Review: HÄMATOM – BERLIN – ein akustischer Tanz auf dem Vulkan und ein akustisches Wunder
Schon seit über 15 Jahren sorgen die vier Himmelsrichtungen für neue Überraschungen, Experimente und großartige musikalische Vielfalt in der deutschen Metal Szene. Eine Band, die sich mit Märchen befasst und Songs von anderen Künstlern gecovert hat, mit einem Rapper und einer tschechischen Band gemeinsame Tracks rausbrachte und, zu guter Letzt, mit ihrem brachialen Sound in die Wunden dieser Gesellschaft drückt, wagt sich nun an etwas komplett neues und anderes, und zwar an ein Akustik Album, welches den Namen BERLIN trägt und am 2. April das Licht der Welt erblickt. Warum genau neu und anders? Es gab ja schon einige akustische Versionen der bekannten Hits von HÄMATOM, wie „Teufelsweib“ oder „Totgesagt doch neugeboren Teil 3“? Nun, HÄMATOM wären nicht HÄMATOM, wenn sie einfach ihren alten Hits ein neues akustisches Gewand verpassen und ein ganzes Album mit „alten“ Songs rausbringen würden. Es sind 10 brandneue Titel, die ihr von HÄMATOM so noch nicht gehört habt, mit zahlreichen Gastmusikern und vielen Überraschungen. Doch nicht nur das Album ist so besonders, sondern auch das Release Datum. Es ist nämlich Karfreitag, welcher mittlerweile sehr fest mit dieser Band verwachsen ist, denn sowohl der Release von der sehr erfolgreichen Platte „WIR SIND GOTT“, als auch das hauseigene Festival „DAS LAUTE ABENDMAHL“ werden an diesem Tag schon seit 2016 gefeiert. Auch wenn das Festival dieses Jahr in „DAS LEISE ABENDMAHL“ umbenannt wurde und wir das großartige Ereignis nicht in Bremen vor Ort, sondern digital mitfiebern dürfen, bedeutet es trotzdem nicht, dass es mit BERLIN leiser wird. Im Gegenteil! Denn mit BERLIN erreichen die vier maskierten Freaks einen weiteren Höhepunkt ihrer Bandgeschichte. Man könnte sagen, mit diesem voll energiegeladenen Album, welches kein Stück leise ist, entdecken und erobern sie eine neue Musikrichtung für sich.
So möchte ich mich nun mit euch zusammen auf ein Abenteuer begeben und ins Berlin der 20-er Jahre reisen, wo das Leben nach einer Pandemie erneut so richtig beginnt und die Menschen endlich wieder tanzen, trinken und feiern können. Das Album erzählt uns von den langen Nächten, die voller Liebe, Sünde, Sex und Drogen sind. Nächte, bei denen die Menschheit ihren Hunger nach dem Leben und Freiheit endlich stillen können. Unsere Reise in die Weltmetropole des Nachtlebens beginnt direkt mit dem TANZ AUF DEM VULKAN, einem Song bei dem wirklich niemand kalt gelassen wird, der zum Tanzen einlädt und eine neue, bis jetzt unentdeckte, Seite von HÄMATOM zeigt. Diese erste Swing Nummer macht auf jeden Fall auf das ganze Album gespannt und zeigt in welche Richtung das unplugged-Abenteuer mit Don Nordeone, Carlo Westario, Mario Suedaletti und Al Ostapone uns führen wird. Weiter geht es mit BEWEG DEIN‘ ARSCH, dieser Song ist die Liebe auf den ersten Ton. Seit der ersten Sekunde hat man den Drang noch lauter und lauter zu machen und einfach zu tanzen. Stillsitzen ist absolut nicht möglich. Die Energie, die hier ausgestrahlt wird, lässt es absolut nicht zu. Die Melodie macht einen komplett süchtig nach diesem Track und selbst nach drei Wochen hatte ich den Wunsch diesen Song mal wieder und wieder zu hören. Absoluter Knaller und definitiv einer meiner Highlights auf diesem Album.
AU REVOIR – „das Leben ist zum Leben da“, so das Motto von diesem rhythmischen Song, welches nach der Pandemie für viele mehr an Bedeutung zunehmen wird. Und egal wie viele Frauen man hatte, das wichtigste ist doch, dass die ewige Liebe der EVA geschworen wurde.
BERLIN – eine Hommage an Dolly Parton und ihren Klassiker „Jolene“, die im Refrain ihren Platz gefunden hat. Ein schöner Song, bei dem, was jeder sich natürlich denken kann, es sich um die Stadt Berlin dreht. Zum Schluss kommt noch eine weibliche Stimme dazu, was den Song noch etwas lebendiger wirken lässt.
