SONATA ARCTICA mit ELEINE auf ‘Acoustic Adventure’-Tour in der Bochumer Christuskirche

Es gibt Dinge, die man mag, und Dinge, die man nicht mag. Und es gibt Dinge, die man macht, obwohl man sie nicht mag. Zum Beispiel in die Kirche gehen. Weil es sich halt so gehört als guter Christ. Zumindest wurde uns das als Kinder so eingeredet und irgendwann hat man dann herausgefunden, dass man auch ein guter Christ sein kann, und sonntags auf den Kirchgang verzichten kann, weil man ausschlafen muss vom Black-Metal-Konzert am Vorabend.

Jedoch gibt es eine Kirche in der Bochumer Innenstadt, in die man doch hin und wieder gerne hingeht. Das liegt unter anderem daran, dass das Gebäude mittlerweile entweiht wurde und somit unterschiedlichste Arten von Predigern die Möglichkeit bietet, ihre Vorträge und Predigten den gewillten Jüngern vorzutragen. Meist geschieht das mit musikalischer Untermalung in Form von Konzerten.

Und so begab es sich am letzten Oktoberfreitag des Jahres 2022, dass sich zwei nicht mehr allzu junge Musikjournalisten in die Bochumer Christuskirche begeben haben, um den Predigten des Tony Kakko zu lauschen. Und sich beim Verfassen dieses Artikels zu fragen, wann das unsägliche Schreibprogramm des Rechners es endlich schafft, sich den Nachnamen des Sängers von SONATA ARCTICA zu merken, und nicht immer durch ‚Kakao’ ersetzen zu wollen.

An diesem schon erwähnten lauen Freitagabend gaben die Finnen von SONATA ARCTICA ein weiteres Mal ihren Fans aus dem Ruhrgebiet und Umgebung die Möglichkeit, in einem ganz besonderen Rahmen einem Querschnitt aus ihrer langen Schaffensphase lauschen zu dürfen. Schon 2019 waren die Finnen auf ‚Acoustic Adventures‘-Tour und präsentieren auch damals in der Christuskirche einige ihrer Stücke im akustischen Gewand ihren Fans. Daraufhin folgte, was kommen musste: Während der pandemiebedingten Livepause haben Tony Kakko und seine Mitstreiter zwanzig Songs im akustischen Arrangement aufgenommen und auf ‚Acoustic Adventurens Vol. I‘ und zuletzt auf ‚Acoustic Adventures Vol. II‘ veröffentlicht. Dieses Mal hatte das Publikum also die Chance, eine Auswahl aus zwei Akustikalben zelebrieren zu dürfen.

Eigentlich hätten die Power Metaler von SONATA ARCTICA mit ihrer Diskografie einen kompletten Abend alleine füllen können, jedoch entschied man sich dazu, die Schweden von ELEINE mit auf Tour zu nehmen. Die Dark-Symphonic-Metal-Combo um Sängerin Madeleine Liljestam haben jüngst ebenfalls mit ‚Acoustic In Hell‘ ein Album auf den Markt gebracht, das ohne verzerrte Klänge und bombastische Orchesteruntermalung auskommt. Und auch live haben die Schweden überzeugt.

Auch wenn es etwas seltsam vorkam, in einer Kirche eine stark tätowierte Sängerin zu sehen, die freizügig wie eine Tempeltänzerin gekleidet war, so war in kurzer Zeit klar, warum das Outfit so gewählt wurde. Denn ihre Rolle als Anheizer haben ELEINE wahrlich erfüllt und in kurzer Zeit die Temperatur der normalerweise recht kühlen Gemäuer der Chistuskirche um das ein oder andere Grad nach oben klettern lassen. So war es auch kein Wunder, dass die Musiker nach einem knapp 40-minütigen Set unter Standing Ovations in die Konzertpause geschickt wurden.

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Eine allzulange Umbaupause war nicht nötig, da keine Banner ausgetauscht werden mussten, jedoch hat die Zeit allemal gereicht, dass das Publikum entspannt die ein oder andere Zigarette rauchen, neue Getränke kaufen und die alten Getränke fachgerecht auf den Toiletten entsorgen konnte. Banner waren auch nicht nötig, denn die Klinkermauern der Christuskirche wurden von unten indirekt in sanftem Lichtwechsel angestrahlt und sind als Kulisse mehr als ausreichend.

