Oh du Folkige! – SCHANDMAUL holen in Hannover den „Knüppel aus dem Sack!“

SCHANDMAUL – ein Bandname, der jedem Folkrock-Fan automatisch ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Der seit fast 25 Jahren für Spielfreude, Live-Party und Alben voller märchenhafter Geschichten und eingängiger Melodien steht. Der Bilder im Kopf wachruft, von vielfältigen schwarzbunten Menschen, die in Hallen und auf Festivals springen und rocken, sich bei romantischen Titeln Ringe anstecken und bei Songs wie „Euch zum Geleit“ auch mal ein Tränchen verdrücken. SCHANDMAUL stehen vor allem für eins: Emotionen.

Wie wir alle wurde das Sextett aus der Nähe von München die letzten 2,5 Jahre in Sachen Live-Musik lahmgelegt. Dass sie aber untätig waren kann niemand behaupten. Unter neuem Label und mit Unterstützung einiger Gastmusiker haben sie in den letzten knapp 3 Jahren seit Erscheinen ihres letzten Albums „Artus“ ein neues musikalisches Baby aus der Taufe gehoben: „Knüppel aus dem Sack“! Dieses wurde am 10.Juni dieses Jahres veröffentlicht und seitdem warten alle – Fans wie Band – darauf, den namensgebenden Knüppel auch endlich live auf der Bühne auszupacken. Und eine der 14 Städte, die in den Genuss des Herbst-Winter-Tourblocks kommen ist Hannover.

Brrr, kalt ist es hier am Abend des 02.12.2022 in Niedersachsens Hauptstadt. Der Weihnachtsmark ist eröffnet, 2 verirrte Schneeflöckchen sind gefallen… aber die besinnliche Zeit muss erstmal noch ein bisschen warten. Heute stehen die Zeichen auf Folk’n’Roll! Zwischen dem Capitol und dem gegenüberliegenden Irish Pub treibt sich ein schwarzbunter Haufen fröhlicher Menschen noch dick eingepackt herum, hebt zum Aufwärmen schon mal ein Guinness oder wartet auf verstreute Bekannte. Diejenigen, die es nicht abwarten können oder einen der begehrten Platz direkt vor der Bühne wollen, sind seit Türöffnung schon in der angenehm vorgeheizten Halle unterwegs und frequentieren Bar und Merch-Stände. Auch hier zeigt sich wie immer, dass das Schandmaul-Publikum sich nicht in eine Schublade stecken lässt. Alle Altersklassen sind vertreten, bunte wie schwarzgekleidete Menschen führen angeregte Gespräche und manche tragen auch – Stohhüte und Geweihe?! Tatsächlich. Nunja, Narren sind nicht nur bunt, sondern auch stets gut und individuell gekleidet. Ein kleines Déjà vu ereilt mich an der Bar: War die Dame mit dem recht offensichtlichen Babybauch nicht vor 3 Jahren auch schon schwanger hier? Ja, tatsächlich hat Konzertabschluss bei Schandmaul vor der Babypause hat sich wohl bewährt und jetzt ist ein weiteres Schandmäulchen unterwegs. Langsam aber sicher schieben sich alle auf die angestrebten Plätze, befördern noch diverse Biere über Umwege in die Menge und dann ist auch schon Zeit, die Vorband herzlich zu begrüßen.

Überpünktlich stürmen die „bayrischen Iren“ von TIR NAN OG die Bühne und ab Minute eins wird klar: Da haben die Schandmäuler ein sehr gutes Händchen in Sachen Vorbandauswahl gehabt! Ein Schwall Lebens- und Spielfreude ergießt sich ins gut gefüllte Capitol, Füße wippen, Köpfe nicken, Bierkrüge recken sich gen Bühne. Die nächsten 45 Minuten wird sich das auch nicht mehr ändern, sondern wird von Publikumsseite noch durch Jubel und mitsingen ergänzt. Neben Bass und Drums hat das Sextett noch Geige, Nyckelharpa, Dudelsack und diverse Flöten am Start und präsentiert einen coolen Stilmix aus modernen, rockigen Einflüssen und klassischem keltisch-irischem Folk. „Als ob Schandmaul und Fiddler’s Green eine uneheliches Kind hätten“ witzelt jemand im Publikum, ist aber der Darbietung wohl ziemlich verfallen und singt alle vorgegebenen Publikumseinsätze lautstark mit. Und davon gibt es einige. Tir Nan Og verstehen es super, das Publikum in ihre Show einzubinden. So erscheint der Herr an der Geige urplötzlich auf einem Riser mitten im Publikum und ruft zu einem Circlepit auf! Natürlich wird dem direkt Folge geleistet und so rotiert die Hälfte der Menge jubelnd vor der Bühne. Die Songs sind super eingängig und so wird der ein oder andere sicherlich noch länger Melodien von „beer and tobacco“ vor sich hersummen. Zum Schluss sei noch der Hinweis gegeben, dass Tir Nan Og im Februar auf eigener Tour wieder in Hannover haltmachen. Freunden von Folk-Rock und irischer Musik sei ein Besuch in der Subkuktur wärmstens empfohlen! Ansonsten werden sie ihre Kollegen von Schandmaul aber auch auf dem Folkfield-Festival am 07.+08.07.2023 in Gelsenkirchen unterstützen und mit ihnen ihr 25jähriges Jubiläum feiern.

