Kielectric 2023 – ein neuer kleiner Stern am norddeutschen Eventhimmel

Zieht den Sprotten das “Kleine Schwarze” an, steckt eine Wunderkerze in den Labskaus und dreht vergnügt den Rollmops einmal mehr, es gibt etwas zu feiern! Am norddeutschen Eventhimmel schien am Samstag ein neuer kleiner Stern, das Kielectric 2023.

Es ist nicht so, dass wir in unserem nördlichsten Bundesland keine tollen Veranstaltungen hätten. Wacken, Hörnerfest, Plage Noire, Dannewerk Open Air, Ackerbrand, Baltic Open Air, Metal Hammer Paradise uvm. hier gibt es einiges, wofür es lohnt anzureisen, aber es muss ja nicht immer riesengroß sein, es sind manchmal auch die kleinen Events, die dafür um so größere Freude bereiten und auf einem davon war ich am Samstag. Am Samstag fand in der Pumpe, einer der angesagtesten Locations für Konzerte in Kiel, zum ersten Mal das namentlich passende Kielectric statt. Meine Freundin und ich, mittlerweile gesundheitlich erholt, sprangen am Nachmittag ins Auto, um uns auf den Weg nach Kiel zu machen. Auf der A7 straight nach Norden, eine simple Strecke und im Auto mit an Bord: Vorfreude. Vorfreude auf die Bands, die Menschen dort und darauf zu erleben, wie eine neue Veranstaltung in dieser schwierigen Zeit an den Start geht. Aus einer Schnapsidee entstanden, als Geburtstagsfeier erdacht und mit viel professioneller Hilfe wurde über die letzten Monate hinweg geplant, die Werbetrommel gerührt, wurden Tickets verkauft und zum Schluss gab es noch eine räumliche Hochstufung innerhalb der Location, um der Nachfrage gerecht zu werden; was für ein Werdegang.

Am Morgen ereilte uns zwar bereits die Nachricht, dass Beyond Border krankheitsbedingt kurzfristig absagen mussten, aber es blieben noch mehr als genug hochkarätige Acts übrig, die einen tollen Abend versprachen. HzweiG (D), Lights of Euphoria (DK/D), VANGUARD (SWE) und Accessory (D) wurde jeweils mehr Bühnenzeit überlassen und das Problem war aus der Welt. Schon als wir nach kurzer Parkplatzsuche an der Pumpe ankamen wurden wir von freudigen Gesichtern begrüßt, Bekannten und Freunden, anderen Musikern und zahlreichen ebenfalls sehr gespannten Besuchern. Wie immer wurde die Zeit bis zum Beginn mit Getränkeversorgung und Smalltalk gefüllt. Man tauschte sich aus wen man wann zuletzt wo gesehen hätte, wie die Konzerte waren, was heute vielleicht anders sein könnte und die jeweiligen Lieblingssongs. Der Raum war gefüllt mit Erwartungen und Neugierde. “Vanguard? Ja, die habe ich auf Tour mit Solitary Experiments gesehen. Wird sicher wieder stark.” Hörte man durchaus öfter. Die gemeinsame Tour mit SE hatte vielen erneut gezeigt, was die beiden Schweden live zu bieten haben und auch manch einen zum Ticketkauf für Kiel animiert. “HzweiG? Keine Ahnung, ich glaube der hat mal was von TOAL remixt. Jetzt mit noch mehr Zeit? Mal gucken was das wird.” Viel Zeit blieb gar nicht zu quatschen, denn schon eine halbe Stunde nach Einlass wurde das Kielectric vom Veranstalter und Geburtstagskind Robert Korittke eröffnet. Gefühlvolle Worte des Dankes für das zahlreiche Erscheinen, ein Publikum das “Happy Birthday” sang, ein paar Tränchen der Rührung. Es war jenen, die ohne persönlichen Bezug zu den übrigen Anwesenden, einfach nur der Musik wegen angereist waren, bereits zu diesem Zeitpunkt klar: Das würde kein normaler Konzertabend mit mehreren Bands werden. Robert zur Seite stand moderierend der sympathische André Steinigen, seines Zeichens auch Musiker (“Versus”), der mit Witz und Charme durch den Abend führen sollte und selbst auch ein Lied zum besten gab bevor man dem Opener HzweiG die Bühne überließ.

Wer dann die Bühne betrat war aber keineswegs Hagi Grimm, sondern Jörg Charnowski von “The Psychic Force”. HzweiG hatte sich für sein Bühnendebüt Unterstützung geholt. Spürbar bis in die Haarspitzen nervös, aber auch souverän legte “Ich bin kein Profi”-Grimm in den nächsten Minuten, teils improvisiert, eine wirklich unterhaltsame Show hin. Plötzlich mit auf der Bühne stand ihm für einen weiteren Song sein Musikerkollege und Freund Jörn Ploen zur Seite. Beide zusammen bilden schon 66,6% der gemeinsamen Band “tba” und brachten dem versammelten Publikum ihre Musik näher. Für einen weiteren Song des Bühnendebütanten, “Mission Abort” von “Alienare”, tauchte ein anderer Überraschungsgast auf und wer wäre für eine Begleitung an den Keys geeigneter als einer der beiden Grünlinge, von denen der Song stammt: Timo Hanusch. Wie sich das alles mit der Erwartungshaltung der Gäste vertrug, ich weiß es nicht im Detail, aber die Stimmung war bestens und auch wenn es musikalisch bisher nicht perfekt klang, so war dies doch eine amüsante Eröffnung. Der Auftritt von HzweiG endete aber nicht damit, dass man den erschöpft glücklichen Hagi mit einem Mob von der Bühne wischte, sondern mit einem HEIRATSANTRAG seiner Freundin im Publikum an ihn. Kurzfassung: Er hat “Ja” gesagt.

