Für eine Handvoll Knollar – KNORKATOR proklamiert den “Sieg der Vernunft” über Köln-Ehrenfeld

Der Wahnsinn hielt Einzug in Köln-Ehrenfeld und das ist genau das, was wir in dieser Zeit verdammt nochmal brauchen! KNORKATOR, Deutschlands meiste Band der Welt und begnadete Bibliothekare der Hanebücherei haben es wieder einmal getan und eins ihrer Alben auf die Welt losgelassen. Titel: “Sieg der Vernunft”! Als hätten wir nicht schon genug Probleme, müssen wir uns nun auch noch mit einem neuen Tonträger dieser Verrückten herumschlagen. Danke, Scholz! Damit nicht genug, ich als Journalist muss diesen Klamauk auch noch live und in Farbe bzw. viel zu vielen FarbEN ertragen. Versehentlich stand ich in der Live Music Hall sogar in der ersten Reihe, was jeglichen Sicherheitsabstand zwischen mir und der schrecklich vielköpfigen Hydra der angeblichen Vernunft-Verfechter gänzlich aufhob. Und das alles auch noch in meiner Muttersprache, kein Feigenblatt des angelsächsischen Nicht-Verstehens schützte mich vor den Keulenschlägen der knorkator’schen Rhetorik. Nun gut… bringen wir die Überdosis Kultur also hinter uns. KNORKATOR machen sich durchaus Gedanken darüber, die Angereisten auch schon vor dem Konzertbeginn zu unterhalten. Während wir uns auf der 2019er-Tour noch an einem selbst aufgenommenen Video ergötzen durften, das lediglich zeigte, wie Stumpen im Auto zu einer Location fuhr, während er zu diverser Musik ordentlich beim Fahren abging, wurde dieses Mal eine Ausgabe der Kochsendung “Herdbanger” gezeigt. Das Format wurde von IN EXTREMO-Drummer Florian “Specki TD” Speckardt während der Pandemie ins Leben gerufen und zeigt Rock- und Metalmusiker beim Kochen. Die gezeigte Ausgabe hatte natürlich Stumpen und Buzz Dee zu Gast, sowie zusätzlich Evil Jared (BLOODHOUNDGANG). Wir sahen die vier Musiker beim Plaudern über Gott und die Welt und der Zubereitung eines Tomahawk-Steaks (eine Variation des Rib-Eye) mit selbstgemachter Chimichurri und “Kaaartoffelpürreeeee” (dieses Wort musste in Manier des KNORKATOR-Songs “Ich bin der Boss” stets gesungen werden). Für den pescetarischen Fischvernichter Stumpen gab es stattdessen norwegischen Lachs mit Prinzessbohnen. Zwischendurch wurden einige Songs von Stumpen a capella interpretiert, begleitet von Buzz Dees Gitarre und Specki begab sich auch hinters Schlagzeug. Evil Jared blieb da nur der Schellenkranz. Zusätzlich erfuhren alle, die darüber nicht schon in bester Fan-Manier im Bilde waren, dass Stumpen auf seinem Fuß ein Tattoo mit dem Schriftzug “hohes Zeh” trägt. Das Warten auf das Konzert ließt sich so jedenfalls hervorragend überbrücken.

Aber dann brach er los, der Wirbelwind aus Berlin! Das Set begann auch gleich kompromisslos mit dem Titelsong der aktuellen Platte “Sieg der Vernunft”. Das neue Album bekam naturgemäß eine Menge Raum, ohne dass die Hits der Vergangenheit vernachlässigt wurden. Mit ausreichend Spielzeit und ohne Supportband geht so etwas! “Was hab’ ich mich auf dieses Konzert gefreut!”, bekannte Stumpen, nur um kurz darauf “einzuschränken”: “Das hab ich gestern auch gesagt und vorgestern auch, aber diesmal meine ich es wirklich so, ohne zu schwindeln!”. Als Nächstes gab es graphische Hinweise auf das nächste Lied in Form eines Schildes, auf dem ein Haufen Scheiße abgebildet war. “Gibt n’ Lied, da kommt das tendenziell oft vor…”, verriet der Fronter, der sich übrigens seiner Kleidung wie üblich größtenteils entledigt hatte und nur in roten Lack-Pants seinen tätowierten Adonis-Körper präsentierte. Das Publikum schlug sich ganz passabel darin, an den passenden Stellen von “Die Welt wird nie mehr so wie sie vorher war”, das passende Fäkalwort zu skandieren. Die Anforderungen waren hier in Köln denkbar niedrig. “Tolle Kooperation!”, lobte der Sänger dennoch.