Und somit musste das Publikum auch nicht lange warten, bis das Hauptlicht wieder gedämmt wurde und die Finnen von SONATA ARCTICA auf ihren Stühlen Platz nahmen um ihr Set mit dem Opener des neuen Acoustic-Adventures-Longplayers ‚The Rest Of The Sun Belongs To Me‘ zu beginnen. Sänger Tony Kakko hatte für sich direkt zwei Hocker in der Bühnenfront bereitstellen lassen, denn wie es sich für einen gemütlichen Abend gehört, mussten seine treuen Begleiter des Abends neben ihm Platz nehmen. Dabei handelte es sich nicht um stimmliche Unterstützung in Form von Kirchenchorknaben, sondern um zwei Kaffeebecher mit unbekanntem Inhalt. 

Seine musikalischen Begleiter, Elias Viljanen an der Gitarre, Papi Kauppinen am Bass, Tommy Portimo an Schlagzeug und Percussions sowie Henrik Klingenberg an den Keyboards haben hinter ihrem Sänger Platz genommen und überließen ihm das Rampenlicht. Es mag sein, dass ein Teil der Magie der ‚Acoustic Adventures‘-Tour auch in darin beruht, dass im Gegenzug zu den konventionellen Metalkonzerten der Band die Musiker sitzen und dementsprechend keine ablenkenden Bewegungen auf der Bühne wahrzunehmen sind. Somit kann sich das Publikum komplett auf die musikalische Darbietung konzentrieren.

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Der erste Teil des Sets wurde wohl bewusst mit ruhigeren Stücken wie ‚Letter to Dana‘ und ‚Talulah‘ besetzt um langsam einen Spannungsbogen zu erzielen. Man sollte ja sein Pulver nicht direkt zu Beginn einer Schlacht verschießen. Zwischen den Songs moderierte Tony gekonnt und souverän und sorgte für einige Lacher. Denn darin besteht auch die große Begabung des Sängers – er ist einfach ein großartiger Geschichtenerzähler. Ob in Form einer Anmoderation oder als Gesangsdarbietung, die Songs von SONATA ARCTICA nehmen den Zuhörer stets mit auf die Reise verschiedener Geschichten. Da die Konzerte der Christuskirche bestuhlt sind, bzw. ‚bekirchenbankt‘, kann das sitzende Publikum auch getrost während der Songs die Lider schließen und in seiner Fantasie eigene Bilder im inneren Auge zu den Lyrics hervorrufen. Mit ‚A Little Less Understanding‘ und ‚Half Of A Marathon Man‘ nimmt das Set langsam an Fahrt und Geschwindigkeit auf und gipfelt im SONATA ARCTICA-Evergreen ‚Wolf & Raven‘.

Jedoch sollte das nicht alles gewesen sein, denn das Publikum forderte lautstark Zugaben und die Finnen kamen dem Wunsch nur allzu gerne nach. Denn ohne ‚Flag In The Ground‘ und ‚Don’t Say A Word‘ darf ein SONATA ARCTICA-Konzert nicht enden. Bevor jedoch das Publikum ins Wochenende und nach Hause geschickt wurde, nahm Tony aus seinem Kaffeebecher nochmals einen kräftigen Schluck und stimmte das nun sich nicht mehr auf den Plätzen sitzende Publikum auf das Grande Finale ein, denn mit ‚Vodka‘ wird seit langer Zeit traditionell jeder Gig abgeschlossen.

Ein wundervoller Abend, der eine Menge glücklicher Menschen mit seligem Lächeln ins Wochenende entließ und der Frage, auf die wir wohl nie eine Antwort bekommen werden. Was war wohl in Tonys Kaffeebechern?

Setlist SONATA ARCTICA

  1. The Rest Of The Sun Belongs To Me
  2. I Have A Right
  3. Tonight I Dance Alone
  4. Letter To Dana
  5. Tallulah
  6. As If The World Wasn’t Ending
  7. A Little Less Understanding
  8. For The Sake Of Revenge
  9. Half A Marathon Man
  10. On The Faultline
  11. Victoria’s Secret
  12. Full Moon
  13. Wolf & Raven
  14. Shamandalie
  15. Flag In The Ground
  16. Don’t Say A Word (+Vodka Outro)
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