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Fotos: Anja Kislat

Nachdem sich der Trubel gelegt hatte, die erste Unruhe überwunden war, kehrte etwas professionellere Routine ein. Die Bühne wurde umgebaut, Lights of Euphoria waren die nächsten an der Reihe.

“You can be
My slave my little toy
You can be
My desire little muse”
-Hallo Hallo-

Robert und André verloren ein paar Worte, schnackten (norddeutsch) sich durch die Pause, bis Jimmy Machon und Thomas Gaarn die Bühne enterten, ohne ihren gelegentlich dritten Mann Torben Schmidt. Beide routiniert auf der Bühne und zu jedem Song ein Background Video im Gepäck, was heutzutage nicht selbstverständlich ist, legten die beiden einen klasse Auftritt hin. Die Technik wollte nicht 100% mitmachen, aber egal ob “Here comes the Rain”, “Access Denied”, “Saviour” oder der zum Mitsingen einladende Titel “Schwarze Sonne”, die beiden hatten das Publikum auf ihrer Seite.

“No alibi for you
No hope for you
Give up on life
Give up the fight”
-Blood on the Floor-

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Fotos: Anja Kislat

Nach dem kraftvollen Auftritt der beiden zog es einige an die Bar, ihren Getränkenachschub auffrischen, aber es war auch deutlich zu sehen, wie sich Fans der nachfolgenden Band Richtung Bühne und nah nach vorne schoben. Die nächsten waren niemand anderes als Vanguard und rein gemessen an der Zahl sichtbarer Fanshirts einer der Lieblinge des Abends.

“I can’t deny
I won’t lie
I can’t feel it anymore”
-Inside-

Vanguard wurden direkt durch den Jubel der Anwesenden begrüßt, kaum, dass die beiden Schweden auf der Bühne standen. Patrik Hansson und Jonas Olofsson schienen eine Menge gute Laune im Gepäck zu haben, denn das Grinsen der beiden war direkt ansteckend. Durch die Spielzeitverlängerung hatten die beiden die Chance dreizehn Songs zu spielen, ein geniales Set. “Move Out”, “Open Sky”, “Goodbye”, “Riot”, “Unreachable”, “A different Story”, um nur ein paar zu nennen. Bei “Goodbye” stand auch Veranstalter Robert Korittke vorne im Publikum und durfte seinen Teil beitragen. Zum Glück war das aber nicht der Abschied, denn die beiden verließen erst nach ihrem mehrmals gewünschten “Save Me” unter Applaus die Bühne.

“I am always alone in this world so cold
Never a hand to have to hold
Will I ever be light in this world to anyone?”
-Save Me-

Wie vor Beginn schon von einigen vermutet schien die gemeinsame Tour mit Mental Exile und Solitary Experiments dem Image der beiden durchaus zuträglich gewesen zu sein und auch wenn Rob Dust leider verhindert war, so war dies für manch einen der Höhepunkt des Abends.

“Hier und jetzt
Da bricht der Tag heran
An dem der Fehler unsrer Zeit
Für immer in uns weilt”
-Ewigkeit-

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Fotos: Anja Kislat

Abgesehen davon, dass bei der neuerlichen Zwischenmoderation endgültig klar wurde, dass Robert seine meisten Kontakte scheinbar beim gemeinsamen Trinken knüpfte, kündigte sich auch der letzte Act des Abends an, Accessory. Härte Töne, die auch direkt auf die Aftershowparty einstimmen sollten.

Dirk Steyer und sein Partner Mike Kœnigsberger hatten eine umfangreiche Setlist im Gepäck, zugeschnitten auf jene, die an diesem Abend nochmal richtig in Wallung kommen wollten und spielten sich durch das Ergebnis langjähriger Bandgeschichte. “Tanzrichtung Vorwärts”, “Opposite”, “Voran”, “Keen Girl”, “Tanzflächenmann”, “Wir Müssen” waren nur ein paar der Songs, die das Publikum tanzen ließen.

“I couldn’t stop that sequence
Couldn’t stay the decay
As long as a drop remained
My savior crossed my way”
-Livesaver-

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Fotos: Anja Kislat

Gegen Ende versammelten sich nochmal alle die etwas zu diesem tollen Abend beigetragen hatten auf der Bühne, Bands, Geburtstagskind Robert Korittke, Gastsänger und helfende Hände. Es war ein furioser Abschied und wer noch Lust und Energie hatte, der folgte den anderen in den Keller, zur Aftershowparty mit DJ Factory X, der dann noch die letzte Energie aus dem Partyvolk holte. Nach langem und vielem Gequatsche, noch ein paar Getränken, dutzenden Umarmungen und Wiedersehensversprechen führte auch unser Weg wieder heim. Ein Geburtstag? Eine Schnapsidee? Etwas das Potenzial hat sich zu wiederholen und ein etabliertes Event in der Szene werden könnte? Aus eigener Erfahrung sage ich: Auf jeden Fall! Kielectric 2024? Ich wäre dabei.

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