KNORKATOR sind schon im ersten Semester von der Alchemistenschule geflogen , weil sie es schafften, aus Gold Scheiße zu machen. Sie nahmen ihre goldglänzenden musikalischen Begabungen und rührten daraus einen Riesenkessel cremige Scheiße an, die ihnen die hungrige Menge direkt aus den Händen riss. So war es seit jeher und daran hat sich seit heute nichts geändert. Ein besonders famoses Schmankerl der diesjährigen Tour ist übrigens die Entwicklung, die die Band bereits vor über zehn Jahren besungen hatte: “Mittlerweile über vierzig, alle Skrupel abgelegt, wird jetzt schon der eigene Nachwuchs mit ins Rennen geschickt”. In dem Video zum Song traten vor allem Alf Ators Sohn Tim Tom, aber auch andere Sprösslinge der Bandmitglieder auf und beklagten hitverdächtig ihre Ausbeutung. Das war schon damals genial und herrlich ironisch. Die Stars dieser Tour sind nun der “kleine Junge” von damals, der mittlerweile alt genug ist, um im Bühnengraben eine Zigarette zu rauchen und Stumpens Tochter Agnetha, die bereits auf der Vorgängerplatte “Zweck ist widerstandslos” ihren Beitrag geleistet hatte. Nun brillierte sie im grün-weißen Kleid auf der Bühne der Live Music Hall und übernahm viele der hochgesungenen Passagen ihres sichtlich erstolzten Vaters. Der neue Song “Hofstaat” wurde ordentlich abgefeiert, das ist schon jetzt ein Kandidat für die ewige Setlist. Dann wurde von Stumpfen hinterrücks durch die Beine eine Girlandenkanone abgefeuert und Buzz Dee ordentlich mit Konfetti beworfen. Die Bühne konnte dergestalt versaut natürlich nicht weiter bespielt werden, weshalb ein Fegerling einbestellt wurde, der uns dank des Haarschnitts verdächtig bekannt vorkam. Und plötzlich zog eben jener Tim Tom ein Mikrofon hervor und legte dann vor der sprachlosen Menge einen dermaßen hammergeilen Growl-Auftritt bei “Böse” hin, dass auch Ursprungseigner und Vater Alf Ator ganz aus dem Häuschen war. Die Showeinlage mit der scheinbaren Roadie/Fegenummer verdient das Prädikat “gefickt eingeschädelt”. Bei “Du nich” gab es dann auch endlich einen amtlichen Moshpit zu bestaunen. Ihr wisst schon… Knorkatorkonzerte… da bleibt in der Regel kein Auge trocken und kein Bein auf der Erde. Auf Festivals werden regelmäßig Crowdsurfing-Rekorde aufgestellt, hier in der Halle musste anderes eskaliert werden. “Is n’ Hit. War einer, ist einer, bleibt einer”, kommentiere Stumpen lapidar das eigene Werk und womit? Mit Recht! Bei “Ich lass mich klonen” kam es dann, wie es kommen musste. Den Fans in der ersten Reihe war sonnenklar, in welcher Gefahr all jene Leichtsinnspinsel (Wieso zur Hölle lässt mir die Autokorrektur dieses absurde Wort durchgehen, das ist ein verdammter Neologismus!!) schwebten, die es wagten, zu dieser Zeit ihr Dumbphone gezückt und eregiert zu präsentieren. Stumpen griff wie immer blitzschnell zu und führte das Handy eines Hardcore-Fans in der Mitte in seine lackene Unterbekleidung ein, sowohl vorne als auch hinten drehte das Mobiltelefon, dem im koreanischen Werk niemand gesagt hatte, welche Schrecken die Welt dort draußen zu bieten hat, eine Runde durch die peripheren Stumpen-Attribute, bevor auch noch das Nasenloch ausgiebig erkundet wurde. Der Besitzer hingegen, der Verehrung voll, bedankte sich für die Entweihung auch noch und kommentierte den umgestalteten Geschmack des Telefons als “mit