PLAGE NOIRE 2023 – Geschichten vom schwarzen Strand – Freitag

Es gibt solche und solche Festivals. Wenn man ein neues Mittelalter-Event vermarkten will, hilft es, Titel, Line-up und Layout mit möglichst viel paganem Pathos aufzuladen, Trinkexzesse und historische Authentizität zu versprechen und sich stringent zwischen westeuropäischem Rittertum und nordeuropäischer Plünderung einzusortieren. Das Plage Noire hat natürlich einen ganz anderen Markenkern, aber keinen minder ausgefeilten. Ich erinnere mich gut an den wunderbaren “Trailer”, der damals regelmäßig über die Bildschirme des M’era Luna-Festivals 2018 flimmerte. Besonders die Streicher-Musik und die geheimnisvollen Bilder sind mir deutlich in Erinnerung geblieben und haben meine Neugier geweckt. Ihr findet den Trailer noch bei youtube unter dem Titel “Die erste Verheißung – Plage Noire 2019.
Für Gruftis muss man eben etwas mehr auffahren. Die Legende um die tragische Liebe von Isabelle LeFavre und dem Kalten Klaas bildet die Grundlage für die ganze Veranstaltung. FKP Scorpio setzt im Gothic-Segment seit ein paar Jahren stärker auf dieses Storytelling. Auch beim “Flaggschiff” M’era Luna werden mysteriöse Göttinnen und die Macht der Gestirne beschworen. Das mag für den ein oder anderen wie unnötiger Firlefanz wirken, aber den meisten Szeneanhängern gefällt genau das. “Einmal im Jahr färbet sich der Strand schwarz…” und kein Goth von heute möchte sich das entgehen lassen. Natürlich lebt die Veranstaltung auch von dem Ort, an dem sie stattfindet. Der Ferienpark Weißenhäuser Strand ist direkt im gleichnamigen Ortsteil von Wangels an der Ostsee gelegen. Hier hat man es zum “inneren Stand” genauso wenig weit wie zum tatsächlichen. Das Plage Noire ist ein Festival der kurzen Wege, in kürzester, fußläufiger Entfernung finden sich die drei Hauptbühnen, der Lese- und Partysaal, der kleine Markt, Restaurants, Badeparadies und EDEKA-Markt. Und natürlich feste Unterkünfte in Form von Bungalows, Appartements und Hotel. Die Sicherstellung, dass alle körperlichen Bedürfnisse im Umkreis von 500 Metern mühelos erfüllt werden, erlaubt es den Besuchern, sich viel mit ihrem Inneren und der Wechselwirkung aus eigenem Gefühl und dem Zauber des Plage Noire zu beschäftigen. Man kann hier getrost selbst zum “Treibholz” werden, muss keine ausgefeilten Pläne machen, darf spontan sein.

Am Wochenende wurden wir also ans Ufer der Ostsee geschwemmt, Höhe Weißenhäuser Strand und das auch nicht allein, die Wellen trugen uns zahlreich an Land, gelockt durch die Verheißungen auf Musik, Spaß und Unterhaltung folgten wir in Scharen dem Ruf.
Für manche war es der Auftakt zur Festivalsaison, für andere einfach Urlaub mit Musik und für unvorbereitet anwesende Strandurlauber auch kurios und unterhaltsam, denn wie jedes Mal war das Plage Noire keine geschlossene Veranstaltung, sondern fand inmitten des alltäglichen Treibens im Ferienpark statt. Das hieß nicht nur, dass es einen öffentlichen kleinen “Mittelaltermarkt” im Außenbereich mit Verkaufsständen, Speis und Trank, sowie Livemusik gab, sondern auch eine öffentliche Modenschau in der Galerie und schwarzes Partyvolk auf dem Kinderspielplatz und in den sonstigen Hotelanlagen. Da wir uns tatsächlich nicht nass, schlotternd und unterkühlt aus der noch frischen Ostsee, einem Leviathan gleich, den Strand hinaufschleifen mussten, sondern normalsterblich mit dem Auto und Zug angereist waren, folgten auf unsere Ankunft auch kein Terrorisieren der einheimischen Fischersleut’, keine heiße Dusche zum Aufwärmen und ein Wäschewechsel in einer der Ferienwohnungen, sondern Orientierung, Bändchenabholung und ein kurzes Studium der fast fünfzigseitigen Handreichung, die zur Begrüßung auslag. Viel Zeit blieb uns nicht, denn wir hatten uns für den ersten Tag einen musikalischen Ablauf überlegt, der auch schon zeitnah beginnen sollte. Wir trafen uns kurz mit Freunden und Bekannten, man klärte noch einmal schnell, wer wohin entschwinden würde, auch wer wen fotografieren würde und was man jeweils an Eindrücken gedachte festzuhalten.
Wir besuchten natürlich die Eröffnungsshow im Zelt der Hauptbühne, genannt Le Chapiteau. Hier konnte man vor allem auch den beiden Hauptpersonen der Legende begegnen: Isabelle LeFavre, im weißen Kleid und mit ihrer Laterne, ruhelos wandernd und ihr Mann, der Seeräuber, der nur Kalter Klaas genannt wird, mit wildem, schmerzvollem Blick vagabundierend. Die beiden Darsteller wanderten durch die Menge und Isabelle leuchtete manchem Besucherpaar ins Gesicht, um zu ergründen, ob man dort wahre Liebe fand und die Erfüllung, die ihr selbst leider größtenteils verwehrt blieb. Währenddessen wurde das neue Kapitel der Geschichte über Lautsprecher verlesen, eingesprochen von CHRISTIAN VON ASTER. “Die letzte Fahrt der Seelenbrecher” wurde beleuchtet. Jenes Schiffes, das Klaas für seine Raubzüge benutzt hat, bis es von mehreren Blitzen während eines Sturmes versenkt worden war. Nach dieser Zeremonie übernahm dann die Musik das Heft des Handelns.