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Fotos: Mirco Wenzel

Um kurz nach 21 Uhr ist es dann endlich soweit: Fast 3 Jahre Corona-Stress und Warten fallen von allen Anwesenden im Publikum ab, als die Schandmäuler endlich die Bühne stürmen und mit „Tatzelwurm“ den Abend direkt mir einem Knaller vom neuen Album eröffnen. Und die Magie wirkt: Es ist, als wäre kein Tag vergangen, als hätten wir nicht 3 Jahre warten und hoffen müssen, als wäre keine von uns auch nur einen Tag älter geworden. Und auch der Band merkt und sieht man ihre ungebrochene Spielfreude an. Thomas singt inbrünstig und die Jungs und Mädels an den Instrumenten spielen, als gäbe es kein Morgen. Nach einer herzlichen Begrüßung lässt Thomas aber auch durchblicken, dass die Zeit unter dem bösen C nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen ist. Man habe aber versucht, etwas Positives daraus zu machen und sich im Studio eingeschlossen, um an neuem Material zu arbeiten. Diese wird natürlich heute auch – in gelungenem Wechsel mit älterem und sogar Schandmaul-Anfangsmaterial präsentiert. Nach dem charmanten „Lichtblick“ wird mit „Glück auf!“ ein direkter Aufruf präsentiert nicht immer nur zu jammern, sondern zu machen und sein Glück selbst in die Hand zu nehmen. Selbstverständlich sind die Fans bereits textsicher und gröhlen bei „Glück auf, Maul zu!“ mit. Die „Goldene Kette“ bringt ein wenig Ruhe und Dramatik in den Abend, Paare umarmen und wiegen sich im Takt und sogar die hartgesottenen Metaller vor der Bühne werden ganz ruhig und singen den Refrain mit. Der „Feuertanz“ hält die Verzauberung noch etwas fest, bis mit „Der Pfeifer“, der „Letzten Tröte“ und dem „Froschkönig“ ein Feuerwerk der Kunst des musikalischen Märchenerzählens über uns hereinbricht. Thomas spickt wie immer die Pausen mit Anekdoten und Geschichten, teils witzig, teils ernst zu den Hintergründen der Songs. Desweiteren weist er darauf hin, dass bei Schandmaul immer noch alles live auf der Bühne gespeilt, gesungen und gelebt wird, ganz ohne Zusätze aus der akustischen Konserve. Zuviel wollen wir für die Besucher der letzten beiden Tourkonzerte nicht von der Show verraten aber eins sei gesagt: Wie man es von Schandmaul kennt, ist es wie immer ein perfekter Mix aus alt und neu. Ein Song muss aber trotzdem noch besonders erwähnt werden, der mittlerweile – zurecht – fester Bestandteil der Konzerte ist: „Bunt Und Nicht Braun“.. ein schöner und wichtiger Aufruf für Toleranz und Menschlichkeit, der gerade in diesen Tagen wieder enorm wichtig ist. Auch der Lichtmann hat den Song offenbar verinnerlicht und orgelt alles durch, was die Anlage des Capitols an Farben hergibt. Alle singen mit was das Zeug hält und es entsteht ein schöner Moment der musikalischen und menschlichen Verbundenheit. Mit „Teufelsweib“ wird der allererste Song der Band gespielt, mit dem Hinweis, dass dieser nächstes Jahr auch 25 Jahre vollmacht und mit „Dein Anblick“ der All-time-Klassiker, den die Halle am Schluss alleine singt, während die Band das erste Mal von der Bühne entschwebt. Aber Fans wären nicht Fans, wenn sie ihre Band ohne Zugabe entlassen würden und Schandmaul nicht Schandmaul, wenn sie nicht noch einen Nachschlag in Petto hätten. Noch einmal tobt die Halle, bevor das Publikum zu sanften Klängen in den recht fortgeschrittenen Abend entlassen wird.

Trotzdem über 2 Stunden Spielzeit ist wie immer die Zeit mit kurzweiligen Geschichten, traumhaften Balladen und Menschen, die gemeinsam bis an die Decke springen viel zu schnell vergangen. Hannover hat heute zwar partymäßig noch nicht alles gegeben was möglich wäre – vielleicht stecken die letzten 3 Jahre doch noch ein wenig in den Knochen – aber dennoch war spürbar, dass alle froh waren, die Schandmäuler endlich wieder live begrüßen zu dürfen. Und spätestens bis zum Folkfield Festivals nächstes Jahr, ist hoffentlich jeder wieder warmgerockt und eingefeiert.

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Fotos: Mirco Wenzel

Setlist:

  1. Tatzelwurm
  2. Vagabunden
  3. Lichtblick
  4. Das Gerücht
  5. Hexeneinmaleins
  6. Glück auf!
  7. Leuchtfeuer
  8. Die goldene Kette
  9. Feuertanz
  10. Der Pfeifer
  11. Der Flug
  12. Die letzte Tröte
  13. Froschkönig
  14. Der Quacksalber
  15. Bunt und nicht braun
  16. Königsgarde
  17. Teufelsweib
  18. Der Teufel…
  19. Dein Anblick

Zugabe:

  1. Knüppel aus dem Sack
  2. Walpurgisnacht
  3. Wandersmann
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