Salznote”. Munter weiter ging indes der Reigen der Wahnsinnsfahrt durch den Köpenicker Garten hin zur Oase der Coversongs. Nicht nur “Ma Baker” von BONEY M. konnte in der wunderbaren Duettversion von KNORKATOR erblickt werden , sondern auch “One Way Or Another” von BLONDIE, wieder mit kräftiger Kern-Lryrics-Schildunterstützung für das textschwache Gesindel im Publikum. Mit “Ihr habt gewonnen” wurde auch einer der wenigen, nachdenklichen und nahezu ironiefreien Lieder der Truppe präsentiert. Für die Parole “Rette sich wer kann” war es zu diesem Zeitpunkt natürlich völlig zu spät. Falls einzelne Unwürdige gedachten, die Halle zu verlassen, wären sie niemals durch den aufgepeitschten Mob gekommen, den jedes KNORKATOR-Konzert zwangsläufig erschafft. Mittelständische Gebrauchtwagenhändlersöhne werden zu zügellosen Sexmaschinen, biedere Patentanwaltsfachangestelltengehilfinnen geben sich bedingungslos den treibenden Riffs von Buzz Dee und Rajko hin und jeder ist bereit, “Für Knorkator mein Herz” direkt mit seinem Blut oder anderen Körperflüssigkeiten zu unterschreiben. KNORKATOR knallt eben mehr als jede Chardonnay-Ohrenkneiferschorle. Es handelt sich um eine Band, bei der man vorher immer denkt, man müsse sich betrinken und es dann doch lässt – einfach, weil diese Musik selbst das reinste Aufputschmittel ist und die ausgefeilten Texte keineswegs durch neanderthalöse Lallerei verunglimpft werden dürfen! Behalt deinen Wodka, ich glühe mit KNORKATOR vor UND nach! Auch auf der Bühne wurden keine Gefangenen gemacht. Alf Ator geriet in einen senilen Tobsuchtsanfall und zerschmetterte eines seiner Keyboards auf dem Boden und warf dabei die schönen weißen Säulen um, auf denen seine “Leinwand” stets zu ruhen pflegte. Das ist Einsatz, Freunde der Nacht! Dann wurde es Zeit für eine der neueren Hymnen im Programm: Das unverschämt eingängige “Milliardäre” bildet in Form gegossene, zivilisierte Kapitalismuskritik. Dabei flogen auch reichlich “Knollar”-Banknoten in die Menge. “Eines Tages wird die neue Währung mehr wert als Bitcoin sein!”, prophezeihte Stumpen. Nun, der kleine Mann ist alt und weise, also strich ich schnell ein Bündel ein, um das heimische Sparschwein aus seiner Schonkost-Diät zu reißen. Sowas Feines hatte es jedenfalls noch nie gefressen. Wo zur Hölle kam eigentlich diese gruselige, weiße Katzenpuppe auf den Verstärkerboxen her?? Solche Details des Bühnenbildes der Berliner Rabauken fällt einem meistens plötzlich mitten im Set auf. Bei “Es lebe der Tod” wurden verschiedene Einzeiler seitens des fistelnden Fronters fabriziert, darunter auch “Ich reiß der Puppe den Kopf ab”. Na? Wer erinnert sich an das “Du nich”-Video mit Till Lindemann? KNORKATOR kooperieren nur mit noch größeren Drecksäcken als sie selber sind (RUMMELSNUFF : Quod erat demonstrandum! Lateinisch für “quadfahrende Demonstranten irren umher!”). Tochter Agnetha befand sich in den arbeitslosen Zeiten zwischendurch übrigens trotzdem auf der Bühne und saß teilnahmslos auf einem Stuhl im Hintergrund und las dabei seelenruhig. Falls die Band, das Management oder irgendwelche Schergen von KNORKATOR das hier lesen: Sharpshooter-pics benötigt dringend ein Exklusiv-Interview mit Agnetha und Tim Tom zum Thema: Wie wachse ich erfolgreich auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn auf, ohne meinen Verstand zu