UNZUCHT sollten für die gespannt wartenden Besucher das Plage im Le Chapiteau eröffnen, fast zeitgleich mit CENTHRON auf der zweiten Bühne namens Salle de Fête. Für die Unzüchtigen war es das erste Konzert in diesem Jahr und auch wenn ich den Schulz dieses Jahr bereits bei der Feier von MAJOR VOICE live sehen und treffen konnte, so freute ich mich zusammen mit den anderen im Publikum die gesamte Truppe wieder gemeinsam auf der Bühne zu sehen. Die Erzählung über Lautsprecher endete, man ließ sie kurz sacken und die Jungs von UNZUCHT schwärmten auf die Bühne. Die ersten Klänge wurden fast vom Begrüßungsjubel übertönt und man sah dem Grinsen vom Schulz und Daniel direkt an, dass sie sich nicht minder auf diese Gelegenheit gefreut hatten. Auf beiden Seiten des Bühnengrabens brach sich angestaute Energie Bahn und die Unzüchtigen füllten die letzten freien Plätze im Zelt mit ihrer Musik gleich doppelt aus.

“Es ist die Sündenlast, die dich zu Boden zwingt,
Es ist die anerzogene Schuld, die dich durchdringt,
Wenn Gebote völlig gegen die Schöpfung sind,
Dann sind sie falsch und nicht für dich bestimmt, mein Kind!”

Die vier gaben direkt Vollgas, dabei hatten sie eine ziemlich umfangreiche Setlist im Gepäck (sechzehn Songs, “Unendlich”, “Schweigen”, “Ein Wort fliegt wie ein Stein”, “Widerstand” uvm.). Toby und der gute Don legten sich nicht weniger ins Zeug als die anderen beiden und so wurde das Konzert ein mitreißender Strudel guter Laune, ganz gleich ob die vier harte oder auch ruhigere Klänge anstimmten.

“Und wenn du gehst, verbleibt ein Teil von mir,
der tief im Herzen überlebt.
Und wenn du gehst, geht auch ein Teil von mir,
es ist zu spät, du fehlst.”

Die Unzucht-Fans kamen voll auf ihre Kosten und für manchen war es sicher auch ein Vorgeschmack auf weitere Festivals mit der Band, denn die haben dieses Jahr aktuell noch neun weitere Termine in ihrem Kalender, an denen sie das Publikum begeistern können.
Mit den Klängen ihres letzten Songs endete zwar dieser Auftritt, aber das Plage Noire hatte ja gerade erst begonnen.
Viele blieben für den folgenden Auftritt von OST+FRONT, mich zog es aber weiter an andere Bühnenufer.

