Summer Breeze – So war der Mittwoch

Gefühlt hat man sich gerade erst vom Wacken oder M’era Luna erholt, da geht es auch schon weiter nach Franken. Life on the road. Aber wir lieben das! Die Bands haben es verdient, die Veranstalter auch und die ganze Branche sowieso. Sie haben verdient, sich zu erholen und die Hoffnung darauf haben zu dürfen, dass es vielleicht wieder in etwa so wird wie früher. Das Summer Breeze ist über die Jahre immer weiter gewachsen und längst eine Institution in Sachen Metal in Süddeutschland geworden. Auch hier standen natürlich zwei Jahre die Räder still, aber man konnte über Support-Merchandise seinen Teil dazu beitragen, den “Breath” des Breeze aufrechtzuerhalten. Für das Sharpshooter-Team war es natürlich Ehrensache, bei der Erweckung aus dem Sommerschlaf dabei zu sein. Der Großteil unserer Truppe reiste bereits am Dienstag an, der Rest einen Tag später. Und: Oh Wunder. Es gab KEINERLEI Stau bei der Anfahrt zum Gelände. Man konnte in Dinkelsbühl entspannt seine Einkäufe erledigen und dann auf den heiligen Acker fahren. Nach dem Anreisechaos bei Wacken hatte man Ähnliches erwartet, aber weit gefehlt. Irgendwie haben die Verkehrsplanung und die Anreisehinweise über die Social Media-Kanäle wohl gut funktioniert. Natürlich haben auch wir mitbekommen, dass es nicht bei allen so reibungslos lief, wir aber für unseren Teil hatten eine völlig entspannte Anreise. Und es ist schonmal die halbe Miete, wenn man ruhig und mit immer noch intaktem Seelenfrieden sowie Nervenkostüm am Ort der Bestimmung ankommt.

FEUERSCHWANZ ist alles andere als ein “Kaltstart”! Die furiosen Spielleute ließen keinen Zweifel daran, dass ein langsames Aufwärmen definitiv entfiel. Die “Miezen” genannten Tänzerinnen schwenkten gleich zu Beginn die Fahnen und versetzten die Menge in Stimmung. Und auch die ersten Stöße der Pyro-Kanonen sorgten für das warme Gefühl, hier exakt richtig zu sein. “Memento Mori”, das Album von letztem Jahr wollte natürlich amtlich gefeiert werden und darum gab es nun auch gleich den Titelsong auf die gespitzten Ohren. Eigentlich möchte man in schönen Momenten nicht an seine eigen Sterblichkeit erinnert werden, aber FEUERSCHWANZ erlauben wir das gern. Und schließlich kann man aus der Endlichkeit allen Seins auch die Lehre ziehen, dass man wohl besser den Moment genießen sollte. “Memento Mori” schaffte es übrigens bis an die Spitze der Charts und ist somit FEUERSCHWANZ’ erfolgreichstes Album (bis jetzt!). Danach gings wieder etwas dynamischer zu: “Untot im Drachenboot” sorgte für ergiebige Mitsingerei. Hier wurde auch hinter den Wellenbrechern ordentlich das Tanzbein geschwungen und dazu gebechert. Wildfremde Menschen stießen miteinander an und das gehört ja auch zur FEUERSCHWANZ-DNA: Met und Miezen! Und natürlich wilde Feierei. Nach dem “Metfest” und “Ultima Nocte” wurde es dann auch nochmal körperlich. “Schubsetanz” und das dazugehörige Video sind in der Szene bestens bekannt. Die Single vom Album “Methämmer” widmet sich dem “Rittersport” des Moshens. Natürlich wurde das auch gleich umgesetzt, was bei einer vorwiegend mittelalterlichen Band auch nicht selbstverständlich ist. “Gebt mir die Hörner des Teufels”, rief Prinz Hodenherz kurz vor dem Song “Krampus”. Die Hörner waren aber ohnehin fast durchgehend in der Luft. FEUERSCHWANZ können aber auch hervorragend covern, wie sie auf der zweiten CD ihrer Deluxe Edition zu “Das elfte Gebot” bereits bewiesen hatten. Offenbar hatten sie ihre generelle Lust am Covern entdeckt, denn auch bei “Memento Mori” waren eine paar Lieder anderer Bands enthalten. Ob “Dragostea Din Tei” von O-Zone nun eine der nervigsten Sünden der Musikgeschichte oder aber den ewigen und unverdrängbaren Sommerhit Nr. 1 darstellt, darüber gehen die Meinungen auseinander. FEUERSCHWANZ haben dem Song jedenfalls ihren Stempel aufgedrückt. Das Gleiche gilt für “Warriors Of The World United”, dem Über-Hit von MANOWAR, der während der Zugabe erschallte. Aber erst einmal machten wir noch einen kurzen Abstecher ins Königreich Rohan mit dem Song “Rohirrim”. Die Band leitete auch stilecht mit dem Théoden-Zitat ein: “Die Leuchtfeuer brennen. Gondor ruft um Hilfe. Und das Summer Breeze wird antworten. Reitet, Reitet nun! Reitet zur Vernichtung und zum Ende der Welt. TOOOD!”. Beim anschließenden “Elften Gebot” kam es zu einer Häufung von Crowdsurfern, bevor die Band neben dem erwähnten MANOWAR-Cover auch noch “Die Hörner hoch” spielte und Unzählige ihre T-Shirts im Kreis wirbelten. Ein Schwerttag, ein Bluttag, das war es wahrlich, als FEUERSCHWANZ in Dinkelsbühl einritten.