Ein weiteres meiner Highlights auf diesem Album ist ZWISCHEN GANGSTERN UND GANOVEN. Eine sehr emotionale und starke Nummer, bei der wir uns in die Gefühlswelt des Protagonisten eintauchen, der mit sich selbst noch zu kämpfen hat und nicht nachvollziehen kann, wie man ihn lieben kann. Die Stimme und der Gesang von Nord sind hier auf dem höchsten Niveau, es ist einfach genial, wie er diesen Song performt. Gänsehaut pur.
Was entsteht, wenn man HÄMATOM und RUSSKAJA paart? WERFT DIE GLÄSER AN DIE WAND ist die einzig richtige Antwort auf diese Frage. Und wer schon mal wissen wollte, wie eine Party mit HÄMATOM so abläuft, sollte sich diesen Song definitiv nicht entgehen lassen. Meine ukrainischen Wurzeln fühlten sich bei diesem Song direkt angesprochen und forderten das kalte Weihwasser. Und irgendwie lässt mich das Gefühl nicht los, dass die Reise nach Russland den vier maskierten Musikern einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
EIN HERZ UND EINE KEHLE – eine etwas andere Nummer, die uns Berlin von einer schaurigen und anderen Seite zeigt. Unser Protagonist ist ein Serienmörder, der sich zwar gerne mit jungen und hübschen Frauen vergnügt, diese aber leider nicht ahnen, dass es ihre letzte Nacht sein wird. Das Saxofon Solo ist sehr gelungen und verleiht dem Song etwas an Ironie. Die weibliche Stimme wirkt auch sehr passend und überzeugend. Einfach genial.
DU BRINGST MICH UM – leider ein etwas unauffälliges Stück, nachdem die Künstler mit uns auf diesem ungewöhnlichen Album viele Exkurse gemacht haben, fehlt diesem Song etwas an experimentellem und hätte so schon auf jedem anderen Album zu finden sein können. Es ist dennoch eine wunderschöne und sehr emotionale Ballade.
Auch wenn es kurz ruhiger wurde, geht es weiter mit einem Stimmungsmacher – DIE WELT IST HIGH. Dieser Song könnte locker ein Titeltrack von einem Musical-Film sein, bei dem auf einmal alle zu tanzen und trinken beginnen, keine Sorgen haben und einfach happy sind.
Nun kommen wir auch zum Schluss unserer Reise, denn wie es so schön heißt, NICHTS BLEIBT FÜR IMMER. Bei diesem Song stelle ich mir jedes Mal die Frage, woher diese Wut in Nords Stimme kommt. Die ganze Nummer kommt dadurch sehr authentisch und wirklich lebendig rüber. Ein sehr überzeugendes und gelungenes Lied.
Das gesamte Album wurde mit Streichorchester und Bläsern aufgenommen, welches eine komplett neue Seite von Hämatom zeigt. Ich bewundere HÄMATOM, dass sie den Mut gefunden haben, so ein Album rauszubringen, da sie sich musikalisch auf komplette neue Genres eingelassen haben, sich textlich aber treu geblieben sind. Dabei sind sehr starke Songs entstanden, die voller Power, Hoffnung und Freude stecken. Dieses Album führt einen wahrlich durch das Berlin der 20-er Jahre, egal ob es die Ausgelassenheit oder die Schattenseiten dieser Zeit beleuchtet.
Ich würde dieses Album jedem ans Herz legen, da es trotz fehlender E-Gitarren und harten Riffs, nicht weniger Energie und Story, im Vergleich zu anderen HÄMATOM Alben, aufweist und BERLIN auch mit Orchester und anderem musikalischen Stil ein sehr rockiges Gewand hat. Ich freue mich, dass die Jungs die Entscheidung getroffen haben das Album aufzunehmen, denn für mich ist es ein akustisches Wunder.
Bewertung: 9.5/10
Trackliste:
1. Tanz auf dem Vulkan
2. Beweg dein` Arsch
3. Au Revoir
4. Berlin
5. Zwischen Gangstern und Ganoven
6. Werft die Gläser an die Wand
7. Ein Herz und eine Kehle
8. Du bringst mich um
9. Die Welt ist high
10. Nichts bleibt für immer
Wer sich angesprochen fühlt, kann das Album auch live am 02.04 im online Stream-Konzert „DAS LEISE ABENDMAHL“ anhören. Man kann sich auf die neuen, aber auch auf die alten Lieder freuen. Die Band wird durch das Orchester und Gastmusiker unterstützt. Wir sind freudig gespannt.