Unzucht

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Fotos: Birger Treimer / Mirco Wenzel

Zeitgleich mit Unzucht hatten drinnen im Saal CENTHRON das Plage auch von elektronischer Seite aus eröffnet und ihr Publikum direkt in Tanzstimmung gebracht. Im Salle de Fête standen elektronische Klänge auf dem Tagesplan und Elmar war mit seinen Kameraden Markus und Astharat (Leidbild Design, Devil-M) dazu bestimmt worden, dem Publikum an diesem Freitagabend mit ihrem Sound das letzte Gefühl von Alltag und Arbeitswoche aus dem Leib zu prügeln (metaphorisch). CENTHRON sind vor allem für ihre kompromisslosen Texte bekannt, die fast durchweg vulgär und BDSM-lastig daherkommen. Das macht aber auch die Faszination für viele Fans aus. Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen und dazu kommen knallharte Bässe und ein unwiderstehlicher Drang, zu tanzen. Im Publikum sah man zu den Klängen von Songs wie “Dominator”, “Cunt” und “Sluttbutt” besondere “Performances” von entsprechend affinen Besuchern. Da wurde sehr eng getanzt, hin und wieder auch mal spielerisch gewürgt und die Verbindung von Musik und Sex gefeiert. Ein recht intensiver Auftakt, aber auch für solche Dinge ist Platz am schwarzen Strand.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Während Redakteur Marvin CENTHRON komplett verfolgt hatte, traf ich, Patrick pünktlich zu TYSKE LUDDER im Saal ein, und da erwartete mich ein bereits munteres und von CENTHRON bestens eingestimmtes Publikum, begierig darauf, jetzt mit hochkarätigem Friesen-EBM unterhalten zu werden.

“So voller Wut und heimatkrank
Und wenn du bei mir bleibst ist es dein Untergang.
Jetzt halt dich fest, wir ziehen ins Land
Der ganze Abschaum dort bringt mich um den Verstand”

Trotz des Bemühens einiger, in der ersten Reihe zu landen, gab es für jene wieder keinen Fischsalat von Olaf, Claus und Sven, aber dafür hatten die drei es wieder geschafft, für den guten Jay (J:DEAD) Freigang zu beantragen, der es sich auch nicht nehmen ließ, diesen ausgiebig zu nutzen und sich schonmal für seine eigene Show später im La Rotonde (Bühne Nummer 3) aufzuwärmen. Unabhängig von Jays Gekletter an allem was stabil oder auch nicht stabil schien, der Drum, die zur Abwechslung plötzlich im Publikum stand und viel Nebel hatten die vier auch eine volle Stunde Musik im Gepäck, um den Saal zum Beben zu bringen. “Meskalin”, “Peststufen”, “Ungewiss” und “Monotonie”, um nur ein paar der Songs zu nennen, die dem Publikum Bewegung abnötigten.
Ansonsten, was wäre ein Auftritt von TYSKE LUDDER ohne Politik? Neben dem durchdringendem Sound blieb Zeit für Statements zum aktuellen Zeitgeschehen und am Ende durfte auch die “Ukraine-Version” von “Panzer” nicht fehlen. So gut unterhalten fühlte sich die Stunde wirklich kurz an und es hätten gerne noch ein paar mehr Songs sein dürfen.

Tyske Ludder

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Fotos: Birger Treimer

Redakteurin Ruby hatte derweil offenbar das Badeparadies unsicher gemacht: Frisch gebadet ging es nun zu OST+FRONT im Zelt, die Berliner sorgten für eine Prise NDH an der Ostseeküste. Mit „Geld, Geld, Geld“ , „Fiesta de sexo“ und „Afrika“ gelang der Einstieg perfekt und die Band ließ so einige motivierte Fans vor der Bühne tanzen.  Mit „Liebeslied“ wurde dann auch gleich der Gesang getestet, um dann mit „Puppenjunge“ und „Fleisch“ das Publikum weiter  abfeiern zu lassen. Dies gelang auch ganz gut, auch wenn man so einiges an Bühnenshow vermisst hat, aber eventuell wurde dies auch aufgrund der Kinder im Publikum reduziert. So oder so wurde eine solide Show abgeliefert, zumindest inklusive Requisiten (riesiger Sombrero z.B.). Im NDH geht es auch im Grunde nicht anders. Was der Musik manchmal an Tiefgang fehlt, kann durch entsprechende Visualisierung und Show wieder wettgemacht werden. Der Start des Festivals hätte jedenfalls abwechslungsreicher nicht ausfallen können. Die kurzfristigen Bühnenwechsel zwischen Le Chapiteau, Salle de Fête und La Rotonde erlaubten uns, ein breites Spektrum an Programm einzufangen. Auf Bühne Nr. 3 gab es unterdes wieder etwas völlig Anderes…

