FLOOR JANSEN – Großes Tourfinale in Hamburg

Spätestens seitdem FLOOR JANSEN 2013 als Frontfrau von NIGHTWISH bestätigt wurde, führt in der (Symphonic) Metal-Szene eigentlich kein Weg mehr an der Niederländerin vorbei. Vor einigen Jahren begann sie jedoch, sich auch unabhängig davon musikalisch einen Namen zu machen, zuerst durch die niederländische TV-Show „Beste Zangers“, dann auch hierzulande als Kandidatin bei „Sing Meinen Song“. Zudem erschien im März diesen Jahres ihr erstes Solo-Album mit dem Titel „Paragon“ – wer hier rockige Songs erwartet hatte, dürfte aber wohl eher enttäuscht gewesen sein, denn das Album ist genretechnisch eher dem Pop zuzuordnen. Eigentlich musikalisch ja gar nicht meine Welt, aber wenn es jemand schafft, mich auf das erste Pop-Konzert meines Lebens zu locken, dann niemand anderes als Floor. Die große Lady mit der noch größeren Stimme könnte wohl absolut alles so singen, dass es gut klingt – selbst das Telefonbuch (kein Scherz, wer es mir nicht glaubt: auf YouTube gibt es einen Mitschnitt, wie sie genau dies tut). Daher begab ich mich am Freitag, dem 19. Mai, auf den Weg nach Hamburg zur Großen Freiheit 36, wo FLOOR JANSEN an diesem Abend zum großen Finale ihrer Solo-Tour einlud.

Den Opening Act für Floor übernahm die ebenfalls aus den Niederlanden stammende ANNEKE VAN GIERSBERGEN, welche dem ein oder anderen zum Beispiel durch THE GATHERING oder auch AYREON bekannt sein dürfte. Mit ihrer Gitarre bewaffnet eröffnete sie um 19:00 Uhr den Abend und stimmte „Lo And Behold“ an. Die noch eher zurückhaltende Reaktion des Publikums kommentierte sie amüsiert mit „One person likes the song, that’s great!“. Nach „Agape“ stimmte sie mit „Saturnine“ einen Song von THE GATHERING an, der die Menge schon etwas mehr begeisterte und überaus geeignet zum Mitklatschen war. Nach etwas mehr Geplänkel mit dem Publikum sowie einer Demonstration ihrer Deutschkenntnisse outete Anneke sich als großer Fan von KATE BUSH und performte ein Cover des Klassikers „Running Up That Hill“. Wo die Namen Anneke Van Giersbergen und Floor Jansen auftauchen, da ist die Assoziation mit AYREON nicht weit und so dürfte es wohl nicht weiter verwundert haben, dass auch ein Song aus Annekes Zusammenarbeit mit Arjen Lucassen seinen Weg auf die Setlist gefunden hatte. „Valley Of The Queens“ sei immerhin einer ihrer persönlichen Favoriten von AYREONs Liedern. Der nächste Titel stammte dann wieder aus Annekes Feder: „I Saw A Car“. Anneke präsentierte diesen mit den Worten „It’s a bit of a strange song but it makes me happy.“ Und sobald der Song startete, verstand ich auch, warum, denn der Rhythmus mutete durchaus sehr fröhlich an. Den Abschluss ihres Sets bildete das Duo aus dem AUDIOSLAVE-Cover „Like A Stone“ und „Hurricane“, einem Titel von Annekes aktuellem Album. Die 45 Minuten ihrer Spielzeit gingen gefühlt sehr schnell vorbei, was wohl auch an Annekes unglaublich positiver und liebenswürdiger Ausstrahlung gelegen haben dürfte. Eine durchaus würdige Einstimmung auf den Rest des Abends.

