10 Jahre Kulttempel – Tag 2: TYSKE LUDDER, ICON OF COIL, [:SITD:], SUICIDE COMMANDO

Nun trennt sich die Spreu vom Weizen… Wer am zweiten Tag der bedeutendsten Geburtstagsparty des Jahres NICHT dabei sein konnte, muss im weiteren Verlauf ganz stark sein. Bei allen anderen setzt vermutlich bereits ein stattliches Grinsen ein, sobald man diesen Abend nur erwähnt. Denn sämtliche Eindrücke, die hier entstanden sind, haben sich fest in unseren Herzen verankert.

TYSKE LUDDER

Bereits beim ersten Act war der Kulttempel gut gefüllt, direkt fanden sich auch einige Besucher auf der Empore ein. TYSKE LUDDER gaben den Startschuss. Moderator Jens Puppekopp kündigte die wilde Truppe gute gelaunt an: „Auf dem M’era Luna haben sie fast die Bühne zerstört- fand ich gut!“. Bedauerlicherweise konnte die Drumpensau Jay Taylor nicht dabei sein, sorgt der beliebte Schlagzeuger der Band doch regelmäßig mit seinen spontanen, fannahen Aktionen für ausgesprochene Begeisterung. Doch die verbliebene Band rund um Sänger Claus Albers hatte auch so mächtig Bock auf diesen Abend. TYSKE LUDDER bestehen mittlerweile seit knapp 30 Jahren und ihr beachtlicher Erfahrungsschatz kommt ihnen durchaus zugute. Die Band wurde sehnlichst erwartet. Bereits zu Beginn des Sets schrie sich ein weiblicher Fan in der ersten Reihe ausführlich die Seele aus dem Leib. Claus ergriff das Wort „Wir feiern den 10. Geburtstag eines der coolsten Clubs überhaupt. Auf die nächsten 100 Jahre!“ Prost! Damit war die Tanzfläche offiziell eröffnet und der mitreißende EBM-Sound versetzte die Partygäste umgehend in Bewegung. „Seid ihr gierig auf Rock ‘n‘ Roll? Ich glaub, da kommen wir zusammen. Seid ihr gut drauf?“ Die Fans bejahten dies. „Das reicht nicht. Nochmal!… Ah, das war besser, sonst gehen wir ins Seniorenheim, ne?“ Provokant aber äußerst melodisch ging es mit dem Song „Schon Alles“ weiter. Keyboarder und Band-Urgestein Olaf A. Reimers feuerte das Publikum währenddessen unaufhörlich an. Man konnte ihm sichtlich den eigenen Spaß an diesem Auftritt anmerken und seine ehrliche Partylaune steckte an. Claus ging es ähnlich „Mir geht echt einer ab! Ihr seid verdammt geil. Sollen wir mal was ganz Altes spielen? Nur mit Gitarre und Geige, ohne Strom… Soll ich euch was verraten? Das war eine Lüge!“ Der Song „Energie“ stammt zwar aus dem Jahr 1994, auf elektronische Einflüsse wurde aber zum Glück nicht verzichtet- auf Gitarre und Geige allerdings schon. 