verlieren und wie lernte ich, besser zu singen als meine dahinsiechende Ahnenschaft? Der Stumpen-Spross sprießte ersprießlich und der Ator-Ableger agierte asthmat… ääääh (ch)arismatisch, will ich sagen. Beide atmeten anmutig ordentlich was weg von der schweißschwangeren Hallenluft. Agnetha musste das nächste Kapitel derweil auf später verschieben, denn zum Ende des Sets hin wurde sie noch einmal kräftig gefordert. Sie meisterte den Gegensatz zwischen “Ding inne Schnauze” (mit volem Körpersinsatz, headbangend auf allen Vieren: WOW!)und dem gefühlvollen “Weg nach unten” bravourös und anbetungswürdig, musste allerdings hinnehmen, dass ein renitenter Rüpel sie aus dem Publikum heraus mit einem Bierbecher bewarf. Müssen wir hier darauf eingehen, dass so ein Verhalten intolerabel ist? Die Würde des Mädchens ist unantastbar! Stumpen war auch sichtlich erbost, forderte mehrfach, den Urheber der Störung aus dem Saal zu entfernen und drohte gar mit dem Abbruch des Konzerts. Allein, die Komplizen des Vollpfosten-Begrenzungspfahlers wollten den Todeskandidaten nicht verpfeifen. So sei an dieser Stelle noch einmal festgehalten: Schande über dich! Schande über deine Familie! Schande über deine Kuh! Leider ist mir nicht bekannt, wer bei der Originalaufnahme von “Wir werden” die Kinderstimme eingesungen hat, nun jedoch war dies die Aufgabe von Agnetha, die im Chor mit Stumpen und Alf Ator den größten Hit der Berliner zum Besten gab. Natürlich gab es die zwingende Forderung der aufgepeitschten Menge, das Konzert noch stundenlang fortzusetzen. Dem kam die Band leider nicht nach, aber ein Betthupferl gab es trotzdem. Zunächst mit der traditionellen “Hmyne” und hernach mussten verschiedene juristische Fragen nach “Eigentum” und Schuldfähigkeit dringend geklärt werden. Der scharfe Blick Stumpens machte recht schnell die Gestalt im Auditorium aus, die am schuldbewusstesten dreinblickte. Was niemand weiß: Stumpen hat alle Staffeln Barbara Salesch auf Kassette und ist dadurch absolut geschult in solchen Dingen. Dem unbarmherzigen Fingerzeig des Fronters konnte die Urheberin allen Übels – Emily – sich nicht entziehen. Sie stieg willig auf den Pranger, den die Töne ihr bauten und musste von allen Seiten den Urteilsspruch erfahren. So will es das Gesetz von Köpenick! Nach dieser spirituellen Reinigung waren alle erleichtert, sogar die Unheilsbringerin Emily selbst und nun waren wirklich alle bereit für die Abendtoilette. Gemeinsam skandierte der ganze Saal den Dreiklang des Schlafengehens: “Zähneputzen, Pullern und ab ins Bett!”. Danach konnte es natürlich nicht weitergehen, denn das Licht geht aus, das weiß ein jedes Kind und getuschelt wird nicht mehr.

Was ein Abend der Superlative! Präsident Steinmeier fordert derzeit wieder eine verordnete Sozialerfahrung für jeden Deutschen. ICH fordere ein KNORKATOR-Konzert für jedermann, denn wer es nicht erlebt hat, weiß nicht, was er verpasst. Jeder erinnert sich an die tapferen Schneiderlein auf der Titantic, die bis zum Untergang auf ihren Streichinstrumenten spielten. Wenn die verdammte Welt endlich wie am Ende des “Wir werden”-Videos explodiert, möchte ich, dass niemand anderes als KNORKATOR bis zum letzten Moment spielt!

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Fotos: Andreas Theisinger
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