ASP – ENDLiCH! – Tourabschluss in Wiesbaden

(Hinweis: Unser Redakteur war in Wiesbaden, der Fotograf in Hamburg auf der Tour dabei)

Es wurden genug Wortwitze über den Titel des Albums und der Tour in Bezug auf die Verschiebungen gemacht, ich spare es mir an der Stelle und merke förmlich, wie LeserInnen aufatmen. Fakt ist jedenfalls, dass am Maifeiertag im Kulturzentrum Schlachthof Wiesbaden das “Abschlusskonzert” der ENDLiCH!-Tour stattfand. Die Anführungszeichen deshalb, weil es noch zwei verschobene Konzerte gibt, die im Winter nachgeholt werden. Eine Art kribbelige Endzeitstimmung gemischt mit großer Vorfreude gab es in Wiesbaden dennoch. ASP-Touren gab es früher relativ häufig, wir Fans waren regelrecht verwöhnt. Dass es jetzt doch mal so lange gedauert hat, hat ggf. auch sein Gutes. Denn was “rar und pur” ist, wird auch wieder mehr wertgeschätzt. Da ich zum ersten Mal in dieser Location war, möchte ich hervorheben, dass es wirklich ein toller Ort für ein Konzert ist. Ein großer Innenraum (mit guter Belüftung, wie ist so etwas bitteschön möglich?), eine schön große Bühne und viel Platz in angrenzenden Räumen und dem Untergeschoss für Gaderobe, saubere Toiletten, Merch und Bars. Der Rahmen war also schon einmal ansprechend, jetzt musste nur noch das Bild gemalt werden.

LEICHTMATROSE sollten den Abend, wie auch schon auf den anderen Konzerten der Tour, eröffnen. Wollen wir zurückschauen auf die lange Reihe der Vorbands, die ASP bereits hatte? Ich erinnere mich besonders positiv an MANTUS, GODEX, SPIELBANN, THE BEAUTY OF GEMINA. Aber es hat nicht immer so offensichtlich “gepasst”, soll heißen: Die Auswahl war nicht auf Gothic-Bands beschränkt, sondern es wurde eine breite Vielfalt präsentiert und das ist auch absolut gut so. Natürlich gibt es Stimmen, die sagen: Die Vorband sollte in eine ähnliche Kerbe schlagen, damit das Publikum grundkompatibel ist und in Stimmung versetzt wird. Diese These missachtet aber sträflich den teils vielfältigen Musikgeschmack der ZuhörerInnen. Gerade bei ASP-Fans gibt es oft ein breites Spektrum, denn die Komplexität, Tiefgründigkeit und Schönheit von ASP-Songs wird sogar in etliche anderen “Lagern” anerkannt und wertgeschätzt. Wer sich im Schlachthof umsah, konnte MANOWAR-Kutten entdecken, SABATON-Shirts und einen BILLIE EILISH-Hoodie. Von daher: Nur Mut bei der Auswahl der Vorbands. LEICHTMATROSE sind schwer zu charakterisieren, bzw. einzusortieren. Sie machen deutschsprachige Rockmusik mit viel Herz, aber auch Ironie. Fronter Andreas Stitz nahm die große Bühne wie selbstverständlich ein und rief der Menge zu:”Wiesbaden, guten Abend! Tourabschluss. Wir brauchen euch!”. Bei “Karma-Polizei” ließ die Menge sich nur mäßig animieren, man musste sich erstmal an diese Musik gewöhnen. Passend zum Text schallte es danach von der Bühne: “Aufwachen, Wiesbaden!”. Andreas erzählte, was es für eine Erleichterung sei, endlich wieder auf der Bühne stehen zu dürfen. In der Corona-Zeit sei auch das folgende Lied entstanden. Es handelte sich um den Titel mit dem schlichten Namen “Liebe”, der die Isolierung während der Pandemie und die Gegenmaßnahmen gegen die Einsamkeit zum Thema hat. “Quarantäne? Nur mit dir!”. So langsam sickerte der besondere Witz und das Gefühl der LEICHTMATROSE-Songs in die Menge ein und bei den Klassikern “Johnny fand bei den Sternen sein Glück (Anders sein)” und “Hier drüben im Graben” waren dann endlich auch alle auf Betriebstemperatur. Letztgenannten Song gab es damals als Duett mit JOACHIM WITT und das zugehörige Video wurde teilweise verboten bzw. zensiert, weil es ungeschminkt den Kriegsalltag illustrierte. Hier wird ganz deutlich, dass sich ein zweiter Blick auf LEICHTMATROSE und besonders die Texte absolut lohnt. Es steckt mehr drin, als die flauschige Pop-Verpackung vermuten lässt. “Wiesbaden, wir sind traurig, wir müssen nach Hause fahren!” ,klagte Andreas noch gegen Ende und bedankte sich bei der Crew, dem Sound- und Lichtdesign und allen anderen.