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Fotos: Mirco Wenzel

TYSKE LUDDER arbeiten bekanntlich gern mit anderen Musikern zusammen. Am 01.09. erschien die Single „Peststufen“ dank einem musikalischen Upgrade von Northborne im frischen Gewand. Und wer steckt hinter Northborne? Na, kein geringerer, als der werte Christian Lund, den wir später noch mit Icon of Coil zu sehen bekamen. Man nutzte diesen perfekten Moment, um den Song gemeinsam zu performen. Christian hatte hier seinen großen Auftritt an den Keys. Betrat er doch lässig in einem glänzenden, goldenen Anzug die Bühne. Der Nebelgott drückte zwar in diesen Minuten ganz schön häufig den auslösenden Knopf, aber es war einfach ein Fest, Christian gemeinsam mit der Band auf der Bühne erahnen zu können. Danach folgte der penetrante Ohrwurm, der unweigerlich einsetzt, sobald man den Bandnamen TYSKE LUDDER liest. Ihr wisst, was nun kommt: „Panzer“. Claus trug dazu eine Pappmaske auf der das Gesicht von Wladimir Putin zu sehen war. Eine riesige ukrainische Flagge wurde geschwenkt und Claus wendete sich an die Fans „Am Ende der Strophe möchte ich mit euch die Hütte brennen lassen, habt ihr Bock? Ich nehm‘ euch alle beim Wort!“ Und alle sangen „Panzer, wir reisen mit dem Panzer. Hurra, hurra“ und hüpften fröhlich umher. Zugegeben, solche Szenen wirkten in der aktuellen Situation durchaus skurril. Musik bedeutet aber Kunst. Claus war beeindruckt „Sehr geil. Vielen Dank. Das waren TYSKE LUDDER. Viel Spaß noch, wir sehen uns an der Theke.“

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Fotos: Cynthia Theisinger

ICON OF COIL

Mittlerweile war unser Lieblingsclub kuschelig voll. Als nächstes stand ein norwegisches Future-Pop Projekt auf dem Spielplan, das man höchstens mal alle Jahre wieder zu sehen bekommt. Die Rede ist von ICON OF COIL. Tausendsassa Andy LaPlegua zeigt in dieser Formation seine sanfte Seite. Harmonische Melodien vereinen sich mit Lyrics, die zum Träumen einladen. Dazu geht der Sound direkt in die Beine. Christian Lund kehrte also nun zurück auf die Bühne. Derselbe Herr, die nächste Band. Den goldenen Anzug hat er mittlerweile gegen ein dunkles Outfit getauscht. Er positionierte sich im Hintergrund, Andy folgte ihm auf dem Fuße. Die Jungs wurden mit einem massiven Jubelsturm empfangen. „Serenity Is The Devil“ läutete das Set ein. Der dazugehörige Sound war absolut perfekt abgestimmt und Andys Stimme erklang glasklar. Wir hörten eine vollkommen neue und noch tanzbarere Version des Songs und Christian ließ es sich nicht nehmen, die Keys dazu live zu spielen. Was für ein Einstieg! „It feels so good to be back!“ Die Energie auf Seiten des Publikums war überwältigend. Bei „Mono:Overload“ tobte sich Christian richtig aus, Andy sang die finalen Lyrics inbrünstig mit all seiner Kraft und nahm die komplette Bühne für sich ein. „Thrillcapsule“ kam ebenso im neuen und kraftvolleren Gewand daher. Christian kam zwischendurch nach vorn und genoss das Spiel zwischen der Band und dem Publikum. 

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Fotos: Cynthia Theisinger

Weiter ging es mit „Regret“. Wir erlebten einen Andy, der gewohnt stark performte, jedoch auch immer wieder über das ganze Gesicht strahlte oder seiner Freundin einen kurzen, überglücklichen Blick zuwarf. Und gemeinsam mit den Fans sang er die Zeilen „No matter what time will give us. No matter if it slips away. You should have burned me blind, now I’m shining through, we can`t combine.” Christian war komplett in seinem Element. Allerdings feierte er während „Shelter“ so hart mit, dass er sich zwischendurch verspielte. Aber hey, das ist Livemusik. Und die überschwänglichen Emotionen hatten einen weitaus höheren Stellenwert. Dazu spielte er solch verrückte Sounds, es war einfach eine Wonne hier dabei sein zu dürfen. Andy sprach das Publikum erneut an “You know this one. You should be singing along.“ Natürlich erfüllten wir seinen Wunsch und alle sangen die bekannten Zeilen lautstark mit. Derweil schloss er seine Augen und verinnerlichte den besonderen Augenblick. Danach kündigte er freudestrahlend den nächsten Hit an „Tonight, THIS Is My Existence!“ Die pure Freude war auf allen Seiten zu spüren und sogleich lief einem ein wohliger Schauer über Rücken. „Now we dance.“ Gesagt, getan, denn „Pursuit“ ist einfach eine Granate, der Abriss war perfekt. Letzte Runde mit „Dead Enough For Life“. Noch einmal genoss man die zauberhaft schönen Songstrukturen und unterstütze Andy selig während des Refrains. Leider war es dann auch schon an der Zeit Abschied voneinander zu nehmen. Christian klatschte noch einige Hände in der ersten Reihe ab. Man konnte förmlich die Endorphine spüren, die hier in unserem Wohnzimmer herumtanzten.