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Fotos: Andreas Theisinger / Mirco Wenzel

EISBRECHER sind bekannt dafür, mit dem Thema Kälte zu spielen. Auf dem Breeze herrschten aber tropische Temperaturen. Kommt trotzdem die typische EISBRECHER-Stimmung auf? Um das herauszufinden, blieben wir an der Main Stage. Alex und seine Truppe von Tausendsassas waren so cool wie immer, Hitze hin oder her. Und natürlich war der Opener wieder einmal “Verrückt”, der ultimative Headbang-Song. Das aktuelle Album “Liebe macht Monster” bescherte uns Song Nr. 2 “Frommer Mann” und eine gute Schüppe Religionskritik. Nach “FAKK” und “1000 Narben” gab es dann eine Überraschung in Form eines Covers: TRIOs “Anna – Lass mich rein, lass mich raus” hätte man von EISBRECHER nun wirklich nicht erwartet. Covern ist offenbar momentan eine populäre Kunst in der Szene. Solche Experimente sind jedenfalls immer erfrischend und durchbrechen den Kreis der immer gleichen Setlists. Die Frage war nur: Würde die Band, der üblichen Eisbrecher-Choreographie folgend, auch bei diesen Temperaturen Mütze und Parka anlegen? Sie tat es! Die “Eiszeit” hielt Einzug in Dinkelsbühl und viele ertappten sich wohl bei dem Gedanken, dass das gar nicht unwillkommen wäre. Aber Moshen mit Mammuts? Klingt ungesund… Nach einem neuen Song (“Im Guten, im Bösen”) hagelte es dann nur noch altbekannte Hits. Natürlich wurde auch der MEGAHERZ-Song “Miststück” zusammen mit dem stimmkräftigen Publikum zelebriert. Den Schlusspunkt setzte wieder ein Cover: Falcos “Out Of The Dark” ist ein anspruchsvoller Song, aber EISBRECHER meisterten ihn natürlich bravourös. Der Meister kann in seinem Grab zufrieden sein.