Leichtmatrose

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Foto: Birger Treimer

Im Publikum wurde in der Umbaupause heiß diskutiert, was man denn nun von LEICHTMATROSE halten sollte. Meine Meinung war zu Beginn noch “och nö” , aber dann haben sie mich doch gekriegt mit ihrer Melancholie, dem Wortwitz und dieser verschmitzten Leichtigkeit.
Nun wurde es natürlich aspaesk. Es gab in den letzten Wochen und Monaten schon einige Male die Situation, dass eine Tour nachgeholt wurde, die damals bei Erscheinen eines neuen Albums geplant war und dann – teils mehrfach – verschoben werden musste. Die paradadoxe Situation war also, dass auch hier die Songs von “ENDLiCH!” im Vordergrund standen, aber nun keineswegs mehr neu waren, sondern bereits kräftig mitgesungen werden konnten. Das hat auch Vorteile. Nach dem Intro begann die musikalische Reise direkt mit dem “Ziel”, ASP schert sich da wenig um Konventionen und schwenkte auch eine entsprechende (Ziel-)Fahne. Dann folgte die übliche Signature-Begrüßung: “Ihr schönen Menschen in Wiesbaden! Es tut so gut, endlich wieder bei euch zu sein. Wie fühlt ihr euch? Tanz-in-den-Mai-geschädigt? Nein? Gut. Wir haben einiges vor! Wir sind sehr glücklich, dass wir diese Tour spielen dürfen. Danach… morgen zwei Stunden ausruhen. Von 9-11, dann ruf ich dich an, Lutz” , sagte er in Richtung seines Gitarristen. Als nächstes ging er auf die Lage ein, dass ja durch die lange Vorlaufzeit alle Texte schon bekannt seien. Aber: “Ihr wollt auch neue Songs hören. Wenn man keine neuen Songs spielt, können es keine alten Songs werden, können sie nicht zu Klassikern werden”, philosophierte Asp. Um den bereits vorzüglich gealterten Songs Rechnung zu tragen, wurde als nächstes aber “Krabat” gespielt. Danach wurde allerdings kurz gemahnt. Schon während der ersten Songs hatten die aufmerksamen Secus Filmende aufgefordert, ihre Handys wegzupacken, nun folgte noch die Ansage, die alteingesessene Fans natürlich kennen und auch immer befolgen: “Ich muss mit euch reden. Ich habe schon wieder einige filmen gesehen. Mir wäre es lieber, wenn wir das später machen. Niemand hat etwas gegen ein Erinnerungsfoto. Aber eigentlich möchte ich euch für mich alleine haben. Wir machen ein Zugeständnis: Später, sehr viel später im Set wird es einen Song geben , wo ich euch auffordern werde, zu fotografieren und zu filmen, so viel ihr wollt. Wenn wir so richtig abgerockt aussehen, wenn die Schminke Richtung Bauchnabel fließt.”. Dieser humorvolle Umgang mit Zuckerbrot und Peitsche hat sich in den letzten Jahren bewährt und ab da wurde die Disziplin auch gehalten. Dass ein Smartphone mehr kann, als verwackelte Filmaufnehmen zu erstellen, zeigte sich sogleich, als Asp darum bat, ein Meer aus Lichtern für die Performance vom Titelsong “ENDLiCH!” zu erschaffen. Beim anschließenden “Echo” wurde nach Aufforderung des Frontmanns auch fast durchgängig mitgeklatscht. Es ist auch nach vielen Jahren als ASP-Fan noch bemerkenswert, wie gut die Chemie zwischen Künstler und Publikum funktioniert.

