Ulli hört ein HU!

Der Monatswechsel Januar/Februar war im Rhein/Ruhrgebiet vollgespickt mit hochkarätigen Konzerten, und irgendwie ist es ein Jammer, dass man sich nicht zweiteilen kann. Im Mittelalter hätte man nur etwas gegen die Obrigkeit erwähnen müssen, dann wäre man gevierteilt worden, aber aus anatomischer Hinsicht würde man daraus auch keinen Vorteil gewinnen, um an einem Abend auf mehreren Hochzeiten, oder eben auf Konzerten zu tanzen. Denn auf einem Bein tanzt es sich schlecht. Somit musste die Münze entscheiden und führt mich am Sonntagabend in die Kölner Kantine. Nein, ich hatte keinen knurrenden Magen zu versorgen gehabt, der Musikclub Kantine ist Veranstaltungsort vieler hochkarätiger Konzerte, und so wird hier eher der Hunger nach Musik gestillt.

Leider ist das Parkplatzangebot etwas dürftig, und nach einigem Suchen und mehreren hundert Metern Fußmarsch, erreiche ich den Eingang erst zu den ersten Klängen der Vorgruppe FIRE FROM THE GODS. Habt ihr noch nie gehört? Dann mal auf die Lauscher, denn die US-Amerikaner lassen es richtig krachen! 2012 in Austin/Texas gegründet, veröffentlichten sie 2016 ihr vielbeachtetes Debütalbum „Narrative“ und ließen sich bis November 2019 Zeit, um ihr neues Album „American Sun“ auf den Markt zu bringen. Die Mischung aus melodischem Rapcore und Metalcore lässt das Publikum der ausverkauften Kantine vom ersten Ton an mitgehen. Frontmann AC Channer interagiert souverän und mit Humor mit dem Publikum, und als der Drummer sich als Rheinländer outet und seine anwesende Familie grüßt, sind beim Publikum die letzten Hürden gefallen. Somit ist der leider viel zu kurze 40-minütige Auftritt ein gelungener Opener für die heißersehnten Headliner.
Noch bevor das Licht ausgeht, um das Publikum auf das Ende der Umbaupause hinzuweisen, höre ich ein HU! Und nicht nur eines davon! Die Fans befeuern mit lauten HU!-Rufen die Band und nach gefühlten 50 HUs ist es auch endlich soweit!

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Fotos: Ulli

Die Rocksensation 2019 betritt nicht mit einem Donnerschlag die Bühne, schließlich wollen die Instrumente noch ein Feintuning erhalten, aber mit den ersten Klängen von ‚Shoog Shoog‘ fällt nicht nur die Anspannung der Band, auch das Publikum klatscht euphorisch zum Rhythmus des Schlagzeugs und der Großtrommeln mit. Da kaum jemand der mongolischen Sprache mächtig ist, wird das Mitsingen großzügig auf den Refrain beschränkt, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch beschert. Aber was fasziniert die Hörerschaft an The HU? Im Sommer 2019 hat die Band aus der mongolischen Hauptstadt Ulaan-Baatar zum ersten Mal auf europäischen Festivalbühnen auf sich aufmerksam gemacht und seitdem grassiert das HU-Fieber wie ein Lauffeuer. Binnen kurzer Zeit erreicht das erste Video der Band auf YouTube zigmillionenfache Aufrufe, denn die Mischung aus westlicher Rockmusik mit mongolischen Folk-Einflüssen und traditioneller Instrumentierung trifft den Zeitgeist und bedient den Durst nach noch nie Gehörtem. Wo schon andere Bands den kehligen Untertongesang mit altertümlichen nordischen Instrumenten eine Presche in die Musiklandschaft geschlagen haben und sich zunehmender Beliebtheit erfreuen, haben The HU in diesem Fahrwasser einen Exotenstatus.

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Fotos: Ulli

Nicht nur der Klang, auch die Optik der traditionellen Pferdekopfgeige ‚Morin Khuur’ und der mongolischen Gitarre ‚Tovshuur’ vermitteln bisher in unseren Breitengraden nie dagewesene Eindrücke. Genau dieser Reiz des Neuen ist der Schlüssel zum Erfolg der Musiker, denen man gerne das Synonym Erben Dschingis Khans verpasst. Zu dessen Zeiten wurde eine metallische Brosche, der sogenannte Gereg, eingeführt, der als diplomatisches Zeichen als der erste Reisepass der Geschichte genannt werden darf. Und so betitelten The HU (die Silbe Hu steht für das mongolische Wort für ‚Mensch‘) ihr Debütalbum nach eben jenem Schmuckstück, denn die Musik der vier studierten Musiker nimmt den Hörer mit auf eine abenteuerliche Klangreise. Es ist sofern nicht weiter verwunderlich, dass sämtliche Songs des Debütalbums heute aufgeführt werden. So versetzen die Hunnu-Rocker das Kölner Publikum in Gefühlszustände, die von andächtiger Trance bis energischer Exstase reicht. Ein einmaliges Konzerterlebnis der zurecht ausverkauften Tournee der Mongolen. Nun darf man die weitere Karriere gespannt verfolgen, ob sich The HU mit dem folgenden Album auf der Welle des Erfolgs halten können, oder ob die Wogen der Begeisterung der nächsten musikalischen Neuentdeckung weichen.

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Fotos: Ulli
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