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Fotos: Andreas Theisinger / Mirco Wenzel

Wir verließen unseren Platz an der Main Stage nun, um die zweite Bühne, die T-Stage auf Herz und Nieren zu prüfen. Dass uns bei diesem statten Sounderlebnis auch alle anderen Organe um die Ohren fliegen würden, hatten wir nicht erwartet. Die Verantwortlichen waren keine Geringeren, als PARADISE LOST. Pioniere des Gothic Metal und eine Wucht – live wie auf Platte. Als “Veteran”, der schon viele Konzerte der Band live besucht hat, fand ich mich mit einem Komplizen in der ersten Reihe ein und war der Meinung, dass ich wüsste, was mich erwartet. Aber man kann es nicht anders sagen: Schon beim Soundcheck riss es einem durch die Körperlichkeit des Sounds sämtliche Haare in den Nacken. PARADISE LOST empfingen uns mit dem ehrwürdigen Klassiker “Enchantment”, bevor wir einen 25-Jahre-Sprung zu dem aktuellen Langspieler “Obsidian” machten. Nick Holmes und seine treuen Kumpanen sind nicht bekannt für ausschweifende Reden. Überhaupt gibt es verschiedene Meinungen darüber, wieviel Zwischenbemerkungen ein Konzert eigentlich braucht. Von FIELDS OF THE NEPHILIM, wo praktisch kaum ein Wort gesprochen wird bis hin zu der unermüdlich speienden Wortkanone Tobias Sammet ist alles dabei. Ein PARADISE LOST-Konzert ist eine meditative Angelegenheit. Man will sich in den Sphären der Verzweiflung und Düsternis verlieren und den ein oder anderen “Gothgasm” erleben. Ständiges Gequatsche wäre da kontraproduktiv. Zu einer ironischen Bemerkung ließ der Fronter der Briten sich dann aber doch hinreißen: “We go back in the past now. As you know, we have a lot of past but not that much future” kündigte er den ältesten Song des Sets vom legendären Album “Gothic” (1991) an. “Eternal” schickte uns zurück in unsere früheste Jugend, wo wir noch nicht wussten, wer wir eigentlich waren und wo wir hinwollten. Aber dass PARADISE LOST von nun an ein unauslöschbarer Teil unseres Lebens sein sollten, das stand schon damals fest. Bevor ich wieder skeptische Blicke der Kollegen ernte: Ja, ich war damals erst zwei Jahre alt und fand Lieder über Enten und Hasen interessanter als Nick Holmes. Aber man kann ja später noch einiges nachholen. Kurioserweise wurden aus dem Publikum immer wieder volle Bierbecher über die Securitys zur Bühne weitergereicht und gleichsam Opfergaben vor der Band abgestellt. “Thank you, guys”, bedankte sich Nick. “Send me your paypal then”. Der Titeltrack des recht… kurz betitelten Albums “Faith Divides Us – Death Unites Us” durfte im Set natürlich genauso wenig fehlen wie “As I Die”. Der letzte Song gehörte aber wieder der Gegenwart. “Ghosts” beendete diese außerweltliche Erfahrung und eins der besten PARADISE LOST-Konzerte meines Lebens. Kleiner Wermutstropfen: “Tragic Idol”-Songs haben gefehlt. Aber die Sounderfahrung an der T-Stage ist wirklich exzellent und sehr zu empfehlen. Andere Festivals sparen für die kleineren Bühnen gerne mal an der Technik und motzen vor allem die Main Stage auf. Nicht so das Summer Breeze!

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Fotos: Andreas Theisinger / Mirco Wenzel

Was fehlte denn eigentlich noch zu einem erfolgreichen Festivaltag? Ach ja, natürlich FINNEN. Ohne Finnen keine Metal-Party, so will es das Gesetz. Zum Glück wissen das auch die Summer Breeze-Verantwortlichen und hatten uns KORPIKLAANI beschert. Hier wird mit offenen Karten gespielt. Es geht um Alkohol und… äh eigentlich geht es NUR um Alkohol. Ab und zu aber auch um die Natur oder darum, in der Natur Alkohol zu trinken. Die Texte, überwiegend in der Landessprache Finnisch verfasst, versteht ohnehin niemand südlich von Helsinki und das muss man auch nicht. Zu KORPIKLAANI bewegt man sich einfach möglichst rhythmisch und bechert dazu ordentlich, dann kann nichts schiefgehen. Egal ob “Beer, Beer”, “Tequila” oder “Wodka” – KORPIKLAANI haben gefühlt zu jedem Getränk einen passenden Song und spielen sie auch überwiegend auf Festivals. Die Leute tanzten ausgelassen und natürlich wurde auch kräftig gemosht und “gerudert”.