Es wurde viel geredet an diesem Abend. ASP hatte gerade erst eine Kehlkopfentzündung überstanden und trank eine Menge Tee, um die Stimmbänder geschmeidig zu halten. Vielleicht war es auch dem etwas sentimentalen Tourabschluss zuzuschreiben, dass es verhältnismäßig viele Ansagen gab. Aber diese sind bei ASP auch immer auf den Punkt, hier wird nicht unnötig um den heißen Brei herumgeredet. “Es war nicht die beste Songwriting-Idee, das Leben eines Menschen mit einem Gebäude zu vergleichen. Aber wenn wir hier für euch spielen dürfen, fühlen wir uns in der Tat wie Kathedralen… (An der Stelle ruckten viele Köpfe nach oben, in der aberwitzigen Hoffnung, den Monstersong “Angstkathedrale” zu bekommen)… und nicht wie RUINEN” die Köpfe senkten sich wieder. Aber auch wenn die “Kathedrale” natürlich ein Highlight gewesen wäre, “Ruine (FremdkörPerson viertens)” ist trotzdem einer der besten Songs auf “ENDLiCH!” und wurde natürlich auch angemessen vom Publikum zelebriert. Als Asp nach dem Song noch einen weiteren Tee trank, merkte er an “Ihr seid so still… Also nicht, dass ich für’s Teetrinken einen Szeneapplaus erwartet hätte. Das Teetrinken ist leider immer noch nötig. Uncool, ich weiß.”. In diesem Moment übernahmen die SABATON-Fans im Publikum das Handeln und skandierten spontan: “Noch ein Tee, noch ein Tee!” in Anlehnung an den mittlerweile weltweit etablierten deutschen Ruf bei SABATON-Konzerten “Noch ein Bier!”. Das war jedenfalls das humoristische Highlight des Abends. Danach nahmen ASP uns mit in ein beliebtes Leipziger Hotel, dem ganze zwei Alben gewidmet worden waren. Asp berichtete, dass das tatsächliche Astoria zur Zeit wieder in einen Schlummer verfallen sei, da aktuell nicht weitergebaut würde. Angeblich hänge das mit geänderten Bauvorschriften zusammen, aber er habe einen ganz anderen Verdacht, nämlich, dass es mit etwas im Keller des Gebäudes zu tun habe. Doch danach kamen wir wieder auf das “ENDLiCH!”-Album zurück. Asp machte einige Menschen in der schwarzen Menge aus, die weiß oder andere Farben trugen, hieß diese besonders willkommen und betonte “Ihr seid hier sicher!”. Die Überleitung vom Weiß zum Seerosenblütenweiß und dem wundervollen Song “Seerosenblüten von einst” gelang trefflich. Ab der Bridge wagte sich auch Gitarrist Sören Jordan einmal von seinem üblichen Podest im Hintergrund nach vorne zum Bühnenrand und spielte sein Solo fulminant.
Als nächstes nahm Asp Bezug auf die letzte Unplugged-Tour, die “dunkelromantischen Herbstnächte” und erinnerte daran, dass der Support des Publikums bei einem bestimmten Song maßgeblich dafür hatte sein sollen, ob er sein erstes Tattoo bekommt. Dass es sich bei dem Motiv um ein Einhorn handeln werde, könne er aber weder bestätigen, noch dementieren. Der “Schrei-Contest” auf besagter Tour war jedenfalls gelungen, der Wetteinsatz wird eingelöst werden und wir können gespannt sein, welche “Kreatur” es auf Asps Haut schaffen wird. Aber auch hier in Wiesbaden wurde zu “Tintakel” noch einmal alles gegeben, um nicht als einzige Stadt Minuspunkte zu bekommen.