Ost+Front

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Fotos: Birger Treimer

Aus Finnland war SUZI SABOTAGE angereist, um im La Rotonde ihre Mischung aus Synthies und traditioneller finnischer Musik darzubieten. Diese ungewöhnliche Mischung zog etliche Besucher in das Rund der eigentlich “Alm” genannten Außenlocation. Zu gemütlich machten es sich die Plage Noire-Besucher also nicht und verließen die Hauptbühnen immer mal wieder, um sich einen exotischeren Leckerbissen abzuholen. So auch hier.

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Fotos: Mirco Wenzel

Zeitpläne von Festivals sind selten flexibel. Wenn man so viel Unterschiedliches einfangen will, gibt es wenig Pausen. Es gibt ganz unterschiedliche Herangehensweisen an die Frage, wie man denn nun aus einem Festivalprogramm das Maximum herausholt, ohne sich völlig zu verausgaben. Die Extreme schwanken dabei zwischen dem Typen, der sich schon am ersten Tag hoffnungslos betrinkt und auf Wacken gefühlt eine Woche lang das Zelt nicht verlässt, während er bei der Abreise schwärmt, wie toll und erfüllend es dieses Jahr wieder gewesen ist, und auf der anderen Seite dem nimmermüden 1. Reihe-Steher, der morgens um 11 seinen Platz vor der M’era Luna-Hauptbühne besetzt und nicht mehr räumt, bis er um 1 Uhr nachts glücklich aus den Latschen kippt. Natürlich muss jeder seine individuelle Antwort auf die Frage finden, was er bei einem Festival erleben will. Wir von der schreibenden und fotografierenden Fraktion möchten euch jedenfalls möglichst viele Einblicke geben. Es war nun nun an der Zeit im Salle de Fête, für ASSEMBLAGE 23 die Bühne herzurichten. Ich blieb, sah mein Plan doch erstmal keinen weiteren Tapetenwechsel vor und organsierte mir etwas zu trinken, während die Anwesenden Krischan Wesenberg beim Arrangieren seines Equipments beobachteten. Nicht, dass dieser sich in der Zeit geirrt hätte und eine Band zu früh auf der Bühne war, am Freitag war es nämlich an ihm, Tom Shear bei seinem Auftritt an den Keys zu unterstützen, da Paul nicht zugegen sein konnte.

“Welcome, apocalypse, what’s taken you so long?
Bring us the fitting end that we’ve been counting on
Welcome, apocalypse, we’ve been expecting you
We brought this on ourselves, now kindly follow through”

Pünktlich betrat Tom die Bühne und begann diese mit kräftiger Stimme und Ausstrahlung auch gleich auszufüllen. Von Song zu Song merkte man, dass auch das Publikum mit dieser Konstellation zufrieden schien. Krischan spielte an Toms Seite als würde er zum Inventar der Band gehören.

“Awake, aware, alone
Lost and far from home
I walk without these walls
So there is less to fall”

Für einige war es das erste ASSEMBLAGE 23-Konzert seit einiger Zeit und entsprechend groß war auch die Freude, die sich bei manchen Song um Song weiter aufbaute. Tom gab dem Publikum was es wollte und man merkte langsam wie sich eine Festivallaune ausbreitete, der erste Tag war weit genug fortgeschritten. Doch schließlich war es auch für Tom an der Zeit, sich unter begeistertem Applaus verabschieden zu lassen und die Bühne freizumachen. Wer keinen Platz mehr im recht vollen Salle gefunden hatte, konnte die Show übrigens auch auf Bildschirmen in der Galerie am Fuße der Treppe verfolgen. Während unser Redakteur Patrick drinnen hautnah miterleben konnte, wie ASSEMBLAGE 23 die Menge begeisterte, hatte sich Redakteur Marvin schweren Herzens dagegen und für die Parallel-Performance von CORLYX im La Rotonde entschieden.

