS-FIN und GREYHOUND auf. Da unsere Fotografen aufgrund ihrer langen Anreise leider noch nicht früh da sein konnten, haben wir leider keine Fotos der ersten Acts. Schaut gerne mal auf ihren Social Media-Kanälen vorbei, wenn ihr euch nicht vor der Dunkelheit fürchtet!
Nun sollten zum Freitagsfinale sowohl Fans des harschen Electros als auch die Rocker zum Zuge kommen. Erstere bekamen erstklassige Synthiesounds von [:SITD:] serviert. Auch wenn die Bochumer absolute Routiniers sind, besucht man ihre Konzerte immer wieder gern. Die stampfenden Beats kicken einen live immer in den Rausch hinein. Mit “Kreuzgang V.2” fing das Set auch gleich hochkarätig an und das Publikum zeigte der Band deutlich, dass sie mehr als willkommen war. Das merkte auch Casi am Mikro schnell, der nicht mit Komplimenten sparte: “Ihr seid der Hammer, Mannheim”, bekannte er schon nach kurzer Zeit. Heute als dynamisches Duo unterwegs (Frank alleine am Pult), musste die Truppe ohne die Gesangseinlagen von Tom auskommen. Dafür präsentierte sich Casi aber in Bestform und verwöhnte uns mit Krachern wie “Dunkelziffer”, “Genesis” und “Rot”. Immer wieder zog es den Fronter zum Publikum und er klatschte munter Hände ab, um die Verbindung zu den Leuten nicht nur über die Musik aufzubauen, sondern gleich noch eine physische Komponente beizufügen. Auch Songs neueren Datums wie “Greater Heights” erhielten ihren Platz in der Setlist neben den All-time-Favourites. Die Freitagsstimmung erreichte bei diesem Konzert ihren Höhepunkt schlicht aufgrund der Tatsache, dass die Anhänger der gepflegten Elektronik deutlich in der Überzahl waren. Somit feierten sie “ihren” Headliner und wurden mit Dankbarkeit belohnt: “Wir sind [:SITD:], ihr seid Mannheim und der Hammer”, fasste Casi seine Gefühle zusammen. Nun ja, ich wäre eigentlich gern mehr Heidelberg, wenn man mich direkt fragt, aber lassen wir das mal so durchgehen, den “Hammer” nehme ich gern an. Nachdem der Sänger überflüssigerweise Frank noch einmal vorgestellt hatte, endete das Set mit “Richtfest” und “Snuff Machinery”, ohne die eigentlich kein Auftritt mehr auskommt. Keiner meiner Texte über [:SITD:] endet ohne die bisher fruchtlose Bitte, doch stattdessen einmal “Periculär: Richtfest II” live zu spielen. Aber eines Tages… werden die Shadows in the Dark mein Flehen vielleicht erhören. Ein überaus gelungener Auftritt war es natürlich trotzdem!
Fotos: Mirco Wenzel
Auch wenn die Reihen sich nach diesem Gig etwas lichteten, galt es ja noch ein Versprechen an die Dark Rock-Fraktion einzulösen. Und dafür kann man natürlich niemand Besseren als die freundliche UNZUCHT engagieren. Meine Notizen besagen an dieser Stelle “Intro lang und voller Folter”, leider kann ich mich partout nicht mehr erinnern, was ich mit dieser kryptischen Zeile gemeint habe. Hat jemand von euch Erhellendes zum Intro beizutragen? Der Schulz betrat mit Kapuze die Bühne und nachdem auch seine Komplizen auf ihre Plätze gesprintet waren, konnte das Set mit “Allein” beginnen. Danach musste erst einmal die Übertragung des Sounds auf Daniels In-Ear gefixed werden: “Mach den Bass auf meinem Kopf aus”, bat er den Tontechniker. “Hab nur Bass im Kopf. Is ganz geil, aber…”.
Zum Glück konnte das Problem rasch gelöst werden und UNZUCHT war daraufhin in der Lage, den Dämon “Akephalos” zu entfesseln: “Nela” führte uns zurück ins Jahr 2018. “Mannheim, seid ihr bereit für ein kleines bisschen schwarzes Blut?”, fragte der Schulz als nächstes und natürlich handelte es sich um eine rhetorische Frage. Der Aderlass gelang vortrefflich! Wer den Song hörte, sang noch lange danach “…das Kommando” vor sich hin. Wer das Kommando hier auf der Mainstage hatte, war unstrittig. Das Set dieses Abends war auch geprägt von Nachdenklichkeit. Die Janusköpfigkeit der Unzucht schlägt sich darin nieder, dass die meisten Songs entweder düster-fiese Stampfer mit zähnefletschendem Saiten-Daniel oder aber Balladen, angefüllt mit sch(n)ulzigem Schmerz sind. Hier war jedenfalls ein Kessel von beidem angerührt und zusammen serviert worden. “Jenseits der Welt” fällt definitiv in die zweite Kategorie. Wer ob der schnellen Gefühlswechsel etwas die Orientierung verloren hatte, wurde natürlich von Daniel wieder auf den richtigen Weg geführt: “So! heute ist die Mainstage oben”, erklärte er. “Wo wir sind, ist oben! Und wenn wir unten sind, ist unten oben!”. Äh… okay? Natürlich durfte auch das sich in der Geschwindigkeit steigernde Gitarrengeschredder-Schrei-Duell von Saiten-Daniel beim Song “Unzucht” nicht fehlen. Das Mannheimer Publikum bewies leider wenig Rhythmus-Gefühl und blieb schon im mittleren Tempobereich nicht mehr im Takt. Daniels Antwort darauf war Amüsement und folgerichtig und verdient der Song “Nein!”. Das Armeschwenken klappte zum Glück etwas besser, die Hymne an die Verstorbenen, “Ewigkeit”, konnte so ihre volle emotionale Kraft entfalten und die Sonne scheinen lassen – ganz im Gegensatz zum Gespladder draußen vor dem Tore (ohne Lindenbaum). Dann aber lief nicht nur die metaphorische Zeit ab, sondern auch die gebuchte Slot-Zeit, weshalb Mannheim, das heute nicht ganz so viel “Krach machte”, aus der Umklammerung des Gitarrensounds entlassen wurde und sich in die elektronische Aftershowparty stürzen konnte.
Fotos: Mirco Wenzel
Das war ein feiner erster Tag im super schwarzen Mannheim gewesen, nicht zuletzt auch dank der hervorragenden Crew. Egal ob hinter der Bar, an den Zugängen oder an der Garderobe -man traf überall auf gut gelaunte und hilfsbereite Leute, die sich mindestens genauso sehr über das stattfindende Event freuten wie wir Besucher. Darum hier nochmal Respekt und Danke an das MS Connexion Complex-Team.
Morgen berichten wir euch, wie nass und feuchtfröhlich es am Samstag weitergegangen war.