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Fotos: Mirco Wenzel

[:SITD:]

Nach der Umbaupause kündigte Jens Puppekopp bereits die nächste Band an. „Habt ihr Bock auf ‘n paar Jungs aus’m Pott?“ Aber klar! Immer her mit [:SITD:]. Auf der Leinwand erschien ein riesiges Schwarz-Weiß-Bild von Sänger Carsten Jacek, Thomas Lesczenski und Frank D’Angelo, auf dem die drei Musiker in voller Größe zu sehen waren. Es erklang ein besinnliches Intro. Man konnte kurz zur Ruhe kommen und sich auf das Konzert einstimmen. Als die Pottkinder die Bühne betraten war schnell klar, dass Tom leider nicht dabei ist. Das Intro ging perfekt in den ersten Song „Brother Death“ über. Und eins sei gesagt: Die Ruhe hielt nicht lange an. Auch hier traf die Band auf ein völlig euphorisches Publikum, das den Künstlern den Weg für einen höchst intensiven Auftritt ebnete. Schnell ließen sich [:SITD:] mitreißen. Seit über 20 Jahren liefern die Jungs harte Electrobeats unterschiedlicher Stilrichtungen und garnieren diese mit Casis intensivem, düsteren Gesang. Casi trug an diesem Abend ein cooles T-Shirt von Slayer mit der Aufschrift „Live Undead“. Bereits beim nächsten Song „Laughingstock“ vereinte er seine Hand mit den Händen einzelner Fans. Zudem beugte er sich weit über die Bühne, blickte jeden einzeln an und sang dazu seine Zeilen. Die Menge stimmte direkt mit ein.

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Fotos: Mirco Wenzel

Bei dem Klassiker „Kreuzgang“ erreichte Casi bedeutend mehr Hände. Dafür reckte und streckte er sich, soweit es ging. Zwischenzeitlich hatte man Sorge, er könne von herüberfallen. Doch selbst dann hätte man ihn gewiss aufgefangen. Im nächsten Moment kniete er sich auf die Bühne und schien ganz beseelt zu sein. Während es Zwischenspiels „Rose-Coloured Skies“, stellte er sich nah an den Bühnenrand und atmete kurz durch. Dann breitete er seine Arme aus, schloss seine Augen und nahm dieses außergewöhnliche Feeling tief in sich auf. „Wow, ihr seid unglaublich! Tausend Dank, ihr Lieben.“ Einen weiteren Höhepunkt erreichte das Set mit der beliebten Single „Richtfest“. Es stand einfach niemand still. „Ich weiß nicht, wie oft wir hier schon gespielt haben, aber ihr seid mit Abstand die Geilsten heute!“ Wie recht er damit hatte. Und Casi wurde nicht müde, den Kontakt zu seinen Anhängern zu suchen. Er legte nochmal ein Schippchen drauf, als er bei „Snuff Machinery“ endgültig die Bühne verließ, er sich mitten unter die Feiernden begab und all den Menschen auf Augenhöhe begegnen konnte. Auch hier ergriff er etliche Hände und zeigte allen, dass man eine Einheit war. Während des Konzerts wurde einem richtig warm ums Herz. Und egal ob man bis dato ein [:SITD:] Fan war oder nicht, einige sind es soeben geworden.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Auf Geburtstagen stößt man miteinander an. Und heute wurde dies auffällig oft wiederholt. Das liebenswürdige Thekenpersonal hatte allerhand zutun. So durstig, wie heute alle waren, stand Peter Jurjahn – der beste Chef der Welt – selbst an der Theke und spülte eifrig allerhand benutzte Becher, um sein Personal tatkräftig zu unterstützen.