Assemblage 23

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Fotos: Birger Treimer

Apropos Galerie: Natürlich bot das Plage Noire nicht nur musikalische Höhepunkte. Der überdachte Durchgang, der das Hauptzelt mit dem innen liegenden Salle de Fête verband, verfügte auch in diesem Jahr wieder über Laufstege im Gang. Die Modenschauen sind auf anderen Gothic-Festivals oft nur Randerscheinungen. Auf dem Plage wird ihnen ein durchaus prominenter Platz eingeräumt. Am Freitag präsentierten die Designlabels Blaubluth, Rohmy Couture und Rabenleder ihre Kollektionen, getragen von Models. Es ist immer wieder faszinierend, wie die Designer neu überraschen können und dem Plage eine solch stilvolle, ästhetische, bisweilen auch erotische Komponente verleihen.

Blaubluth

Fashion Show BLAUBLUTH

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Fotos: Birger Treimer

Rohmy Couture

Fashion Show ROHMY

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Fotos: Birger Treimer

Rabenleder

Fashion Show RABENLEDER

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Fotos: Birger Treimer

Nicht minder ästhetisch präsentiert sich die Formation CORLYX auf der Bühne, Caitlin Stokes hätte in ihrem extravaganten Outfit direkt bei den Modenschauen mitlaufen können. Ich war hier, weil mir der Act beim Out of Line Weekender-Festival in Berlin aufgefallen war und weil sie mit “Raindrops” das musikalische Vermächtnis von den leider aufgelösten MASSIVE EGO begleitet hatten. Es ist schwer zu beschreiben, was CORLYX musikalisch präsentieren. Es ist eine wilde Mischung aus Dark Wave, Postpunk und noch einem Dutzend Komponenten mehr. Man findet hier tolle Synth-Linien genauso wie Retrogitarrensound. Wem diese Beschreibung verständlicherweise zu vage ist, tut gut daran, in das aktuelle Album des Duos namens “Blood In The Disco” hineinzuhören.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Es war unterdes Abend geworden an diesem ersten Plage Noire-Tag und so langsam freute man sich auf die Headliner. Zwischendurch war es den meisten gelungen, eines der Restaurants in der Galerie aufzusuchen, um etwas zu essen. Auch hier unterscheidet sich das Ostsee-Festival doch sehr von anderen. Hier kann man sich natürlich auch hie und da an einem Stand einen schnellen Snack gönnen, aber wer “richtig” essen möchte, kann das problemlos tun. Musikalisch wurde der nächste Gang im La Chapitaeu serviert.
BLUTENGEL gaben sich die Ehre und luden zum entspannten Swoofen ein. Mit „Wir sind das Licht“ erschienen Chris Pohl und Anhang auf der Bühne und sorgten mit einer interessanten, thematisch passenden Lichtshow gekonnt für den Einstand. Bereits in den ersten Liedern wurden die ersten Witze gerissen und das Publikum erheitert, heute durften auch Goths lachen (aber nur bei BLUTENGEL). Längst schon sind ja die spielerischen Schlagabtausche zwischen Fronter Chris und Keymaster Lukas liebgewonne Tradition geworden. Es ging munter weiter durch die letzten Scheiben, mit „Erlöse Mich“, „Dein Gott“ oder „Engelsblut“ sorgte die Band für Bewegung vor der Bühne. Natürlich durften auch die Showelemente  zu „Bloody Pleasures“ und  „Lucifer“ nicht fehlen. Mit „You Walk Away“ wurde auch schon das letzte Drittel eingeläutet in dem die Band noch so manchen Grabstein aus der Gruft hervorholen konnte. Zum Abschluss gab es in der Zugabe dann mit  „Dark History“ und „Reich Mir die Hand“, ein fulminantes Ende des Auftrittes.  . Es gibt in der Szene so manche Kritik an dieser Band, aber keiner kann behaupten, dass sie ihr Handwerk nicht verstünden. Die perfekten Choreographien mit Tänzerinnen, Showelementen und Visualisierungen auf den Bildschirmen harmonieren wunderbar mit dem Bühnensound und den ikonischen Stimmen von Chris und Ulrike. BLUTENGEL sind eine Bereicherung für jedes Szene-Festival.