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Fotos: Hansemeister

Nach einer rekordverdächtig kurzen Umbaupause (zugegebenermaßen gab es allerdings auch nicht viel umzubauen) betraten um 20:00 Uhr dann auch schon Floor und ihre Band die Bühne und begannen passend zu der bereits sehr aufgeheizten Temperatur im Saal mit „Fire“, der ersten Single-Auskopplung des Solo-Albums „Paragon“. „Ich habe nicht gewusst, dass das hier heute Abend eine Sauna ist!“, stellte Floor auch prompt nach dem Ende des Songs fest. Als Wahl-Skandinavierin hatte sie mit solchen Bedingungen aber natürlich keine Probleme, dem Training in Finnland und Schweden sei es gedankt, daher nichts wie weiter im Takt mit „Storm In A Glass“ und „Invincible“. Da die Solo-Tour durch den deutschsprachigen Raum vor allem Floors Auftritt bei der TV-Show „Sing Meinen Song“ im letzten Jahr zu verdanken ist, durften selbstverständlich auch einige der dort von ihr performten Songs auf der Setlist Einzug halten, unter anderem das JOHANNES OERDING-Cover „Anfassen“. Vorher gab Floor aber noch eine wichtige Lektion (welche sie selbst wohl auch gerne etwas früher gelernt hätte) an uns weiter: Oerding = der Mann. Oerdinger = das Bier. Nicht verwechseln. Alle mitgeschrieben? Wunderbar. Nach einem weiteren Song vom Solo-Album, „Armoured Wings“, folgte dann auch gleich das nächste Cover aus „Sing Meinen Song“-Zeiten: „Unikat“ von SDP. Als Kontrastprogramm zu den bisher eher ruhigeren Nummern wurde es im Anschluss mit den NORTHWARD-Track „While Love Died“ ein wenig rockiger. Oder um es in Floors Worten zu formulieren: „Jetzt geht’s los!“. Da musste auch der rosa Mantel weichen, den sie bisher getragen hatte, übrig blieb ein hautenges schwarzes Outfit, welches den Babybauch der bald zweifachen Mutter betonte. Mit „Energize Me“ begaben wir uns im Anschluss auf eine kleine Reise in die Vergangenheit, zurück in die Zeit von AFTER FOREVER. 1997 trat sie der Band im zarten Alter von 16 Jahren bei und auch wenn sich die Band 2009 auflöste, so legte sie damals doch den Grundstein für eine Karriere, welche inzwischen beinahe drei Dekaden andauert und von Erfolgen gekrönt ist. Der nächste Titel auf der Setlist barg das Potenzial, Verwirrung zu stiften, daher klärte Floor im Vorwege kurz auf: „There’s my album, “Paragon”. On that album, there’s a song called “My Paragon”. To add to your confusion, I also wrote a song called “Paragon“. Ich höre nur noch Paragon, wie war das nochmal? Ach ja, der nächste Titel: „Paragon“ aus der NORTHWARD-Diskographie. „Storm“ und „Hope“ entführten uns anschließend wieder in die Welt der Solo-Floor-Jansen-Songs, bevor dann mit „Our Decades In The Sun“ ein Highlight für alle NIGHTWISH-Fans auf dem Programm stand. Auf die eine emotionale Ballade folgte gleich die nächste: für „Strong“ zückten wir alle unsere Lämpchen und Lichter, während Floor mit viel Herz und Gefühl für ihre Mutter sang. Wie bereits beim Song zuvor hätte man in der Großen Freiheit 36 wohl eine Stecknadel fallen hören können, so still war das Publikum. Braucht jemand ein Taschentuch? „Me Without You“ und „The Calm“ lockerten die Stimmung dann wieder ein wenig auf und stimmten uns langsam aber sicher ein auf den wohl härtesten Song des Sets: „Face Your Demons“ von AFTER FOREVER. Beim folgenden Stück war der Name Programm, ging der Abend doch für den ein oder anderen mit Sicherheit „Zu schnell vorbei“. Nach „Come Full Circle“ verließen Floor und ihre Band dann die Bühne – lange sollten sie jedoch nicht verschwunden bleiben. Nur wenige Augenblicke später kamen sie bereits zurück, um die lautstark vom Publikum geforderte Zugabe zu spielen. Diese bestand aus „My Paragon“ und „Daydream“. Zum Ende des letzten Songs regnete es zahlreiche Rosen für Floor, diese war sichtlich gerührt und bedankte sich nochmals für den herzlichen Empfang in Hamburg, bevor sie gegen 21:45 Uhr von der Bühne Richtung Backstage verschwand (dieses Mal endgültig).

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Fotos: Hansemeister

Floor navigierte sich mit einem Mix aus Deutsch und Englisch durch den Abend und wusste das Publikum mit ihrer charmanten Art sowie großartigen Stimme zu bezaubern. Die Setlist umfasste größtenteils Songs vom Solo-Album „Paragon“ sowie einige eingestreute Titel von AFTER FOREVER und NORTHWARD. NIGHTWISH-Material suchte man bis auf eine Ausnahme vergeblich – was aber auch völlig in Ordnung war, schließlich handelte es sich um eine FLOOR JANSEN-Show, und nicht um ein Konzert von NIGHTWISH. Mich persönlich holte die Musik an diesem Abend leider nicht so sehr ab, wie ich es mir erhofft hatte. Pop – auch von Floor Jansen gesungener Pop – ist und bleibt wohl nach wie vor nicht meins. Dennoch war es eine schöne Erfahrung, Floor mal in einem etwas intimeren Setting zu erleben (schließlich füllt sie mit NIGHTWISH zusammen ansonsten ganze Arenen), sodass ich die Große Freiheit 36 nach der Show keineswegs enttäuscht verlassen musste.

Anneke Van Giersbergen Setlist:
1. Lo And Behold
2. Agape
3. Saturnine (THE GATHERING)
4. Running Up That Hill (Kate Bush Cover)
5. Valley Of The Queens (AYREON)
6. I Saw A Car
7. Like A Stone (AUDIOSLAVE Cover)
8. Hurricane

Setlist Floor Jansen:
1. Fire
2. Storm In A Glass (NORTHWARD)
3. Invincible
4. Anfassen (Johannes Oerding Cover)
5. Armoured Wings
6. Unikat (SDP Cover)
7. While Love Died (NORTHWARD)
8. Energize Me (AFTER FOREVER)
9. Paragon (NORTHWARD)
10. Storm
11. Hope
12. Our Decades In The Sun (NIGHTWISH)
13. Strong (AFTER FOREVER)
14. Me Without You
15. The Calm
16. Face Your Demons (AFTER FOREVER)
17. Zu Schnell Vorbei (Clueso Cover)
18. Come Full Circle
19. My Paragon
20. Daydream

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