“Passt auf. Ich habe es vorhin schon erzählt: Wir mussten die Tour kurzzeitig unterbrechen wegen meiner Kehlkopfentzündung. Ich war nochmal beim Arzt, bevor wir losgefahren sind und der sagte: Natürlich, das können Sie schon machen: Singen. Aber Schreien sollten Sie unbedingt lassen”, plauderte Asp aus dem Nähkästchen. “Das beweist eins: Mein Arzt hört heimlich ASP. Oder sehe ich einfach aus wie ein Schreihals? Wir haben kurz überlegt, ob wir ein paar Schreihals-Songs durch andere ersetzen sollen. Aber den nun folgenden Song haben wir so lange nicht gespielt… Das Schreien übernehmt ihr bitte für mich!”. Es folgte ein wunderbar emotional-schmerzvoller Moment, als das Intro von “Und wir tanzten (ungeschichte Liebesbriefe” ertönte. Der Song wurde in der Tat längere Zeit nicht gespielt und hat doch einen dermaßen besonderen Platz im Herzen und Leben von unzähligen ASP-Fans. Die Traurigkeit, die hier transportiert wird, der Schmerz, der hinausgebrüllt wird… es war einfach überwältigend, diesen Song mit all den anderen Fans zusammen zu singen – und natürlich zu schreien. Danke, dass ihr den Song im Set gelassen habt. Der Jubel am Ende dieses Songs war jedenfalls mit der lauteste an diesem Abend. Mit “Spät” und “Kokon” gaben sich dann noch ein neuer und ein sehr alter Song die Klinke in die Hand. Aber danach rückte das Ende des Abends bedrohlich näher. Nicht jedoch ohne die Single des “ENDLiCH!”-Albums namens “Raise Some Hell Now”, bei der nochmal ordentlich abgegangen wurde. Vorher hielt Asp noch zwei Schilder in die Luft, eines mit der Aufschrift “Vielleicht war es gar kein Tee” und eins mit “The end is near!”. Als nächstes kam wieder ein Song mit Choreographie. Es gibt mittlerweile für einige ASP-Songs solche Choreos, die das Publikum ganz automatisch ausführt. Das Armeschwenken bei “Kokon”, die Fingerzeige bei “Schwarzes Blut” und natürlich das was jetzt folgte: Das Umdrehen beim Song “Rücken an Rücken”. ASP erklärte das Ritual kurz für die neuen ASP-Fans und dann wurde Rücken an Rücken der Song zelebriert. Als langjähriger Fan hat das immer etwas Heimeliges an sich. Asp sinnierte danach noch einmal über die Pandemie-Jahre und welche Lehren sich daraus ergeben hatten. Nicht in politischer Form, sondern ganz persönlich. Unter anderem, dass wieder einmal die Prioritäten geklärt worden waren. Dass die Musik zählt und nicht das Brimborium drumherum. “Wir machen jetzt alles selber. Wir haben kein Label mehr, wir wollen das direkt für euch machen!”, erklärte er der Menge. “Charteinstiege, Hitparade, wir sparen uns den ganzen Firlefanz. Das einzige was zählt sind unsere Songs. Ihr seid hier, weil ihr die Songs hören wollt. Nicht wegen Spezialeffekten, nicht weil wir so lustig sind. Musik ist alles, Musik kann Liebe sein. Und Musik kann eine Rüstung sein!”, gab der Meister die Parole aus und leitete über zu “Weichen(t)stellung” und dann zum Klassiker schlichthin “Ich will brennen”.
Von diesem Song, der zu den ältesten überhaupt in der Diskographie gehört, war es chronologisch ein weiter Weg zur ganz aktuellen Single “Ich, der Teufel und du”. Chronologisch, aber nicht inhaltlich, denn wo ASP draufsteht, ist auch nach all den Jahren immer noch ASP drin. Durch die ganzen, teils jahrelangen Tourverschiebungen steht nämlich, obwohl wir hier “ENDLiCH!” feierten, bereits das nächste ASP-Album namens “Horrors” in den Startlöchern, dies wird im kommenden Herbst erscheinen. Und von diesem kommenden Werk, das laut ASP viele Gruselgeschichten enthalten soll, stammt die erwähnte neue Single. Der Song kam beim Publikum erwartungsgemäß gut an. Einen Pfeil hatte die Band aber auch danach noch im Köcher und dabei handelte es sich um den bereits erwähnten Klassiker “Schwarzes Blut”. Da es der Tourabschluss war, nahm auch Asp sich natürlich noch Zeit, seiner Crew ein großes Dankeschön auszusprechen, es fielen Wörter wie “unglaublich”, “außergewöhnlich” und “absolut fantastisch”. “Vielen Dank an all die fleißigen Hände”, schloss Asp seine Ansage. “Die Menschen, die uns durch die Nacht fahren, am Merchstand für euch arbeiten… Und ich möchte mich bei diesen vier jungen, gutaussehenden Herren bedanken, dass sie den Wahnsinn mitmachen”, bedachte er auch die Bandkollegen noch mit Aufmerksamkeit.
Als letzten Schlusspunkt goss Asp dann noch demonstrativ seinen restlichen Tee aus und emanzipierte sich so von der aufgezwungenen, sicher nicht allzu wohlschmeckenden Rachenpflege.

Für heute war der Bühnenzauber dieser Ausnahmeband zuende, aber wir freuen uns schon auf die Feierlichkeiten zu 20 Jahren “Weltunter”-Album, verbunden mit der “Horrors”-Tour im Herbst.

ASP

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Foto: Birger Treimer
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