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Fotos: Andreas Theisinger

Es war spät geworden auf dem Summer Breeze. Aber so wirklich lösen wollte man sich nicht von der tollen Stimmung und immerhin wurden die Temperaturen jetzt angenehmer, da die Sonne endlich untergegangen war. Da traf es sich gut, dass wir noch ein “Date” mit der T-Stage hatten. FLESHGOD APOCALYPSE aus Italien setzte unseren Schlusspunkt am Breeze-Mittwoch. Die Musik der Band bildet die perfekte Einheit aus brutalem Death Metal und symphonischen Elementen. Außer HAGGARD gibt es in dem Genre wohl nichts Vergleichbares. Der Platz vor der Bühne war auch gut gefüllt und die Band hatte ein außergewöhnlich emotionales Konzert. Nicht nur wegen der langen Bühnenabstinenz der Vorjahre. Irgendwie passte alles bei dieser “Moonshine-Session”. Die Band präsentierte live Werke aus ihrer mittlerweile fünfzehnjährigen Geschichte und die Menge war ausgesprochen supportive. Es war alles dabei: gewaltige Moshpits, Crowdsurfer und jede Art von lautstarker Unterstützung. Die cleanen (Gast-)Vocals, besonders die weiblichen fügten sich harmonisch in ein Bett aus Extreme Metal-Dornen. Und mit wieviel Körpereinsatz man Flügel spielen kann, bewies Francesco Ferrini an den Tasten. FLESHGOD APOCALPYSE haben relativ viele Festivalauftritte diesen Sommer gespielt, aber das Summer Breeze schien einen besonderen Eindruck hinterlassen zu haben. Erst posteten sie auf Facebook das Schlussfoto mit dem Kommentar “No words”. Aber schon wenig später meldete sich Fronter Francesco Paoli doch noch ausgiebiger zu Wort: “Ich bin so stolz darauf, was gestern Nacht passiert ist!”, schrieb er sichtlich bewegt und postete ein Video des Moshpits von der Bühne aus. “Ich kann darüber nicht schweigen. Es ist nicht nur ein Bild der Menge. Dies ist das Porträt von Jahren harter Arbeit, Entschlossenheit und eng zusammenwachsender Bandmitglieder, was auch absolut erforderlich ist, um eine Band auf dieses Niveau an Beständigkeit zu hieven, selbst wenn die Band nicht immer vollständig anwesend sein kann. Ich bin immer sehr bescheiden und bodenständig, daher fühlt es sich merkwürdig an, diesen Post zu machen, aber ich bin auch immer ehrlich zu euch und das ist es nun mal, was ich heute empfinde. Die Wahrheit ist, dass diese Hingabe wichtiger ist als unser Ego, Fakten, Worte, Songs, Trends, Musik und als wir alle. Ich danke meinen Bandkollegen dafür, meine musikalische Reise so einzigartig gemacht zu haben und ich liebe euch, Leute, über alles dafür, dass ihr immer zu uns kommt, egal was passiert. Das ist der Weg, wie wir eine Einheit werden und das ist die bestmögliche Errungenschaft im Leben”.
Wir können das nur zurückgeben, Francesco und Co. Danke, dass ihr uns den Abend versüßt und anschließend zauberhafte Träume beschert habt.

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Fotos: Andreas Theisinger / Cynthia Theisinger

Der erste Tag Summer Breeze hat schon vielversprechend vorgelegt. Lest morgen darüber, wie es weiterging auf dem fränkischen Acker und ob die Folgetage mithalten konnten.

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