Blutengel

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Fotos: Birger Treimer

Während im Zelt noch BLUTENGEL spielten, wurden im La Rotonde und Salle de Fête bereits alles für die ersten Headline-Acts des Abends in den jeweiligen Locations vorbereitet: J:DEAD und ROTERSAND. FRONT 242 waren erst später, etwas versetzt, als krönender Abschluss des Tages im Zelt geplant. Ich blieb im Saal und guckte mir den nächsten Umbau an, standen ROTERSAND doch ganz weit oben auf meiner Tagesliste.
Krischan, der Mann der tausend Musikprojekte, hatte es nach seinem Einsatz bei A23 nicht sonderlich schwer, sein Equipment umzusortieren und musste sich nur ans Feintuning machen. (Eventuell wanderte noch die ein oder andere Wasserflasche ein paar Zentimeter von links nach rechts.) Vor der Bühne stellte sich während des Wartens auf ROTERSAND dann doch ein wenig Gedränge ein, entsprechend viele waren neugierig und voller Vorfreude auf das, was kommen würde. Schlag 22:45 Uhr ging es dann auch los, Rascal und Krischan traten aus dem Dunkel und stellten sich den jubelnden Plage Noire-Besuchern.

“There’s life underneath the surface
And praise of love and light
The darkness feeds the colours
And grey is more than black and white”

Was folgte, war über eine Stunde musikalischer Meisterleistung, eine Achterbahn der Gefühle, geschuldet dem ausdrucksstarken Gesang, der Ausstrahlung Rascals und einer wohlbedachten Songauswahl. Nicht nur auf mich hatte diese Show einen absolut mitreißenden Charakter.

“I close my eyes to my illusions
I turn away from all I’ve left behind
I kill the pain and my confusion
I’m not dying anymore
I’m waiting to be born”

ROTERSAND schafften es wie keine andere Band an diesem Abend, im Publikum ein Gefühl von Verbundenheit auszulösen. Man lauschte der Musik gemeinsam, sang die Lieder gemeinsam, fühlte sie, und manch einer drückte sich zwischendurch ein Tränchen weg. (Es wäre gelogen, wenn ich mich von dieser Emotionalität freisprechen würde, spüre ich sie doch auch jetzt, wenn ich den Auftritt beim Schreiben Revue passieren lasse.) Doch trotzdem bestach die Show auch mit kraftvollen Tönen und erreichte einen nicht nur im Herzen, sondern im ganzen Körper; das Publikum war voll dabei.

“Exterminate annihilate destroy!”

Mit dem letzten Song endete die Show aber nicht wirklich, denn was folgte, es war schließlich Punkt Mitternacht, waren ein Geburtstagsständchen und Präsente für den sichtlich gerührten Krischan. Auch an dieser Stelle noch einmal die herzlichsten Glückwünsche!

Roter Sand

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Fotos: Birger Treimer

Im La Rotonde ging der Abend mit J:DEAD zuende, der ja bei TYSKE LUDDER bereits Blut geleckt hatte und nun sein eigenes Projekt präsentieren durfte. Jay Taylor schaffte es, eine ganz besondere Stimmung in dem kleinen Raum zu erzeugen. Wer keine Lust hatte, sich von FRONT 242 durch den Fleischwolf drehen zu lassen, fand hier einen Möglichkeit, den Tag angenehm und sehr viel melodischer ausklingen zu lassen.

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Fotos: Mirco Wenzel

Nebenan rückten derweil die belgischen Abrissbirnen an. Ich machte mich noch auf den Weg zu FRONT 242, die zwar nicht mit Geburtstagsständchen aufwarten konnten, aber in altbewährter Manier ihrem Ruf gerecht wurden.
Die Urgesteine der EBM-Szene lieferten dem im Zelt versammelten Publikum eine den ganzen Tag herbeigesehnte Headliner-Show. Für mich war es dieses Jahr nicht der erste Auftritt der Jungs, den ich sehen konnte, aber er stand den übrigen in nichts nach. Routiniert schaffte es die Truppe um Jean-Luc De Meyer die hohen Erwartungen des Publikums zu erfüllen und krönte mit ihrem Auftritt bis um 1:00 Uhr für viele Plage-Besucher das Ende des ersten Tages.
Nach einer so emotionalen Achterbahnfahrt bei ROTERSAND konnte ich mich auf den Auftritt von FRONT nur noch körperlich einlassen und nutze die Zeit, um bis zum Schluss meine letzte Energie zu verbrauchen. Vielleicht nicht die beste Idee, ich musste schließlich noch über eine Stunde heimfahren, aber nach diesem Tag war ich rundum zufrieden und glücklich.

Es war mir auch an diesem Tag bereits ein Vergnügen so viele Bekannte, Freunde und neue Gesichter getroffen zu haben und auch wenn ich unmöglich alle aufzählen kann, so muss ich doch sagen:

“Ich hätte gerne für jeden von euch mehr Zeit gehabt.”

Front 242

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Fotos: Birger Treimer
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