SUICIDE COMMANDO

Erneut schnappte sich Jens Puppekopp das Mikro, um mit SUICIDE COMMANDO den Headliner des Tages anzukündigen. Dieser habe gerade den Newcomer-Wettbewerb gewonnen und wir mögen sie doch bitte nicht ausbuhen. Unser Newbie-Projekt beschallt uns immerhin erst seit 36 Jahren mit Electro-Industrial samt harschem Gesang. Labelmacher Torben Schmidt nahm seinen Platz an den Synthies ein, Mario Vaerewijck setzte sich an seine Drums und Sänger Johan van Roy kam mit einer Knieorthese auf die Bühne. „Kill All Humanity“ läutete das letzte Konzert des Abends ein. Johan war von Beginn an sehr aktiv. Er fegte über die Bühne, riss den Mikroständer in die Höhe und ließ sich keinerlei Knieprobleme vermuten. Natürlich waren die Partygäste erneut am Start. Und bereits bei „God Is In The Rain“ entstand im mittleren Teil des Raumes eine wilde Pogo-Party, die auch später nicht mehr zu enden wollte. Auf der Leinwand erschienen die Lyrics in großen Lettern.

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Fotos: Cynthia Theisinger

Der Clubhit „Cause Of Death: Suicide“ folgte auf „Schiz[o]topia“. Johan feuerte das Publikum weiter an “I wanna see your fucking hands, come on!” Und alle Hände waren oben. “Dein Herz, Meine Gier” mutierte wie erwartet zum Dancefloorkracher. Erneut durften wir uns – wie am gesamten Wochenende – über ein beeindruckendes Lichtspektakel inklusive Strobofeuer und feinst abgestimmten Sound freuen. Das Drumspiel von Mario klang auch unsagbar fett. Johan sprang wie ein junger Gott umher und war den Fans immer wieder nah. „Sorry, I can‘t fucking hear you. You do want more?!” Die ohrenbetäubende Zustimmung ließ keine Sekunde auf sich warten. Mit „Hellraiser“ erwartet uns der finale Höhepunkt. Johan entledigte sich seiner Orthese und sprang in das wilde Gerangel im Publikum. SUICIDE COMMANDO entfachten heute ein Feuerwerk der Euphorie, das selbst nach dem Konzert nicht erlosch.

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Fotos: Mirco Wenzel

Denn DJ Kay (Utermark) hatte auch noch eine Rechnung mit uns offen. Er bot uns ein grandioses DJ-Set. Üblicherweise leert sich der Kulttempel nach Konzerten recht zügig. Doch hier und heute konnte sich kaum jemand trennen. Auch einige Bandmitglieder nahmen an der phänomenalen Aftershowparty teil. Claus Albers hat zu Beginn auch nicht zuviel versprochen. Man sah ihn durchaus an der Theke, am Merch-Stand und sogar auf der Tanzfläche. Ich habe in all den Jahren viele Konzerte im Kulttempel erlebt. Es waren etliche unvergessliche Momente dabei. Aber ein Abend, an dem das Band zwischen den Bands und den Fans pausenlos SO stark war… das war einfach einmalig. Für das gesamte Team des Tempels hat sich all die harte Arbeit gelohnt. Eine wertvollere Belohnung kann man sich nicht wünschen. Das Glück trägt einen Namen: KULTTEMPEL OBERHAUSEN. Unser tiefster Dank gilt allen Beteiligten. Man soll gehen, wenn es am schönsten ist, oder? Wisst, ihr was noch besser ist? Am nächsten Tag ging es weiter…

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